Hartmut Petersmann: „Der englische Markt der unabhängigen Finanzberater ist mindestens fünf Jahre voraus“

Hartmut Petersmann, Leiter des Petersmann-Instituts und Kenner der Vermittlerszene. Quelle: privat.

Hartmut Petersmann ist Leiter des gleichnamigen Instituts und ein Kenner der internationalen Vermittlerbranche. Was der englische Vermittler seinem deutschen Pedant in Sachen Kundenzentrierung, Technik und Beratung voraus hat, erklärt er im tiefen Gespräch. Nur die absoluten Profis hierzulande könnten mit den Kollegen aus England mithalten, erklärt er. Ein weiteres umfangreiches Thema des Gespräches ist die Aufsicht der Bafin über Vermittler und warum die Bonner besser auf ein umfangreiches Meldewesen anstatt auf Formalismus setzen sollten.

VWheute: Hat der jetzige Wirecard-Skandal die Position der Bafin geschwächt, wird politisch nochmal umgedacht?

Hartmut Petersmann: Dieser Skandal hat bestimmt kein gutes Licht auf die Bafin geworfen und dient nun in erster Linie dazu, dass sich die Bafin mit sich selbst beschäftigt. Aber man darf sich da nichts vormachen. Erstens ist die Bafin eine riesige Behörde und die Betroffenheit einiger Abteilungen dürfte nicht das Business as usual lahmlegen. Zweitens ist die aktuelle Aufmerksamkeit eher ein politisch motivierter Fokus. Was dieser Skandal aber ganz gewiss zeigt, ist, dass der Formalismus der Bafin – und typisch deutsches Phänomen – nur bedingt zielführend ist. Formalismus schlägt also nicht unbedingt Intelligenz und schon gar nicht kriminelle Energie.  

VWheute: Ist es für den Markt nicht besser, weniger, aber dafür qualifiziertere Berater zu haben?  Ist es das Ziel der Politik, die Herde auszudünnen? 

Hartmut Petersmann: Meines Erachtens ist gerade dies die Hidden Agenda unserer Politiker. Bei Lichte betrachtet gibt es allerdings in ganz Europa nirgends so wenig Regulatives wie bei uns in Deutschland. Der Beratermarkt in Deutschland ist in der Regel schlecht ausgebildet, weil er immer von sog. „Alte-Hasen-Regelungen“ profitiert hat. Ich erkenne wohl den volkswirtschaftlichen Nutzen der Verkäufer, weil die Haushalte ansonsten chronisch unterversorgt wären. Je komplexer die Fragestellungen allerdings werden, desto besser ist es natürlich, von einem erfahrenen Experten beraten zu werden. Wenn dieser auch noch in der Lage ist, eine qualifizierte Due-Dilligence, also die Prüfung der verwendeten Produkte durchzuführen, wäre das ein schöner Zustand für Jedermann.

VWheute: Werden Haftungsdächer (HD) die Gewinner der Entwicklung sein oder wiegt der Verlust vieler Vermittler zu negativ?

Hartmut Petersmann: Wir hatten ja bereits in unserer Studie prognostiziert, dass diejenigen, welche ihre Lizenz zurückgeben, nicht notwendigerweise auch vom Markt verschwinden. Die Betroffenen werden alles tun, um ihre Provisionen mit so geringem Aufwand wie möglich aufrechterhalten zu können. Da stehen die Haftungsdächer-light sicherlich zur Verfügung. Einen Trend dieses umkämpften Marktes sieht man ja bereits an den ausgerufenen Kopfgeldprämien mancher Pools. Unter dem Strich wird das Geschäft bzw. werden die Bestände nur umverteilt. Die Bafin kann dann in aller Ruhe weniger, aber dafür qualifiziertere Stellen prüfen. Ist doch ein guter Plan. Im Übrigen traue ich den Haftungsdächern im Zweifel eine bessere Due-Dilligence zu als dem Einzelnen.

VWheute: Sie haben große Erfahrungen auf dem anglo-amerikanischen Markt, wie ist es dort geregelt, im Ergebnis besser oder schlechter. 

