Insurtechs: „Markt ist nicht groß genug, um langfristig eine so hohe Anzahl an ‚Unicorns‘ zu halten“

Start-up mit großen Zielen: Baobab will Schäden verhindern und sich auf die Bedürfnisse der Kunden einstellen. Quelle: StockPhotos auf Pixabay

Laut einer Bitkom-Studie ist fast jedes zweite Start-up (47 Prozent) in Deutschland in seiner Existenz bedroht. Laut einer Umfrage des Berliner Digitalverbands BITKOM unter 112 IT- und Internet-Jungunternehmen, hat sich für zwei Drittel (68 Prozent) die eigene Situation seit Beginn der Pandemie verschlechtert. Neun von 10 (88 Prozent) sind zudem überzeugt, dass sich die Lage für Start-ups auch allgemein verschlechtert hat. Und drei Viertel (78 Prozent) erwarten eine Pleitewelle unter deutschen Start-ups. Die Versicherungsberatung Willis Towers Watson veröffentlicht vierteljährlich das InsurTech-Briefing zu den aktuellen Entwicklung der weltweiten Insurtech-Finanzierungen. Wir haben mit Dr. Niki Winter, Director und Digitalisierungsexperte bei Willis Towers Watson in Deutschland gesprochen.

VWheute: Sehen Sie die beschriebene Entwicklung der Studie?

Niki Winter: Ohne die genaue Datengrundlage der Studie zu kennen, möchten wir Abstand davon nehmen, diese zu kommentieren. Unsere Untersuchungen der versicherungsspezifischen Start-ups zeigen jedoch, dass es noch zu früh ist, um konkrete Aussagen bezüglich des Einflusses der Covid-19-Pandemie auf die Insurtech-Szene zu fällen.

Denn bislang sehen wir in diesem Jahr ein sehr uneinheitliches Bild: Während im ersten Quartal die Anzahl der späten Finanzierungsrunden zurückgegangen ist (was zu einem signifikanten Rückgang des Finanzierungsvolumens geführt hat), ist die Gesamtzahl der Finanzierungen angestiegen.

Im zweiten Quartal sehen wir hingegen einen Anstieg der späten Finanzierungsrunden bei einem gleichzeitigen Rückgang der Anzahl der Finanzierungen. Dies zeigt zunächst, dass Start-ups auf allen Entwicklungsstufen trotz COVID-19 weiterhin Investoren von sich überzeugen können.

VWheute: Sie sagten einst: „Allerdings gibt es nicht nur Erfolgsgeschichten: Wir haben in den vergangenen drei Jahren 184 Startups gezählt, die den Geschäftsbetrieb einstellen mussten, vermuten aber, dass wir hier nur die Spitze des Eisbergs sehen.“ Steht die Aussage noch und wie sehr hat Corona die Situation erschwert?

Niki Winter: Die Aussage steht weiterhin. Dennoch wird mit hoher Wahrscheinlichkeit die Covid-19-Pandemie mit ihren unvorhersehbaren, langfristigen Auswirkungen die Situation erschweren. Allerdings ist der Zeitpunkt noch zu früh, um verlässliche Aussagen zu treffen. Zweifelhaft ist zudem, ob wir auch hier mehr zu sehen bekommen als die Spitze des Eisbergs.

VWheute: Viele Insurtechs sprechen nur von Erfolgen und Millionenfinanzierungen (Wefox, Friendsurance, Clark…), sind das die berühmten Einzelfälle und welche Probleme haben Insurtechs derzeit?

Niki Winter: Insurtechs waren in den vergangenen Jahren teils sehr erfolgreich darin, Geld aus externen Quellen einzusammeln. Unseren Untersuchungen zufolge erhielten im vergangenen Jahrzehnt über ein Viertel aller gegründeten Insurtechs eine Finanzierung. Zehn von Ihnen erreichten sogar den Status „Unicorn“ mit einer Bewertung von jeweils mehr als einer Milliarde Dollar.

Allerdings ist der Markt nicht groß genug, um langfristig eine so hohe Anzahl an „Unicorns“ zu halten. Inhaltlich besteht somit die Herausforderung, neben diesen bereits etablierten Insurtechs weitere Nischen zu finden, die ein vergleichbares Wachstumspotential bieten.

VWheute: Warum wird aktuell nicht in Insurtechs investiert, derzeit müssten die Preise doch dank der beschriebenen Entwicklung im Keller sein?

Niki Winter: Die Entwicklung der Preise ist sicherlich an den weiteren Verlauf der Coronakrise gekoppelt, deren Ausgang weiterhin unklar ist, sodass wir erst retrospektiv beurteilen können, ob die Preise aktuell tatsächlich „im Keller“ sind. Für den Moment lässt sich jedoch festhalten, dass trotz der Pandemie weltweit weiterhin in Insurtechs in allen Entwicklungsstadien investiert wird.

Die Fragen stellte VWheute-Redakteur Maximilian Volz.

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