Treuhänderklausel: Allianz glaubt nicht, dass Kunden einer Anpassung des Rentenfaktors erfolgreich widersprechen können

Quelle: Allianz

Die Allianz kürzt unter Nutzung der Treuhänderklausel die Rentenfaktoren in bestehenden Verträgen. Betroffen sind rund 750.000 Versicherte, wie die Süddeutsche Zeitung berichtet. Schon in den Jahren 2005 und 2017 hatte die Allianz von der Treuhänderklausel Gebrauch gemacht. Bei vielen betroffenen Verträgen muss der Arbeitgeber für die Leistungen einstehen, wälzt Deutschlands größter Versicherer also Leistungen auf die Unternehmen ab? VWheute analysiert anhand eines Musteranschreiben und weiterer Informationen.

Die Absenkung wird mit der Negativzinsphase begründet: „Wir analysieren das Geschehen auf den Kapitalmärkten sehr genau. In den letzten Jahren sind die Zinsen auf den Kapitalmärkten immer weiter gesunken. Inzwischen gibt es für sicherer Anlagen mit hoher Bonität kaum noch Zinsen oder sogar Negativzinsen. Ihr aktueller Rentenfaktor basiert auf einem Rechnungszins von 1,75 Prozent. Diesen Rechnungszins passen wir auf 1,25 Prozent an.“

Dann wird beziffert, wie hoch der neue Rentenfaktor, nach dieser Kürzung um fast 30 Prozent noch ist, in einem Beispiel geht das Musterschreiben von einer Kürzung von 29,63 Euro auf 26,80 Euro aus. Der Rentenfaktor ist entscheidend für die Umrechnung des Vertragsguthabens in eine Rente, d.h. die Kürzung schlägt voll durch auf die Rentenhöhe zu Rentenbeginn. Bei einem Vertragsguthaben von 50.000 Euro und einer Kürzung des Rentenfaktors von 29,63 auf 26,80 Euro werden dann statt 148,15 Euro nur 134,00 Euro monatliche Rente gezahlt. Die Allianz geht davon aus, dass die garantierte Rente um ca. neun Prozent sinkt.

Auch bei Verträgen der betrieblichen Altersversorgung greifen die Kürzungen

Welche Verträge der Allianz sind von dem Treuhändervorbehalt betroffen? Im Bestand der kapitalmarktnahen Tarife ist von 7/2001 bis einschließlich 6/2013 ein Rentenfaktor unter Treuhändervorbehalt zum Einsatz gekommen. Ab 7/2013 ist das Verfahren auf die Rentenberechnung zum Rentenbeginn umgestellt worden. Von der Anpassung 2021 sind alle Tarife mit einem unter Treuhändervorbehalt stehenden Rentenfaktor von 7/2001 bis 6/2013 betroffen (Vorsorgekonzepte Invest, Invest mit Garantie, Invest alpha-Balance, IndexSelect, Index- und Portfolio-Policen). Es gibt wohl auch Verträge, die von der Kürzung 2017 und jetzt 2021 betroffen sind.

Auch bei Verträgen der betrieblichen Altersversorgung greifen die Kürzungen. Betroffen sind die entsprechenden Tarife der Allianz Pensionskasse, die Beitragszusage mit Mindestleistung des Allianz Pensionsfonds sowie die entsprechenden Tarife innerhalb der Metall-Rente (Riester, Direktversicherung, Pensionskasse, Pensionsfonds) und des Versorgungswerks der Presse.

Das ist besonders sensibel, da hier meist regelmäßig der Arbeitgeber für die zu Vertragsbeginn genannten garantierten Leistungen einstehen muss. Die Allianz verweist in ihrem Musteranschreiben an Arbeitgeber darauf, dass die Versorgungszusage auf die Bedingungen, die die Treuhänderklausel enthalten verweist: „Bei der Finanzierung der betrieblichen Altersversorgung Ihrer Arbeitnehmer legen Sie besonderen Wert auf die Übereinstimmung zwischen Ihrer arbeitsrechtlichen Versorgungsverpflichtung und unserer Verpflichtung aus dem Versicherungsvertrag. Wichtig ist daher, dass die Regelungen zum Rentenfaktor Inhalt der arbeitsrechtlichen Versorgungszusage geworden sind. In arbeitsrechtlichen Versorgungszusagen ist laut FAQ der Allianz ein entsprechender dynamischer Verweis auf die Versicherungsunterlagen regelmäßig enthalten – dies gilt selbstverständlich auch für unsere Mustertexte.“

