Private Krankenversicherer wettern gegen den „alten Hut“ Bürgerversicherung

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. Quelle: BMG

Eine Neuordnung der Krisenvorsorge für Notfälle wie die Coronapandemie forderte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn gestern auf der Jahrestagung des Verbandes der Privaten Krankenversicherung. Künftig müsse verhindert werden, dass mehr oder weniger nur Lücken gestopft werden. Dies sei ineffizient und teuer.

Damit ging Spahn auf die Vorwürfe des Bundesrechnungshofes ein, der ihm Chaos bei der Beschaffung von Schutzmasken unterstellt. Er forderte in dem Zusammenhang, dass die im Herbst vergangenen Jahres gebildete Nationale Reserve Gesundheitsschutz besser mit anderen verantwortlichen Stellen vernetzt werde. Auch im Bundesgesundheitsministerium habe man Konsequenzen gezogen und mehr operative Einheiten für derartige Fälle gebildet. Doch insgesamt verbucht Spahn die Coronakrise als Erfolg für seine Politik und das Gesundheitssystem.

So verteidigte er die Einführung der elektronischen Gesundheitsakte Anfang 2021 trotz verschiedener Kinderkrankheiten und nach 16 Jahren Entwicklungszeit. Auch die Möglichkeit, nach nur drei Monaten Entwicklungszeit ein digitales Impfzertifikat zu bekommen, bezeichnete Spahn als herausragend. „Dass 27 europäische Staaten den gleichen Impfnachweis nutzen, setzt einen Standard für die Welt“, zeigte er sich überzeugt. Bis gestern wurden laut Spahn bereits 15 Millionen Impfzertifikate ausgestellt. In Bezug auf die Finanzierung des dualen Gesundheitssystems forderte er ein Umdenken, was die Umverteilung von Vermögen betrifft. Er hält einer stärkeren Steuerfinanzierung und die erhöhte Einbeziehung von großen Kapitalerträgen für notwendig.

Eigenverantwortung stärken

Dagegen plädierte der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner dafür, Steuerzuschüsse nur als Ergänzung zur Finanzierung versicherungsfremder Leistungen zu nutzen. Er forderte, die 40-prozentige Sozialgarantie 2021 ernst zu nehmen. Es müsse geprüft werden, welche Leistungserweiterungen realistisch sind, und schlug ein Moratorium vor, um zu garantieren, dass die jetzigen Gesundheitsleistungen generationengerecht finanziert werden können. Das Aushöhlen der Dualität durch immer höhere Steuerfinanzierung des gesetzlichen Systems schade dem Gesamtsystem.

Die Private Krankenversicherung bezeichnete er als Vorbild für andere Säulen, was die nachhaltige Finanzierung von Leistungen betrifft. Insgesamt müsse die private Vorsorge im Gesundheitsbereich gestärkt werden. Im Bereich der Altersvorsorge bezeichnete Linder die gesetzliche und die betriebliche Rente als Basis, auf die die FDP als Einstieg in die private Vorsorge die von ihr vorgeschlagene „gesetzliche Aktienrente“ aufsetzen will.

Als eine wichtige Lehre aus Corona schlägt er einen Digitalpakt Gesundheit vor, bei dem alle Akteure an einem Tisch sitzen müssten. Das duale System, mahnte er, dürfe keinesfalls zugunsten eines Zuteilungssystems ersetzt werden. Im Gegenteil hält er die Wahlfreiheit für ein hohes Gut. Im Zuge der Niedrigzinsphase sollte den privaten Unternehmen gestattet werden andere Assetklassen, als sie jetzt möglich sind, für ihre Kapitalanlage nutzen zu können. Insgesamt plädierte er für eine Stärkung der wirtschaftlichen Grundlagen Deutschlands, um Bereiche wie Soziales oder Umwelt dauerhaft finanzieren zu können.

Die deutsche Wirtschaft sei nicht so gut aus der Pandemie hervorgegangen, wie häufig angenommen wird. Die Standort- und Investitionsbedingungen müssten gepflegt und es müsse dafür gesorgt werden, dass Gründen wieder Spaß macht.

Falscher Weg

Auf die Leistungen der Privaten Krankenversicherung im Rahmen der Coronakrise ging PKV-Vorstandschef Ralf Kantak ein. 1,7 Mrd. Euro hat die Branche ausgegeben und damit weit mehr als es ihrem Versichertenanteil entspricht, erklärte er. Dass das deutsche Gesundheitssystem so gut durch die Krise gekommen ist, sei seinen robusten Reserven zu verdanken, an denen die Privaten einen überproportionalen Anteil hätten. Und dass sich im Mai in einer Allensbach-Umfrage fast 90 Prozent der Befragten zufrieden oder sehr zufrieden mit der Gesundheitsversorgung während Corona zeigten, wertete er als Ausdruck dafür, dass sich das duale System aus PKV und GKV bewährt hat. Die Bürgerversicherung bezeichnete er als „alten Hut“, „denkfaulen Ansatz“ und „alte Keule“, die die Situation schlagartig verschlechtern würde.

Auch der Bundesvorsitzende des dbb Beamtenbund und Tarifunion, Ulrich Silberbach, hält die Bürgerversicherung für den falschen Weg. Es gebe damit keine Gerechtigkeit in der Versorgung, zudem würde der Fortschritt gebremst. Wer an die private Absicherung der Beamten heranwolle, würde eine rote Linie überschreiten. Das Ansinnen von Bündnis 90/Die Grünen, die laut Wahlprogramm die PKV nicht abschaffen, sie aber zwingen will in den Gesundheitsfonds der GKV einzuzahlen, hält er für einen „Angriff auf die Beamten“, da sie dann doppelt zahlen müssten. An die Politik gerichtet forderte er, endlich die Novellierung der ärztlichen Gebührenordnung auf den Weg zu bringen sowie eine gleichmäßige und kontinuierliche Beitragserhöhung der Privaten Krankenversicherer zu ermöglichen.

Autorin: Elke Pohl

3 Kommentare

  • Wenn man im letzten Abschnitt die Aussagen von Frau Silberlach liest, muss man ja quasi die Grünen wählen um die Schmarotzermentalität der Beamten in die Schranken zu weisen.

  • Rolf-Peter Falk

    zum Kommentar vom 18.Juni 2021 8:36

    Ich bin kein Beamter, aber soviel weiß ich, Beamte sind sicher keine Schmarotzer. Wer so einen Kommentar schreibt hat von der Beamtenversorgung und deren Finanzierung keine, aber gar keine Ahnung. Das passt sehr gut zur dummen Forderung nach einer Bürgerversicherung. Schade, dass man es nicht ausprobieren kann. Man würde den kommunistischen Ansatz sehr schnell erkennen. Dann sollten die zu Kasse gebeten werden, die diesen Unsinn gefordert haben.

  • Mir erschließt sich immer noch nicht
    warum Beamte privat versichert sein
    müssen. Außer Vorteilen für die Versicherungswirtschaft sehe ich keine
    weiteren. Um die hohen Beiträge der PKV im Alter zu deckeln schlage ich vor
    allen Privatversicherten eine staatliche
    Beihilfe wie bei den Beamten zu gewähren.

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