Private Krankenversicherer kommen in der Debatte um Beitragserhöhungen nicht zur Ruhe

Quelle: Arivle One/Pixabay

Die anhaltende Niedrigzinsphase wird nach einer Prognose der Ratingagentur Assekurata auch in den kommenden Jahren zu Absenkungen des Rechnungszinses und damit zu Beitragsanpassungen (BAP) führen. „Nachhaltige Ruhe an der Beitragsfront ist vorerst nicht in Sicht“, mahnt Assekurata-Geschäftsführer Reiner Will bei der Vorstellung des „Marktausblicks zur privaten Krankenversicherung 2021“. Gleichwohl wird nicht mehr mit überproportionalen BAP wie zuletzt gerechnet, sondern mit solchen unter dem langfristigen Durchschnitt von vier bis 4,5 Prozent.

„Bereits zu Beginn des Jahres hatten die Gesellschaften die Beiträge in der Vollversicherung marktweit so stark angepasst wie seit 2010 nicht mehr“, sagte Gerhard Reichl, Fachkoordinator Krankenversicherung der Assekurata und Autor der Untersuchung. „Im Durchschnitt der von uns gerateten Krankenversicherer erhöhten sich die Bestandsbeiträge im Beihilfesegment um 5,7 Prozent und im Nicht-Beihilfebereich um 7,7 Prozent.“

Dabei könnte es sich um eine positive Auswahl der betrachteten Gesellschaft oder um eine andere Berechnungsweise handeln, denn die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) kommt in ihrem Jahresbericht 2020 zu einer Beitragsanpassung im Branchendurchschnitt von etwa 10,1 Prozent für die Vollkostenversicherung.

Auslöser Debeka

Durch die Beitragserhöhung des Marktführers Debeka seien 2021 sehr viele Vollversicherte von starken Erhöhungen betroffen, zum Teil auch in 2022, so Reichl. Er weist darauf hin, dass ab 1. Juli auch die Beiträge im Standardtarif und für Beamte in der Pflegepflichtversicherung erneut angehoben werden.

Nach dem vom BGH beanstandeten BAP-Anpassungsschreiben stellt die Ratingagentur fest, dass sich kein einheitlicher Standard gebildet habe. Das Urteil lasse Spielräume zu. Der Rechnungszins bzw. dessen Absenkung „findet man ganz selten. Das ist eine sensible Größe. Da wollen sich die Unternehmen nicht in die Karten gucken lassen“, so Will.

Der durchschnittliche unternehmensindividuelle Rechnungszins (duRZ) beträgt laut Assekurata 2,66 Prozent. Im Markt reicht die Spanne von 1,25 bis 2,94 Prozent. Da dieser Wert über die Rechnungszinsen aller Tarife eines Unternehmens gerechnet wird, können einzelne, lange nicht angepasste Tarife einen höheren Rechnungszins haben.

Private Krankenversicherer stabil

Die Bafin-Einschätzung, dass für die privaten Krankenversicherer „auch eine andauernde Niedrigzinsphase […] aus ökonomischer Sicht tragbar“ wäre, teilt man bei der Assekurata. Denn bei einem durchschnittlichen Rechnungszins von 2,66 Prozent, brauche es nur eine Zinsanforderung von 7,5 Mrd. Euro.  Ohne Absenkung, also bei einem Rechnungszins von 3,50 Prozent, hätte sie bei 9,8 Mrd. Euro gelegen. Ein Indiz dafür sei auch die durchschnittliche Solvenzquote von 397 Prozent (ohne Übergangsmaßnahmen und Volatilitätsanpassung).

Aufgrund der durchgeführten Beitragsanpassungen dürften die Gesellschaften 2021 voraussichtlich 45,3 Mrd. Euro Bruttobeiträge buchen. „Wir gehen hier von einem erneuten Rekordbeitragszuwachs von erstmals über zwei Milliarden Euro aus“, so Reichl. Die Kehrseite der Medaille sei, dass die BAP Voll- und auch in der Pflegeversicherung bei Kunden und Vermittlern für Verunsicherung sorgten und unternehmensseitig das Neugeschäft beziehungsweise das Bestandswachstum negativ tangierten.

2020 sank die Zahl der Vollversicherten erneut um 0,1 Prozent. Dass im Vergleich zu 2011 mittlerweile deutlich weniger gutverdienende Angestellte und auch Selbstständige von der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in die PKV wechseln, hat laut Will mehrere Ursachen. Neben den steigenden Versicherungspflichtgrenzen sind es seit 2012 auch die niedrigen Zinsen, die für Zweifel an der Bezahlbarkeit der PKV im Alter sorgten. Ein Nettowachstum gebe es weiterhin nur im Beihilfesegment. Dies liege unter anderem an der wachsenden Zahl der Beschäftigten im öffentlichen Dienst.

In Folge der BAP rechnet die Assekurata auch ertragsseitig damit, dass 2021 ein positives Jahr für die Branche werde. „Wir rechnen mit einem weiteren Anstieg des versicherungsgeschäftlichen Ergebnisses und damit auch des Rohüberschusses, sofern die Kapitalanlageseite nicht erneut einbricht wie im Vorjahr.“

Für 2020 hat die Assekurata eine versicherungstechnische Ergebnisquote von 13,1 Prozent (2019: 11,7 Prozent) errechnet. Positiv war, dass die Leistungsausgaben in der Vollversicherung pandemiebedingt deutlich moderater angestiegen sind als in den beiden Vorjahren. Wegen des Rückgangs der Nettoverzinsung auf 2,9 Prozent (2019: 3,2 Prozent) und damit geringeren Kapitalerträgen nahm die Rohergebnisquote auf elf Prozent (2019: 11,8 Prozent) ab.

In ihrer Studie geben die Rater auch zu einzelnen Aspekten wie beispielsweise dem Tarifwechsel Auskunft. „Dies ist kein Massenphänomen“, so Will. 76 Prozent (2016: 77 Prozent) der Befragten hätten noch nie ihren Tarif oder den Selbstbehalt gewechselt. Knapp zwei Drittel der Tarifwechsel führten den Vermittler und nur sechs Prozent externe Honorarberater durch. Kunden, die einen Tarifwechsel über Honorarberater vornehmen, empfinden wenig Wertschätzung vom Versicherer und sind weniger zufrieden, so Reichl. Bei diesen hat die Ratingagentur zudem eine höhere Bereitschaft für eine Rückkehr in die GKV ausgemacht.

Versicherer müssten sich mehr kümmern und ihren Kunden das Gefühl von Wertschätzung entgegenbringen. In Sachen „Kümmern“ sieht Assekurata auch noch viel Potenzial im Gesundheitsmanagement. Diese werde mit ernsthaften Angeboten erst von einem Drittel angeboten – und von den Kunden vielfach aus Unkenntnis wenig genutzt.

Autorin: Monika Lier

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

siebzehn − 3 =