„Vertragliche Vereinbarung“

Im Falle von gekürzten Pensionskassenleistungen gibt es dazu schon höchstrichterliche Rechtsprechung: Diese Verweise schützten in den dort entschiedenen Fällen die Arbeitgeber nicht vor der Einstandspflicht. Hier ist mit Klagen der betroffenen Beschäftigten gegen ihre (ehemaligen) Arbeitgeber, insbesondere bei Eintritt des Versorgungsfalles zu rechnen.

In ihrem Kundenschreiben beruft sich die Allianz als Rechtsgrundlage für die Absenkung des Rentenfaktors auf eine „vertragliche Vereinbarung“, die es ihr erlaubt die Rentenfaktoren von einem unabhängigen, aktuariellen Treuhänder prüfen zu lassen. Die Bestellung des Treuhänders wird von der Bafin genehmigt. Die Versicherungsbedingungen des Marktführers sehen explizit zwei Auslöser für die Treuhänderklausel vor:

  • Bei einer unerwartet starken Erhöhung der Lebenserwartung kann die Sterbetafel angepasst werden.
  • Bei einer nachhaltigen Senkung der Kapitalmarktrendite kann der Rechnungszins angepasst werden.

Dieser hatte bestätigt, dass die Anpassung erforderlich und angemessen ist. Anders als bei der Anpassung von privaten Krankenversicherungen mittels Treuhänderklausel sind noch keine Fälle bekannt, bei denen richterlich überprüft wurde, ob die Anpassung wirklich erforderlich und angemessen ist. Die Allianz geht davon aus, dass die Kunden einer Anpassung des Rentenfaktors nicht erfolgreich widersprechen können.

Die FAQ zur Anpassung des Rentenfaktors sprechen auch unumwunden aus, wem das nützt. Denn aufgrund der anhaltenden Niedrigzinsphase sei der Referenzzins für die Zinszusatzreserve (ZZR) zum 31. Dezember 2020 erstmals unter 1,75 Prozent und damit unter den zugrundeliegenden Rechnungszins (RZ) des Tarifs gesunken. „Das bedeutet, dass aus aufsichtsrechtlichen Gründen verstärkt freie Mittel im Sicherungsvermögen {des Versicherers} gebunden werden müssten, um zusätzliche Sicherheiten zu bilden. Mit der Anpassung des Rentenfaktors unter Treuhändervorbehalt wird dies für die entsprechenden Verträge vermieden.“

Autor: VW-Redaktion

5 Kommentare

  • Eine Senkung des garantierten Rentenfaktors in laufenden Verträgen mittels Treuhänderverfahren muss als erforderlich und angemessen nachgewiesen werden.

    Da würde ein Treuhänder sich doch sehr wundern, wenn dann anschließend an seine Zustimmung der Versicherer feststellt, dass er durch die Senkung so viel Geld übrig hat, um damit die Überschüsse zu erhöhen. Aber eine Senkung des Rentenfaktors, um zu vermeiden, dass die Überschüsse gesenkt werden müssen, könnte daher als erforderlich und angemessen anzusehen sein.

    Und ggf. würde sich das auch mancher betroffene Kunde fragen, und mancher Rechtsanwalt anschließend vor Gericht in Frage stellen, ob die Senkung wirklich erforderlich war und der Treuhänder tatsächlich pflichtgemäß geprüft und danach erst zugestimmt hat.

    Manchem Richter würde jedenfalls dann der Umstand, dass gleich nach der Senkung des Rentenfaktors die Überschussrenten erhöht wurden, genügen, um einer Klage dagegen nachzugehen und den Versicherer in der Darlegungs- und Beweislast zu sehen, die Erforderlichkeit der Senkung des Rentenfaktor nachzuweisen.

