Talanx-Finanzvorstand Wicke plädiert für Verdopplung der Cyber-Prämien

Jan Wicke, Finanzvorstand der Talanx. Quelle: Talanx
Nach einem „starken ersten Halbjahr“ korrigiert der Talanx-Konzern das Gewinnziel für 2021 „trotz Flutschäden“ nach Aussage des Finanzvorstandes Jan Wicke nach oben. Zum Beitragsplus von 9,4 Prozent auf 24,1 Mrd. Euro (HJ 2020: 22 Mrd. Euro) trugen auch Preiserhöhungen bei. Dies traf vor allem große Industriekunden, bei denen das Ausmaß weiterer Preisanpassungen geringer ausfallen werde. Höhere Prämiensätze erwartet Wicke im Bereich „Feuer“ für kleine Firmen. In Cyber, das volumenmäßig immer noch ein kleines Geschäft ist, sei das Prämienniveau unzureichend. Hier müssten die Prämien teilweise verdoppelt werden.
Dass der Schadenaufwand in Cyber so hoch ausfällt, liege an der deutlichen Zunahme von Schadsoftware während der Pandemie, aber auch fehlender IT-Sicherheit in den Unternehmen. Fehler gebe es bereits an der Basis wie etwa eine fehlende Zwei-Faktor-Authentifizierung, zentralisierte Netzwerke oder eine problematische Vergabe von Admin-Rechten. Branchenweit seien die Versicherer bisher großzügig verfahren, wenn einer dieser drei entscheidenden Faktoren nicht vollständig erfüllt gewesen sei. Nun seien Preiserhöhungen oder auch Ausschlüsse nötig.
Die Schäden aus den Flutereignissen Mitte Juli bezifferte Wicke für die Gruppe auf bisher brutto mehr als 600 Mio. Euro. Brutto 200 bis 300 Mio. Euro entfielen dabei auf Industrieunternehmen. „Wir haben selbst einen guten Rückversicherungsschutz, sodass bei uns aber netto nur 150 Millionen Euro hängen bleiben werden. (…) Die durchschnittlichen Schadensummen übersteigen alles, was wir bei einem derartigen Großschadenereignis in Deutschland bisher gesehen haben. Infolge von Kontamination sind die Häuser teilweise ‚extremst‘ beschädigt“, so Wicke. Er ließ offen, ob betroffene Kunden weiterversichert und wie sich der Schaden auf die Preise auswirken wird. Dass die Flut auch viele Standorte betroffen habe, die bislang als nicht exponiert galten, müsse die Versicherungswirtschaft aufarbeiten. Im Fachgremium Zonierung (ZÜRS) werde bereits nachgedacht, inwieweit diese nach „Bernd“ überarbeitet werde. Für das Explosionsunglück im Chemiepark Leverkusen rechnet Wicke mit einer Beteiligung am Schaden in einem „mittleren zweistelligen Millionenbetrag“.
Zum Beitragsplus sagte Wicke, dass alle Segmente beigetragen hätte – und dass der Zuwachs im Gewerbegeschäft auch eine Folge vom „fairen Umgang“ mit den Corona-Schäden (sprich: Betriebsschließungsversicherung) sei. Der versicherungstechnische Verlust verkleinerte sich in den ersten sechs Monaten um 13,0 Prozent auf 982 Mio. Euro. Die kombinierte Schaden-/Kostenquote verbesserte sich vor allem aufgrund der nachlassenden Auswirkungen der Corona-Pandemie auf 95,9 Prozent (HJ 2020: 101,3 Prozent). „Wir bemerken eine Schadeninflation in den wesentlichen Märkten, daher werden wir unsere ‚Traum-Combined-Ratio‘ so sicherlich nicht fortschreiben können“, sagte Wicke.
Das operative Ergebnis stieg zur Jahresmitte auf 1,3 Mrd. Euro (HJ 2020: 0,7 Mrd. Euro). Für die Ergebnisverbesserung nennt Wicke den Swing im technischen Ergebnis einen großen Treiber. Hinzu kamen Sondereffekte im Kapitalanlageergebnis wie hohe Erträge aus Private Equity und die frühzeitige Realisierung zur Finanzierung der Zinszusatzreserve. Hinzu kamen geringere Coronabedingte Schäden von 278 Mio. Euro (HJ 2020: 824 Mio. Euro). Davon resultieren 263 Mio. Euro aus der Personen-Rückversicherung aufgrund erhöhter Sterblichkeit (erstes Quartal USA, zweites Quartal Südafrika und Lateinamerika). „Unsere eigenen Pandemiewissenschaftler bestätigen die negative Korrelation von Todesrate und Impfrate“, so Wicke. Das werde von der Belegschaft registriert, weshalb die Impfquote besonders hoch sei. „Am 26. August sind wir mit der Impfung durch“, so der Finanzchef. Damit werde das Büro wieder ein „save place to work“. Man wolle aber auch die Flexibilität durch das „new work“ stärker nutzen.
Das Konzernergebnis erhöhte sich im Halbjahr auf 546 Mio. Euro (HJ 2020: 325 Mio. Euro). Aufgrund des „starken ersten Halbjahres“ hebt die Gruppe ihren Ausblick für das Konzernergebnis für das Gesamtjahr 2021 auf einen Betrag zwischen 900 und 950 Mio. Euro an. Das ursprüngliche Ziel waren 800 Mio. Euro. Wicke geht davon aus, dass der Gewinn 2022 über einer Milliarde liegt.
Autorin: Monika Lier