Schluckebier: „Generell scheint mir die Kundenfreundlichkeit bei den Unternehmen weiter zuzunehmen“

Dr. h.c. Wilhelm Schluckebier, Richter am Bundesverfassungsgericht I. Senat von 2006-2017

Das Beschwerdeaufkommen in der Versicherungsbranche ist im letzten Jahr auf 17.413 (2019: 16.928) gestiegen. Dies geht aus dem aktuellen Geschäftsbericht des Versicherungsombudsmannes hervor. Dennoch sei die „Bereit­schaft, ent­täusch­ten Kun­den entgegenzukommen, erfreu­lich aus­ge­prägt“, konstatiert Wilhelm Schluckebier.

„Als positiv empfinde ich, dass inzwischen auch immer mehr Versicherungsvermittler und -berater die Kunden bei Problemen mit ihren Verträgen an den Ombudsmann verweisen – übrigens auch solche Vermittler, die exklusiv nur für einen Versicherer arbeiten“, betont der Jurist in einem GDV-Interview.

Allerdings habe sich die Corona-Pandemie bislang „eher wenig“ auf die Arbeit des Versicherungsombudsmannes ausgewirkt. „Wir haben allerdings vergleichsweise starke Zuwächse bei Beschwerden zu Reiseversicherungen verzeichnet, wenn auch von einem geringen Niveau aus. Hinzu kamen einige Beschwerden zu Betriebsunterbrechungs- und Betriebsschließungsversicherungen. Diese können wir aber nicht bearbeiten, weil wir nur für Verbraucher und grundsätzlich nicht für Selbständige und Gewerbetreibende zuständig sind“, konstatiert Schluckebier.

„Was ich aber jetzt schon sagen kann: Die Anzahl der neu eingegangen Beschwerden, für die wir zuständig sind – nämlich insgesamt 14.102 –, liegt trotz eines Anstiegs im Rahmen der üblichen Schwankungsbreiten. 2018 und 2019 hatten wir leichte Rückgänge zu verzeichnen. Davor wiederum gab es Jahre mit stärkeren Anstiegen. Mit anderen Worten: Da ist nichts erstaunlich. Und angesichts von rund 400 Millionen Versicherungsverträgen in Deutschland kann man wohl kaum von einer generellen Unzufriedenheit der Kunden sprechen.“

Wilhelm Schluckebier, Versicherungsombudsmann

Keine Erklärung habe er jedoch dafür, weshalb „die Zahl der eingereichten Beschwerden gegen Lebensversicherer gegenüber dem Vorjahr um 373 auf 3.210 zurückgegangen“ sei. „Generell scheint mir die Kundenfreundlichkeit bei den Unternehmen weiter zuzunehmen. Auch in unseren Verfahren ist die Bereitschaft bei den Versicherern, enttäuschten Kunden entgegenzukommen, erfreulich ausgeprägt“, betont der ehemalige Richter am Bundesgerichtshof (BGH).

Laut jüngstem Geschäftsbericht des Versicherungsombudsmannes gingen im Jahr 2020 insgesamt 17.413 Anträge auf Durchführung eines Streitbeilegungsverfahren gegen Versicherungsunternehmen ein. Dies sind knapp drei Prozent mehr als im Jahr zuvor. Rund drei Viertel wurde als zulässig beendet. Hauptursache für nicht beendete Anträge zur Streitbeilegung war, dass kein eigener versicherungsvertraglicher Anspruch bestand.

Die Finanzaufsicht Bafin bearbeitete 2020 insgesamt 8.216 Beschwerden (2019: 7.851). Am häufigsten monierten die Verbraucher demnach die Art der Schadenbearbeitung oder die Höhe der Versicherungsleistung. Etwa 200 Eingaben gab es im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie, berichtete jüngst die Deutsche Presseagentur (dpa), der die aktuellen Daten vorliegen. Im Mittelpunkt der Beschwerden standen laut Statistik vor allem die Reiserücktritts- oder Betriebsschließungsversicherungen.

Bei den privaten Krankenversicherern ist die Gesamtzahl (5.906) der Beschwerden 2020 im Vergleich zum Vorjahr leicht gesunken (2019: 5.953) und liegt deutlich unter dem Mittelwert für die Jahre 2010 bis 2020 von 6.223 Antragseingängen jährlich. In den weitaus meisten Fällen (85,9 Prozent) erfüllten die Anträge die Vorgaben der Schlichtungsstelle; sie leitete also ein Verfahren ein.

Traditionell entfällt der Großteil der Beschwerden (75,9 Prozent) auf die Krankheitskostenvollversicherung, heißt im aktuellen Tätigkeitsbericht des PKV-Ombudsmanns. Häufigstes Streitthema war hier wie im Vorjahr die korrekte Abrechnung ärztlicher und zahnärztlicher Leistungen: Fast ein Viertel der Anträge entfiel darauf.

Die wesentlichen Ursachen für die Beschwerden beim PKV-Ombudsmann waren nach den Gebührenstreitigkeiten Auseinandersetzungen über die medizinische Notwendigkeit einzelner Behandlungen (19,9 Prozent) sowie die Kostenerstattung von Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln (14,1 Prozent). Während in der Vollversicherung nur etwa jede zwanzigste Beschwerde (sechs Prozent) eine Beitragsanpassung oder die Beitragshöhe betraf, kam es in der Pflegepflicht- und in der Pflegezusatzversicherung wegen sprunghaften und deutlichen Beitragserhöhungen zu relativ vielen Anträgen, heißt es beim PKV-Verband.

Autor: VW-Redaktion

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