Streitthema Atomenergie: „Harter“ Ausschluss bei der Stuttgarter

Wie rund läuft es mit der Nachhaltigkeitspräferenzabfrage bei Vermittler? Assekurata hat dies aus der Perspektive der Verbraucher beleuchtet. Quelle: Yves Bernardi auf Pixabay

Das Thema Nachhaltigkeit eignet sich nach Auffassung der Zurich nicht für den Wettbewerb und das Marketing. „Wir sollten national und international als Versicherer, aber auch mit den Unternehmen auf allen Ebenen zusammenarbeiten“, sagte Björn Bohnhoff, Vorstand der Zurich Gruppe Deutschland, bei einer Presseveranstaltung der Versicherungsforen Leipzig GmbH. Beim Impact Investing lasse sich gemeinschaftlich mehr Druck auf die Unternehmen hinsichtlich deren ESG-Konformität ausüben.

Dabei gehe es in der Kapitalanlage nicht nur um die Kapitalverknappung für „nicht-gute“ Unternehmen, sondern auch um die Begleitung der Unternehmen bei der Transformation. Hier werde sich die Zurich stärker in den Dialog, auch auf Hauptversammlungen, einbringen. Bohnhoff forderte auf, „best practices“ zu teilen, wenn es um Nachhaltigkeit gehe. Nur so ließen sich die Klimaziele erreichen. „Das ist kein Marketing-Thema“, so Bohnhoff. Weitere Ansatzpunkte für mehr Gemeinsamkeit sieht er bei „Umwelt- und Bildungsinitiativen“.

Die Branche habe eine intrinsische Motivation den Klimaschutz nach vorne zu bringen – „vor allem die Kompositversicherer, die um die Versicherbarkeit von vielem fürchten müssen.“ Die Kunden zu mehr Nachhaltigkeit in der Altersvorsorge zu bewegen, nannte er „leicht“. Da gelte es für diese ja nur ein Häkchen zu machen und nicht um den Verzicht auf klimaschädlichen Konsum.

Mit den Änderungen der EU-Versicherungsvertriebsrichtlinie IDD und der europäischen Finanzmarktrichtlinie zum 2. August 2022 erhalten Versicherungsunternehmen und -vermittler zusätzliche Informationspflichten und Wohlverhaltensregeln. So sind über die Transparenz-Verordnung nachhaltige Präferenzen abzufragen. Mit ihrer Taxonomie will die EU Nachhaltigkeit messbar und vergleichbar machen. Die Verordnung (EU) 2020/852 sei der Öffentlichkeit sicher erst durch die Diskussion um die Aufnahme von Atomenergie und Gas als nachhaltig bekannt geworden, sagte Prof. Dr. Christian Klein, Professor für Sustainable Finance an der Universität Kassel.

Bei der Stuttgarter gilt für Atomenergie ein „harter“ Ausschluss, berichtete Ralf Berndt, Vorstand der Stuttgarter Lebensversicherung a.G. Bohnhoff verweist darauf, dass die Aufnahme in die Taxonomie keine Investoren zum Atomstrom zwinge. Seines Wissens halte die Zurich noch RWE-Anteile. Er betonte den Dialog mit den Unternehmen über deren Transformation. Die Zurich habe sich auch schon von Kunden, bei denen dieser „Prozess nicht schnell genug geht, getrennt“. Die einzelnen Landesgesellschaften der Zurich entschieden selbstständig, antwortete er auf die Frage, ob Atomstrom für seine französischen Kollegen „grün“ sein könne.