Hartmut Petersmann: Besser! Klare Antwort. Der englische Markt der unabhängigen Finanzberater (IFAs) ist mindestens fünf Jahre voraus. In allen Belangen. Nur die absoluten Profis in Deutschland können nahezu mit den Kollegen aus England mithalten. Und das sind in Deutschland nicht viele. Vom Trend her sind es in Deutschland eher die Honorarberater, die da mithalten können. Das liegt aber weniger an der philosophischen Betrachtung, sondern eher am Aufbau des Geschäftsmodells. Das Prinzip lautet hier: Leistung für den Kunden rauf, Preis runter bzw. preisbewusste Auswahl gleicher oder besserer Produkte. Der Fokus liegt auf dem Kundenservice und an der Beratungsintensität. Intelligentere Nutzung von Technik, sind die Margen erst mal nicht mehr so üppig bzw. die Provisionen nicht mehr so hoch, beschäftigt man sich zwangsläufig mit dem effizienten Einsatz von Technik. Das ist in Deutschland noch nicht der Fall. Hier werden noch Margen zu Lasten des Kunden oder für sich selbst auf der Straße liegen gelassen.

VWheute: Gibt es dort Marktteilnehmer wie Maklerpools?

Hartmut Petersmann: Die gab es mal. Heute nutzt dort kaum noch jemand einen Pool – zumindest kein wirklich unabhängiger Finanzberater. Der IFA kauft sich dort seine Dienstleistungen, die er für sein Geschäftsmodell benötigt, zu überschaubaren Preisen ein. Ein pauschales Miteinkaufen nicht benötigter Dienstleistungen kommt dort nicht in Frage. Und schon gar nicht wird dort toleriert, dass alle möglichen Stationen in der Wertschöpfungskette an „seinen“ Assets, so wird das Investment seiner Kunden dort bezeichnet, mitverdient. Es ist schließlich schwer vorstellbar, dass ein Kunde/Anleger eine Wertschöpfungskette bezahlt, die er für sein Investment nicht benötigt. Der IFA spart diese Margen für den Kunden ein und hat nun wesentlich mehr Spielraum für sich und seinen Kunden – bezogen auf die Einkaufsbedingungen. Sie erkennen also den wesentlichen Unterschied. Auf unserer Website provisions-check.de klären wir dazu auf.

VWheute: Ich gebe Ihnen einen Freischein für Deutschland, wie würden sie die Aufsicht hierzulande regeln.

Hartmut Petersmann: Ich beziehe mich bei meinen Aussagen hierzu ausschließlich auf das Kapitalanlagegeschäft: Zunächst einmal würde ich keinen Unterschied zwischen den heute bereits regulierten Vermögensverwaltern nach KWG und den 34-f-Vermittlern machen. Für beide Lager würde ich die Aufsicht und die einzuhaltenden Vorschriften einheitlich gestalten. Das würde bedeuten, dass ich viel Formalismus für die Vermögensverwalter aufheben würde und die Vorschriften für den 34-f-Vermittler – ähnlich wie es heute in der FinVermV geregelt ist – über das WpHG umsetzen lassen würde. Gleichzeitig gäbe es für die Vermittlung, die Beratung und die Verwaltung drei verschiedene Klassifizierungen. Dies hätte Auswirkungen auf den Grad der Pflichten und der damit einhergehenden Prüfung. Als Aufsicht (Bafin) wüsste ich dann genau, wer was wie macht und kann Zusammenhänge jederzeit erkennen, weil ich die gesamte Wertschöpfungskette im Blick hätte. Ebenfalls würde ich mir Einblick in die Buchführung jedes Einzelnen verschaffen und mir die wichtigsten GuV-Positionen melden lassen. Jeder Lizenzinhaber müsste mir seine Kooperationen und benutzen Dienstleistungen melden. Selbst bei einer Kundenbeschwerde könnte ich auf Knopfdruck exakt den Werdegang nebst Dokumentation herausfinden. Ebenfalls wüsste ich, wo jeder Euro der vermittelten, beratenen und verwalteten Geschäfte gelandet ist. Prüfungsschwerpunkte könnten adhoc auf die Praxis angepasst werden. Der Fokus läge auf einem umfangreichen Meldewesen über die Praxis statt auf Formalismus. Dann hätten wir im wahrsten Sinne eine Aufsicht und könnten praxisgerecht einschreiten falls nötig.

Die Fragen stellte Maximilian Volz

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