Industrieversicherung vor multipolaren Herausforderungen

Allianz-VorstandGiulio Terzariol plädierte auf dem 14. GVNW Symposium in München für Fairness in der Industrieversicherung. Quelle: ak

Unter dem Motto „Von analog zu digital: Was kommt als Nächstes?“ hat in München das 14. Symposium des Gesamtverbandes der versicherungsnehmenden Wirtschaft e.V. (GVNW) begonnen. Mit mehr als 700 Teilnehmern, die, inklusive der anwesenden Versicherungsunternehmen, rund 50 Prozent der Marktteilnehmer repräsentieren, ist die Veranstaltung die größte ihrer Art im deutschsprachigen Raum. In seiner Eröffnungsrede forderte der GVNW-Vorsitzende Alexander Mahnke auf Seiten der Versicherer gemeinsame technische Standards. Giulio Terzariol, Finanzvorstand der Allianz SE, betonte hingegen die gemeinsamen Interessen von Versicherungsindustrie wie deren Kunden und mahnte einen fairen Ausgleich von Preisen und Policen an um auch in Zukunft das Geschäft für beide Seiten auskömmlich gestalten zu können.

„Unverständlich und inakzeptabel“ sei es, so der Versammlungsleiter und GVNW-Chef Alexander Mahnke, dass auf Seiten der Industrieversicherer immer noch keine einheitlichen Standards zur technischen Kommunikation etabliert worden seien. Diese Ineffizienz sei vor dem Hintergrund diverser Herausforderungen wie einem allgemein weichen Markt, zunehmenden Cyberrisiken sowie etlicher politischer Risiken, Stichwort Brexit, Italien, Handelsstreit China-USA etc., ausgesprochen hinderlich.

„Wenn sie sich die Kostenstruktur von Versicherungen ansehen und auch die Tatsache, dass wir in einigen Branchen mit einer Marktverhärtung konfrontiert werden könnten, werden Themen wie Automatisierung und neue Technologien, die uns und unseren Partnern helfen könnten, kosteneffizienter zu werden, immer wichtiger“, so Mahnke weiter. Mit Blick auf das Modethema Cyber konstatiert Mahnke zwar ein gewisses Wachstum, jedoch gebe es in diesem Bereich mehr Anbieter als Nachfrager. Treiber ist hier jedoch die sich dynamisch entwickelnde D&0-Versicherung, wo zumindest im Ausland drastische Preiserhöhungen durchgesetzt werden konnten, ein Trend dem sich mittelfristig ganz sicher auch nicht der deutsche Markt verschließen kann.

Einkäuferfreundlich und einigermaßen stabil präsentiert sich die Warentransportversicherung. Risiken berge hier jedoch der Trend zum Gigantismus, so Mahnke, der bei Siemens für die Industrieversicherung verantwortlich ist, wenn immer größere Schiffe immer teurere Ladung rund um den Globus transportierten und „schwimmende Milliardenwerte“ abzudecken seien. Bei einer Schadenquote von rund 40 Prozent entwickelt sich auch die Kreditversicherung positiv, hier werde sehr gut verdient. Genügend Kapazitäten bei insgesamt stabilen Prämien, so präsentiert sich nach den Marktbeobachtungen des GVNW der Haftpflichtversicherungsmarkt in Deutschland. Einzelheiten hier im Video:   

„Augenmaß“ beim Pricing fordert Mahnke hier im Video:

Giulio Terzariol, Finanzvorstand der Allianz SE, der nach der Absage von Allianz SE-CEO Oliver Bäte den Eröffnungsvortrag zum Auftakt des diesjährigen GVNW-Symposiums hielt, betonte in seinem Beitrag die Gemeinsamkeiten von Anbietern und Versicherungsnehmern. Angesichts einer zunehmenden Polarisierung der Welt und drohenden Handelskriegen müsse man sich auf einen gemeinsamen Nenner einigen, Effizienzgewinne heben und dabei auf eine faire Verteilung von Lasten wie Gewinnen achten. Nur so könne der Markt für beide Seiten auskömmlich gestaltet werden.

Immer wieder aufkommenden Gerüchten einer Fusion von Euler Hermes und der AGCS erteilte Terzariol auf Nachfrage eine Absage: „Unsere Position hat sich nicht verändert“, trotzdem schauen wir, wie und wo beide Unternehmen zusammen arbeiten können, so der Finanzchef weiter. Es folgte ein klares Bekenntnis zum Industrieversicherungsgeschäft, welches Terzariol angesichts eines 700 Mrd. Euro-Volumen als Kerngeschäft der Allianz bezeichnete. Auch wenn sich die Allianz vorstellen könne, wie z.B. in Australien geschehen, aus dem ein oder anderen Markt auszusteigen, „Überraschungen wird es keine geben“, sagte Terzariol.

Den Finger in die Wunde aller Marktteilnehmer legte der Manager mit seiner Kritik an der negativen Entwicklung der Staatsanleihen in Europa und Deutschland. Dies habe harte Konsequenzen für die Profitabilität der Versicherungswirtschaft insgesamt. Sichtbar würde dies an den durchschnittlichen Werten der drei-Jahres-Entwicklung der Combine-Ratio bei den Industrieversicherern. Dort habe bislang keines der dominierenden Unternehmen geschafft, positive Werte zu erzielen. Vor diesem Hintergrund sei ein Plus an Effizienz eine Selbstverständlichkeit, wehrte sich Terzariol gegen den eingangs erhobenen Vorwurf.

Welche Herausforderungen auf die Branche noch zukommen skizziert Giulio Terzariol hier im Video:

Über das weitere Vorgehen beim technischen Pricing diskutierten GVNW-Chef Mahnke und Giulio Terzariol im Anschluss an ihre Vorträge auf offener Bühne:

Auf der Agenda der diesjährigen Veranstaltung stehen weiter die Themen USA, autonome Mobilität, Logistik, neue Energien, KI und nicht zuletzt der Brexit im Fokus der Betrachtungen. Heute geht das Symposium mit der Podiumsdiskussion „Krisenmanagement bei kriminellen Angriffen“ und einem Vortrag von Gregor Gysi (Die Linke), Mitglied des Bundestages, zu Ende. VWheute berichtet weiter.

Autor: Alexander Kaspar