Aon-Manager Thofern fordert Dreiklang gegen künftige Überschwemmungsschäden

Der GDV taxiert die Schäden durch Unwetter "Bernd" auf eine Summe von rund 8,5 Mrd. Euro. Quelle: R+V Versicherung

Die Bilder des Hochwasserereignisses „Bernd“ und seine Folgen haben uns betroffen gemacht – leider werden solche Ereignisse in Zukunft häufiger auftreten. Prävention, Warninfrastruktur und Versicherung sind entscheidende Komponenten, um die Folgen künftiger Hochwasserereignisse zu reduzieren. Ein Gastbeitrag von Jan-Oliver Thofern.

Die meisten erinnern sich noch an die schrecklichen Bilder des Hochwassers vom August 2002 – in Deutschland auch „Elbhochwasser“ genannt. Damals trat die Elbe über die Ufer und verursachte versicherte Schäden mit einem heutigen Wert von rund 4,6 Mrd. Euro. Wir müssen davon ausgehen, dass das Hochwasser „Bernd“ ebenfalls einen Schadenaufwand in dieser Größenordnung verursacht. Verlässlich werden wir es jedoch erst in einigen Monaten wissen. Von wissenschaftlicher Seite besteht wohl kein seriöser Zweifel daran, dass der Klimawandel solche und ähnliche Phänomene beschleunigt und auch die Zeiträume zwischen ihrem Auftreten verkürzt. Aber auch die zunehmende Flächenversiegelung, die Bebauung von Hochrisikogebieten und Retentionsflächen der Flüsse sowie die Manipulation von natürlichen Flussläufen, haben Auswirkungen auf das Schadengeschehen und die Schadenhöhe.

Wir tun gut daran zu realisieren, dass in kurzer Zeit eine wirksame Einflussnahme auf schadenauslösende klimatische Phänomene kaum möglich sein wird. Also müssen wir begleitend zu anderen präventiven Maßnahmen intensiv und rasch daran arbeiten, das wichtigste Ziel zu erreichen: die Vermeidung von Schaden an Leib und Leben. Die verfügbaren Warn-Apps sind besser als verschiedentlich behauptet – haben aber eine signifikante Schwäche: Die Inhalte, die die Verantwortlichen absetzen, müssen alarmieren, ohne zu beängstigen. Zudem erreichen Warnhinweise natürlich auch nur Smartphone-Besitzer, die die Warn-App installiert haben und Warnungen unter Umständen mitten in der Nacht lesen.

Wie gut – oder schlecht – das in der Praxis funktioniert hat, lässt sich in den dokumentierten Abläufen detailliert nachlesen. Ein wichtiger zusätzlicher Kanal ist deshalb das „cell broadcasting“, das mit SMS arbeitet und alle Personen in einer Funkzelle erreichen kann, die ihr Telefon eingeschaltet haben und nicht nur diejenigen, die zusätzlich eine Notfall-App heruntergeladen und deren „Push-Benachrichtigung“ aktiviert haben. Andere Länder – nicht nur die USA – haben solche Systeme längst eingeführt: Japan (2009), die Niederlande (2012), die Türkei (2012) und auch Russland (2015).

Vor der Bundestagswahl soll nun eine Machbarkeitsstudie zum SMS-Massenversand vorliegen und dann nach positivem Studienausgang eine Ausschreibung erfolgen. Es ist zu hoffen, dass sich die Prognosen zur Einführung für den Sommer 2022 halten lassen. Es wäre spät genug. Neben der Warnung vor akuten Gefahren ist im Zusammenhang mit der Erteilung von Baugenehmigungen die explizite Berücksichtigung der Gefährdungsklasse für Hochwassergebiete (zum Beispiel anhand der ZÜRS-Systematik) dringend erforderlich. Zusätzlich zu den Experten aus der Wissenschaft sollte auch die Erfahrung der Versicherungswirtschaft in der Risikobeurteilung hierbei stärker berücksichtigt werden.

Dennoch wird regelmäßig in der Folge von Ereignissen wie „Bernd“ nach einer Pflichtversicherung gegen Elementarschäden gerufen. Zu Recht, könnte man meinen, denn mit einer Pflichtversicherung – so die These – wäre das Problem unversicherter Risiken und der verbundenen Härtefälle
gelöst. Abgesehen von den rechtlichen Hürden, die durch die unterschiedliche Betroffenheit potenzieller „Pflichtversicherungsnehmer“
entstünden, würde das System in einen Markt eingreifen, der funktioniert. Annähernd 100 Prozent aller Gebäude in Deutschland sind versicherbar. Das war zum Beispiel in der Terrorversicherung nach den Anschlägen am 11. September 2001 ganz anders. Es gab danach praktisch keinen Markt für die Versicherung des Terror-Risikos. Die Breite der Nachfrage stieß im Markt damals auf nahezu kein Angebot, sodass viele Staaten eine Versicherungslösung gestützt haben. Verschiedentlich wurde dies auch als Pflichtversicherung organisiert.

Ein Eigenheimbesitzer, der eine Versicherung hätte abschließen können, dieses aber nicht getan hat, darf dann allerdings nicht so gestellt werden, wie beispielsweise sein direkter Nachbar, der schon seit 20 Jahren für seine Versicherung bezahlt hat. Härtefälle müssen dessen ungeachtet immer unterstützt werden, aber die Verweigerung der Versicherungsnahme darf nicht zu einer wirtschaftsrationalen Entscheidung werden.

Zusammengefasst sollte der Schwerpunkt der Anstrengungen in den kommenden Jahren auf der kurzfristig umsetzbaren technischen Prävention, der Optimierung der technischen und organisatorischen Warninfrastruktur sowie der kontinuierlichen und transparenten Aufklärung über die Bedeutung des Versicherungsschutzes liegen. Die dargestellten Möglichkeiten zur Umsetzung staatlicher Subventionen könnten diesen Weg flankieren.

Autor: Jan-Oliver Thofern, Chief Executive Officer Aon, zuständig für den Bereich Reinsurance Solutions

Mehr zum Thema lesen Sie in der nächsten Ausgabe der Versicherungswirtschaft, erhältlich ab 1. September.

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