Verbandsdirektor Florian Reuther: „Die meisten Wechsel in die GKV erfolgen unfreiwillig“

Florian Reuther, PKV-Verbandsdirektor. Quelle: PKV-Verband

Wie haben sich die privaten Krankenversicherer bislang in der Pandemie geschlagen? Und was bedeutet das jüngste BGH-Urteil zur Prämienanpassung für die Branche? Im Exklusiv-Interview mit der Versicherungswirtschaft spricht PKV-Verbandsdirektor Florian Reuther über die Kosten der Pandemie, Beitragserhöhungen und die Reform der Pflegeversicherung.

VWheute: Das Coronavirus hat Deutschland fest in Griff. Wird das unser Gesundheitssystem überleben?

Florian Reuther: Die Corona-Krise ist für die Private Krankenversicherung natürlich eine große Herausforderung und wird uns auch 2021 noch sehr fordern. Die PKV ist entschlossen, ihre gute Rolle bei der Bewältigung der Pandemie weiter wahrzunehmen. Wir wollen 2021 erneut gewährleisten, was sich 2020 erwiesen hat: Das Coronavirus ist in Deutschland auf eines der besten Gesundheitssysteme der Welt getroffen, auf das sich die Menschen auch bei einer Covid-19-Erkrankung verlassen können. Das zu ermöglichen, ist unser Job als Krankenversicherer.

VWheute: Welche Kosten trägt die PKV im Rahmen der Corona-Pandemie?

Florian Reuther: Die PKV garantiert nicht nur ihren Versicherten Schutz, sie steht auch zu ihrer gesellschaftspolitischen Mitverantwortung. Wir beteiligen uns an den Kosten der Corona-Impfungen ebenso wie an den Sondervergütungen für die Krankenhäuser, die Ärzte und Zahnärzte, die Heilmittelerbringer oder Hospizdienste. Um die medizinische Versorgung in der Krise zu sichern, hat die PKV 2020 mehr als eine Milliarde Euro zusätzlich mobilisiert. Damit leistet die PKV weit mehr für die Bewältigung der Pandemie, als es ihrem Versichertenanteilentspricht. Noch viel wertvoller als dieser finanzielle Beitrag ist wohl die qualitative Wirkung der PKV als zweite Säule im dualen deutschen System. Es wird weltweit
anerkannt, dass unser Gesundheitssystem besonders gut auf die Corona-Krise reagiert hat. Die Johns Hopkins University ernannte Deutschland quasi zum Vorbild: „Vom deutschen Gesundheitssystem kann man lernen, wie eine umfassende Versorgungsstruktur in einer Pandemie Leben retten kann.“

VWheute: Konnte die PKV auch während der Pandemie neue Mitglieder hinzugewinnen?

Florian Reuther: Hier gibt es einen positiven Trend zu berichten: Auch für 2020 zeigen unsere Hochrechnungen, dass wieder deutlich mehr Menschen von der Gesetzlichen in die Private Krankenversicherung wechseln als umgekehrt. Damit bestätigen sich die positiven Daten aus den Vorjahren. 2019 sind insgesamt 146.900 Personen aus der GKV in die PKV gewechselt. Das sind 17.400 mehr, als Abgänge zur GKV zu verzeichnen waren. Überdies erfolgen die meisten Wechsel in die GKV unfreiwillig, insbesondere bei jungen Leuten, die von Geburt an privat versichert waren und dann mit Beginn ihrer Erwerbstätigkeit der Versicherungspflicht in der GKV unterliegen. Auch 2018 hatte es schon ein kleines Plus zugunsten der PKV gegeben. Davor verzeichneten wir von 2012 bis 2017 jeweils einen negativen Saldo. Hier hat also eine erfreuliche Trendwende stattgefunden.

VWheute: Wie sehen die Zahlen bei der Zusatzversicherung aus?

Florian Reuther: Die Zusatzversicherungen legten 2019 um 2,5 Prozent zu – auf insgesamt fast 26,7 Millionen Verträge. Und die Hochrechnungen zeigen, dass 2020 die 27-Millionen-Marke weit überschritten wurde. Der Wunsch vieler Menschen, die eigene Gesundheit zusätzlich abzusichern, scheint ungebrochen hoch. Das erkennen auch immer mehr Arbeitgeber. Die Zahl der Unternehmen in Deutschland, die ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine betriebliche Krankenversicherung (bKV) anbieten, ist 2019 von 7.700 auf 10.500 gestiegen – ein Wachstum von mehr als 35 Prozent. Damit profitieren schon fast 900.000 Beschäftigte von den zusätzlichen Leistungen der bKV. Das ist schön. Aber bei über 33,6 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in diesem Land ist da noch eine Menge Luft nach oben.

VWheute: Die PKV-Beitragserhöhungen beschäftigen seit Jahren auch die Justiz. Wie bewerten Sie das jüngste Bundesgerichtshof-Urteil

Florian Reuther: Die gesetzliche Vorgabe (§ 203 Abs. 5 VVG) zur Mitteilung der für eine Beitragsanpassung maßgeblichen Gründe war zuvor in diversen Gerichtsurteilen sehr unterschiedlich ausgelegt worden. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs bringt nun eine rechtliche Klärung und präzisiert die im Gesetz nicht eindeutig geregelten Anforderungen. In den noch anhängigen Verfahren bei nachgeordneten Gerichten geht es um sehr unterschiedliche Begründungsschreiben, die jeweils individuell zu bewerten sind. Die BGH-Entscheidung trifft keine allgemeingültigen Aussagen für alle Versicherten. Sie bezieht sich auf rein formale Fragen,
nicht auf die sachliche Richtigkeit der Beitragsanpassung. Das Urteil stellt nicht infrage, dass die geforderten Beitragserhöhungen korrekt kalkuliert sind. Sie sind erforderlich, um die dauerhafte Erfüllbarkeit der vertraglich garantierten Versicherungsleistungen zu sichern.

Die Fragen stellte VWheute-Redakteur David Gorr.

Das vollständige Interview lesen Sie in der aktuellen Februar-Ausgabe der Versicherungswirtschaft.

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