Cross-Selling-Offensive der Versicherer: “Verbrauchern wird das Geld aus der Tasche gezogen“

Harald Peschken, Präsident des Bundesverbandes der Versicherungsberater, Quelle (BVVB)

Harald Peschken hält von der aktuellen Cross-Selling-Offensive der Versicherer nicht viel. Besonders kritisch wird es für den Präsidenten des Bundesverbandes der Versicherungsberater (BVVB), wenn es um komplexe und nicht standardisierte Produkte geht. Das gehe am Interesse des Kunden vorbei. Im Interview mit dem Magazin Versicherungswirtschaft erklärt er warum.

Versicherungswirtschaft: Seit Ende 2018 bietet Mapfre auf einer spanischen Amazon-Seite Versicherungen an. Ikea hat geradeden Verkauf einer Kombi-Police Hausrat- und Privat- Haftpflicht in der Schweiz und Singapur gestartet. Was halten Sie davon?

Harald Peschken: Um es auf den Punkt zu bringen: Nichts! Versicherungsverträge – auch angeblich einfacher Produkte wie Hausratoder eine Private Haftpflicht – sind hochkomplex und nicht marktweit standardisiert. Verbraucher sind daher in aller Regel überfordert, einen Versicherungsvertrag und Bedingungen mit bis zu 100 Seiten Text zu lesen und zu verstehen sowie diesen Vertrag mit anderen Vertragsangeboten zu vergleichen. Insofern bedarf es immer der qualifizierten Beratung um das vorhandene individuelle Risiko des Interessenten mit einer passenden Versicherungslösung abzudecken, und auch den Verbraucher hinsichtlich der vertraglichen Ausschlüsse zu informieren.

Versicherungswirtschaft: In Deutschland wurden „große“ Kooperationen – etwa Tchibo mit Axa oder Penny mit Arag – erfolgreich vom Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) juristisch gestoppt. Ihr Urteil zu solchen Kooperationen?

Ziel derartiger Kooperationen ist es, den Umsatz der kooperierenden Unternehmen zu steigern und nicht dem Käufer einen guten auf sein Risikoprofil passenden Versicherungsschutz zu verkaufen. Es ist gut für die Verbraucher, dass dieser Unsinn gestoppt wurde.

Versicherungswirtschaft: Was halten Sie von den Online-Maklern, wie Check24, die einen Vergleich anbieten?

Bei den Vergleichsportalen steht der Versicherungsverkauf über den Preis im Vordergrund – nicht der Versicherungsbedarf der Verbraucher. Eine Kundenberatung findet hier nur rudimentär statt. Insofern halte ich sehrwenig von diesen Vergleichsrechnern.

Versicherungswirtschaft: Die DFV verkauft eine Unfallpolice On-Demand über die Bezahlfunktion von Amazon – für Skifahrervor der Abfahrt. Was halten Sie davon?

Auch von derartigen Policen halte ich sehr wenig. Da wird ein Versicherungsschutz an Menschen verkauft, die denVertrag kurz vor der Abfahrt ins Tal kaufen. Es ist völlig unklar, ob der Vertragsinhalt hinsichtlich Versicherungsumfang, versicherte Personen und Ausschlüsse passt.

Versicherungswirtschaft: Können Vergleichsportale – wie Check24 – sorgfältig über notwendigen Versicherungsschutz aufklären?

Theoretisch ja – aber faktisch nein. Im Grunde müsste für jedes angefragte Versicherungsprodukt eine Beratung erfolgen. Wenn hier zu jeder Privaten Haftpflichtversicherung eine Beratung von 15 Minuten erfolgen sollte, und man für den vermittelten Vertrag eine Provisionseinnahme von 25 Prozent aus dem Nettobeitrag erhält – bei angenommen 50 Euro Nettobeitrag – beträgt die Provisionseinnahme 12,50 Euro. Da diese Provisionszahlungen die Beratungskosten nicht decken, ist eine sorgfältige Aufklärung und Beratung nicht möglich.

Die Fragen stellte VWheute-Korrespondent Uwe Schmidt-Kasparek.

Mehr zum Thema lesen Sie in der aktuellen Juni-Ausgabe des Magazins Versicherungswirtschaft.

Ein Kommentar

  • Boris-Alexander Beissner

    Der Begriff „Cross Selling“ ist diesem Zusammenhang irreführend. Es handelt sich eher um Diversifikation. Also neue Vertriebswege.

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