    Etwa, indem der Versicherer genau wie in zahlreichen Verfahren gegen Beitragsanpassungen in der Privaten Krankenversicherung alle Berechnungsgrundlagen, Statistiken und Begründungen, die er dem Treuhänder für dessen Zustimmung vorgelegt hat, dem Gericht einreicht, das dann zu deren Überprüfung einen versicherungsmathematischen Sachverständigen beauftragt.

    Bei Gericht weis man nie vorher, was dann am Ende geurteilt wird. Vor dem Hintergrund ist es gut, vorsichtshalber sehr vage hinsichtlich der übrigen Auswirkungen zu bleiben, damit nicht Anwälte mehr aufgreifen.

    Wenn indes Anwälte damit Honorare verdienen können, und eine Erfolgsaussicht nicht von vornherein zu verneinen ist, dann könnte es wohl auch jemand als Erster versuchen.

    Wenn der Versicherer feststellt „Anders als bei der Anpassung von privaten Krankenversicherungen mittels Treuhänderklausel sind noch keine Fälle bekannt, bei denen richterlich überprüft wurde, ob die Anpassung wirklich erforderlich und angemessen ist.“ – dann hat es offenbar noch kein Anwalt versucht. Und damit kann dann wohl eine Erfolgsaussicht nicht vorab von der Hand gewiesen werden.

    Immerhin sind die Fälle, um die es potentiell geht, zahlreich genug, damit sich dies lohnt – und der Versicherer wird sich wohl auch bis zur letzten Instanz wehren, mit Entstehung entsprechender Anwaltshonorare, meist wohl zu Lasten der Rechtsschutzversicherung.

  • Wie gedacht eine HGB-Entlastung und natürlich auch eine Verbesserung der unter Druck geratenen Solvency II Netto-Quote der Allianz sind des Pudels Kern…

  • Gift für das Vertrauen der Bürger in Versicherungen.
    Ist aber den Verantwortlichen wie der Verkauf der LV-Bestände, völlig egal..
    Die Bürger vergessen schnell, die Kasse stimmt für die Aktionäre.
    Wen interessieren die Berater die natürlich von seriöser Geschäftspolitik ausgehen. Ein gefundenes Fressen für den BdV, Finanztest-dann rentiert sich ein Allianzvertrag anstatt mit 105 Jahren halt erst mit 130 Jahren und die Medien.
    Ach wie gut, dass das Image der Berater, die das völlig UNSCHULDIG akzeptieren müssen, schon an letzter Stelle im Vertrauensranking rangiert.

  • Das hört sich nicht gut an. Ich zitiere:

    „Auch bei Verträgen der betrieblichen Altersversorgung greifen die Kürzungen. Betroffen sind die entsprechenden Tarife der Allianz Pensionskasse, die Beitragszusage mit Mindestleistung des Allianz Pensionsfonds sowie die entsprechenden Tarife innerhalb der Metall-Rente (Riester, Direktversicherung, Pensionskasse, Pensionsfonds) und des Versorgungswerks der Presse.“

    Dann wird es natürlich sehr unschön – wenn ich daran denke, dass viele Menschen aus der Metall- und Elektroindustrie extrem auf die Metallrente bauen. Das Thema Rentenverlust, „doppelte“ Sozialabgaben und die Besteuerung in der Rentenphase sind sowieso schon fraglich wie man hier nachlesen kann:

    https://depotstudent.de/meine-erfahrungen-metallrente/

    Wenn jetzt natürlich noch die Rentenfaktoren angepasst werden, werden sich wieder einige wundern. Aber selbstverständlich erst, sobald es in die Auszahlungsphase geht.

    Viele Grüße

  • Olaf Vockerodt

    Da reicht ein Satz:
    Allianz: Erhöhung der Beiträge zur PKV jedes Jahr um ca. 100€.

    Wer von 12 Milliarden Gewinn 5-6 Milliarden an Dividende an die Anteilseigner auszahlen kann,
    9,6 € pro Aktie,
    seinen Vorständen bis zu 12 Millionen zahlt,

    braucht wohl einen Treuhänder, der die diese Zahlen irgendwie verdrehen muss.

    Bei den Gutachtern bekommen diese auch nur Folgeaufträge, wenn das Gutachten zu Gunsten des Auftragsgebers ausfällt.
    Wir haben das vor Gericht erlebt.

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