Für Klein ist die Taxonomie „der Game-Changer“, der die Unternehmen in der EU radikal verändern und fokussieren wird. „Die Auswirkungen auf die Geschäftspolitik und die Berichterstattung werden gewaltig sein“, erwartet er. Im Handeln ist die Nachhaltigkeit indes noch nicht richtig angekommen. Viele Umfragen bestätigten ein großes Interesse der Kunden an nachhaltigen Geldanlagen, so Berndt. „Das ganze Thema entwickelt sich in der Breite der Gesellschaft zu einem Trend.“

Rund ein Drittel des Neugeschäftes in der Altersvorsorge habe die Stuttgarter 2021 mit grünen Produkten gemacht. Bohnhoff sprach für Zurich von 40 Prozent. Stark nachgefragt würden auch die eigenen Weiterbildungsangebote für Vermittler, die man inzwischen auch ausgeweitet habe, so Berndt. Er berichtete von Teilnehmerzahlen zwischen 800 und 1.000 Vermittlern, die beim Online-Angebot auch dabeiblieben. Natürlich habe sich durch die Regulierung mit der Transparenz- sowie der Taxonomie-Verordnung die Dynamik erhöht, es gebe aber auch eine starke intrinsische Motivation in der Vermittlerschaft.

„Unsere Fans unter den Vermittlern werden immer mehr“, sagte Uwe Mahrt, CEO der Pangaea Life. Gleichwohl berichtete er auch von einer Unsicherheit gerade bei den Älteren, Grünes in das angestammte Produktportfolio aufzunehmen. Die Pangaea bietet die nachhaltige Anlage seit Jahresbeginn auch für die Rentenphase. Berndt wies darauf hin, dass bei Fondsanlagen im Rentenbezug noch offen sei, ob die Ertragsanteilsbesteuerung anzuwenden sei. Prinzipiell gehe es aber in die Richtung von nachhaltiger Anlagemöglichkeit im Rentenbezug.

Dass die Nachhaltigkeit im Verkauf bisher keinen höheren Stellenwert hat, führt Berndt auf die bisher fehlenden einheitlichen Maßstäbe für grünes Wirtschaften zurück. Er geht davon aus, dass sich dies mit der EU-Taxonomie ändern wird. Klein berichtete von Untersuchungen, wonach die Kunden nicht grün anlegten, weil die Vermittler nichts anböten. „Der Vermittler fragt den Kunden aber nicht nach seinen grünen Präferenzen aus Angst, dass dieser mehr weiß.“ Vermittle man nur scheinbar „grüne“ Anlagen, gerate man schnell in den Verdacht des „Greenwashings“.

Für Klein wird dies eines der „Top-5-Themen“ 2022. Der Grund liegt in missverständlichen Auffassungen über ESG-Konformität. „Man wird dem Kunden erklären müssen, dass man nicht nur in Anlagen mit lauter Windkrafträdern, einer 50-prozentigen Frauenquote und ohne Kinderarbeit investieren kann, weil es davon weltweit nur eine Handvoll Unternehmen gibt und man Probleme mit der Diversifikation bekommt.“ Die Transformation der Wirtschaft hin zur CO₂-Neutralität sei ein Prozess und kein Zustand. Die Gefahr des Greenwashings liege in der hohen Sensibilität der Kapitalmärkte, die solches Handeln schnell abstraften. So habe die 2021 wegen des Greenwashings in Verdacht geratene DWS beispielsweise eine Milliarde Euro Börsenwert eingebüßt, obwohl kein justiziables Verhalten vorlag. „Ich würde mir wünschen, dass hier differenzierter herangegangen wird“, so Klein. 

Die Versicherungsgruppe Die Bayerische will ab 2030 „aus eigener Kraft und mit allem (also auch Fahrwegen der Mitarbeitenden)“ klimaneutral sein, sagte Mahrt. Die Stuttgarter will in ihrer Kapitalanlage und den Kernprozessen bis 2029 ohne den Zukauf von Zertifikaten klimaneutral sein, in den gesamten Kapitalanlagen bis 2045. „Das Tempo kann sich aber noch erhöhen“, so Berndt. Die Zurich nennt als Ziel für ihre Kapitalanlage ebenfalls 2045. „Wichtig ist der Pfad“, so Bonhoff. Es müsse rasch und stetig begonnen werden, damit zum Ende hin nicht drastische Absenkungen nötig seien.

Autorin: Monika Lier

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