Wirecard könnte zum Fall für die Managerhaftpflicht werden

Ex-Wirecard-CEO Markus Braun, Quelle: Hubert Burda Media / flickr / https://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/2.0/

Seit Wochen halten sich hartnäckige Vorwürfe über Bilanzfälschung gegen den Zahlungsdienstleister Wirecard. Ist dessen Chef Markus Braun nun ein D&O-Fall? Als Chef und größter Einzelaktionär von Wirecard kann er die Bilanz-Manipulationsvorwürfe nicht ausräumen. Muss er persönlich oder ein D&O-Versicherer dafür einstehen, wenn ihm ein Fehlverhalten nachgewiesen wird?

In den vergangenen Jahren sind gegenüber dem Zahlungsdienstleister Wirecard wiederholt Vorwürfe der Bilanzmanipulation erhoben worden. Konkret sollen durch fragwürdige Buchungsvorgänge bei Geschäften mit Drittfirmen die Umsätze aufgehübscht worden sein. Wirecard hat daraufhin eine neutrale Prüfung durch KPMG in Auftrag gegeben, deren Bericht seit kurzem vorliegt. Der Bericht vermag die Vorwürfe jedoch nicht auszuräumen, da insbesondere zu den Geschäften mit den Drittfirmen wesentliche Unterlagen nicht vorgelegt werden konnten.

Die Frage nach D&O-Versicherungsschutz lässt sich nach aktueller Lage des Sachverhaltes nur so beantworten, dass der D&O-Versicherungsfall nicht bereits eine (vorgeworfene) Pflichtverletzung, sondern die erstmalige Inanspruchnahme einer versicherten Person auf Ersatz eines Vermögensschadens ist. Eine solche persönliche Inanspruchnahme des Vorstandchefs Dr. Braun scheint es bislang nicht zu geben. Als Fragestellung bleibt somit, ob der Sachverhalt grundsätzlich Anlass zu einer solchen Inanspruchnahme geben könnte.

Bei Bilanzmanipulationen denkt man zunächst an den Staatsanwalt, da eine strafrechtliche Relevanz sehr schnell gegeben sein wird. Denn mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer die Verhältnisse der Gesellschaft im Jahresabschluss unrichtig wiedergibt, so dass sie nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmen (§ 331 HGB).

Neben der strafrechtlichen Haftung ist aber auch zu berücksichtigen, dass Organmitglieder, die Bilanzfälschung begehen, damit gegen ihre gesetzliche Sorgfaltspflicht verstoßen und damit der Gesellschaft gegenüber schadenersatzpflichtig werden. Aber auch gegenüber Stakeholdern (Mitarbeitern, Aktionären, Geschäftspartnern) können sie zivilrechtlich in Anspruch genommen werden, sofern durch diese Handlung ein Schaden kausal verursacht worden ist. Als simples Beispiel lässt sich anführen, dass ein Aktionär auf Grund der manipulierten Bilanz in das Unternehmen investiert und sein Geld verliert.

Es lässt sich somit festhalten, dass das Szenario rund um den Vorwurf der Bilanzmanipulation bei Wirecard grundsätzlich geeignet ist, einen D&O-Haftungsfall auszulösen. Interessante Anschlussfrage ist dann, ob es für einen solchen Sachverhalt auch Versicherungsschutz unter einer D&O-Deckung (sofern abgeschlossen) geben würde oder ob der D&O-Versicherer sich auf Leistungsfreiheit berufen könnte.

Solange nur der bloße Vorwurf einer Bilanzmanipulation im Raum steht, ist davon auszugehen, dass ein D&O-Versicherer hier grundsätzlich (vorläufigen) Abwehrkostenschutz zusagen würde. Konkret bedeutet dies, dass der dem Vorwurf ausgesetzte Unternehmensleiter im Rahmen der bedingungsseitig vereinbarten Möglichkeiten der Anwaltswahl einen spezialisierten Rechtsanwalt zur Abwehr der erhobenen Ansprüche mandatieren kann, dessen Kostentragung dann von dem betreffenden D&O-Versicherer übernommen wird.

Dieser Abwehrkostenschutz-Komponente kommt in der Praxis sehr große Bedeutung zu und führt die immer mal wieder anzutreffenden Aussagen, dass die D&O-Versicherer nicht zahlen, ad absurdum. Denn bei Stundensätzen der Anwälte von 250 Euro und mehr kommen bereits für die Schadenabwehr größere Beträge zusammen, die oftmals ein Vielfaches der Jahresprämie für den D&O-Versicherungsschutz des gesamten Unternehmens ausmachen.

Zu beachten ist aber, dass sich der Versicherungsschutz nicht auf Versicherungsfälle erstreckt, die auf einer wissentlichen Pflichtverletzung beruhen. Sollte dem Wirecard-Chef also eine bewusste Bilanzmanipulation nachgewiesen werden können, dürfte auch ein potenziell bestehender D&O-Versicherungsschutz deutlich gefährdet sein. Der KPMG-Bericht kritisiert laut Medienberichten aber auch unzureichende interne Kontrollsysteme um möglichen Manipulationen vorbeugen zu können. Bei einem eventuellen Organisationsverschulden wegen des Vorwurfs einer unzureichenden Compliance-Struktur würden die Karten allerdings noch mal neu gemischt werden können.

Danny Kaye hat mal gesagt: „Es gibt zwei Möglichkeiten Karriere zu machen: Entweder leistet man wirklich etwas, oder man behauptet, etwas zu leisten. Ich rate zur ersten Methode, denn hier ist die Konkurrenz bei weitem nicht so groß.“ Egal wie man zu dieser Aussage stehen mag, wichtig ist und bleibt, dass man als Unternehmensleiter seine Entscheidungen auf angemessener Informationsgrundlage und zum Unternehmenswohl sorgfältig und gewissenhaft trifft.

Dennoch kann es bei der Vielzahl der zu treffenden Entscheidungen auch mal danebengehen – dann hilft die D&O-Versicherung das private Vermögen und auch die Reputation einer in Anspruch genommenen versicherten Person zu schützen. Bei wissentlich begangenen Pflichtverstößen endet allerdings das Deckungsverständnis. Und dann könnte es für die Hauptakteure bei Wirecard noch richtig ungemütlich werden.

Autor: Franz M. Held, Rechtsanwalt

2 Kommentare

  • Muss man hier nicht zuerst Bilanzmanipulationen beweisen und zusätzlich den Vorsatz dazu beweisen. BEIDES ist nicht der Fall. Hier wird der 5te Schritt vor dem ersten diskutiert. Völlig überflüssig und nicht relevant.

  • Was für ein selten unqualifizierter Kommentar.

    Es ist natürlich eine wesentliche Aufgabe der Presse, auch v o r einem rechtskräftigen Urteil des ggf. sogar eines Bundesgerichtes durchaus einmal die möglichen Szenarien zu beleuchten. Der Beweis obliegt natürlich den jeweiligen, streitenden Parteien. Das Urteil den Richtern. Die Meinungen dazu und Bürgern. Presse kann dabei helfen, einen möglichst objektiven Blick über komplexe Dinge zu erlangen.

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