Drei Pensionskassen wollen 70.000 Betriebsrentnern die Bezüge kürzen
Mehr Belastung für die Pensionssicherung? Die Androhung der Lufthansa, in Richtung Schutzschirmverfahren oder Insolvenz zu denken, hat für unruhige Blicke auf die Insolvenzsicherung von Betriebsrenten gesorgt. Nun zeigt die Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, dass auch die Leistungskürzungen bei Pensionskassen die Pensionssicherung stärker belasten könnten als bisher angenommen.
Kleine Anfragen sind immer mehr das Mittel der Wahl für die Opposition. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hatte die Bundesregierung zum Thema „Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht als Institution zum Schutz von Verbraucherinnen und Verbrauchern“. Die Antwort der Bundesregierung zu den Kürzungen bei Pensionskassen ist aufschlussreich (Bundestagsdrucksache: 19/18622 vom 15. April 2020).
Denn die Kürzungen von Betriebsrenten bei Pensionskassen ein „heißes Eisen“. Hier die Fragen und Antworten zu diesem Themenkomplex, bei dem die Bundesregierung sichtlich unter Druck gerät. Vielfach nicht auf Erkenntnisse der BaFin verwiesen, sondern auf Pressemitteilungen der betroffenen Unternehmen. Und die Antworten sind nur die Spitze des Eisbergs. Denn die Kleine Anfrage und die Antworten der Bundesregierung stellen nur auf drei Pensionskassen ab. Frühere Antworten haben aber deutlich mehr betroffene Pensionskassen zutage gefördert.
Frage: Wie viele Kunden sind nach Kenntnis der Bundesregierung bis heute von Kürzungen ihrer laufenden Rentenbezüge betroffen, wie hoch ist die prozentuale Rentenkürzung, und wie viele dieser Rentenkürzungen gleicht der Arbeitgeber nicht aus (z. B. wegen Insolvenz)?
Die Bundesregierung fokussiert in ihrer Antwort, wie angefragt, nur auf drei Pensionskassen, die in jüngster Zeit betroffen waren (Kölner Pensionskasse, Caritas Pensionskasse und Steuerberater Pensionskasse). Damit sind weitere bekanntgewordenen Kürzungen, wie z.B. beim Bankenversorgungswerk (BVV) außen vor. Allein in den drei genannten Pensionskassen sind von den Kürzungen etwa 44.000 Anwärter und 15.000 Rentner betroffen. Die Anzahl der Rentenkürzungen, die vom Arbeitgeber nicht ausgeglichen werden, ist der Bundesregierung nicht bekannt.
Die Bundesregierung kann nur bei einer Pensionskasse die Höhe der Leistungskürzung überhaupt beziffern und muss dies der Presse entnehmen – Zahlen der Aufsichtsbehörde waren offensichtlich nicht greifbar. Die Leistungskürzung dieser einen betroffenen Pensionskasse (Caritas) liegt für die Mehrheit der Versicherten zwischen 10 und 30 Prozent liegen.
Frage: Sind der Bundesregierung Gründe für die Schieflagen in den jeweiligen Fällen bekannt, und wenn ja, welche? Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den Schieflagen in den jeweiligen Fällen, und inwieweit hätte nach Einschätzung der Bundesregierung die BaFin hier mit welchen Maßnahmen eingreifen sollen?
Die Bundesregierung verweist, dass in einem lang anhaltenden Niedrigzinsumfeld Pensionskassen vor besonderen Herausforderungen stehen, die Zinsgarantien mittel- und langfristig zu erfüllen. Für weitere Gründe (z.B. die Anwendung von veralteten Sterbetafeln, die letztlich auch von der BaFin genehmigt wurden) verweist die Bundesregierung per Internet-Link auf die Pressemitteilung der betroffenen Pensionskassen.
Die Bundesregierung verweist auf diverse Maßnahme, die sie initiiert hat; muss aber einräumen, dass diese Maßnahmen nur teilweise auch für Pensionskassen gelten:
- Einführung der Zinszusatzreserve 2011
- Lebensversicherungsreformgesetz 2014
Speziell im Bereich der Pensionskassen hat die Bundesregierung mit einem weiteren Gesetz Ende 2014 – allerdings dann für den Fall, dass das „Kind schon im Brunnen war“ – darüber hinaus dafür gesorgt, dass unter bestimmten Voraussetzungen Sonderzahlungen des Arbeitgebers an die Pensionskasse zu deren Stabilisierung zu keinen steuerbaren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit führen.
Und schließlich: Bei Pensionskassen in der Rechtsform eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit kann seit 2019 ein weiterer Gründungsstock gebildet werden, der den Zweck hat, die langfristige Risikotragfähigkeit des Vereins zu gewährleisten. Zudem hat die BaFin die Aufsicht über Pensionskassen, die besonders von der Niedrig- zinsphase betroffen sind, intensiviert.
Zudem habe die BaFin die Aufsicht über Pensionskassen, die besonders von der Niedrigzinsphase betroffen sind, intensiviert:
- Im Rahmen der Aufsicht setzt sich die BaFin – soweit erforderlich – dafür ein, dass die Pensionskassen bei den Trägerunternehmen (Arbeitgebern) oder Aktionären um die Bereitstellung von Mitteln werben. Immerhin: Zur Unterstützung von Pensionskassen durch Trägerunternehmen oder Aktionäre ist es in der Vergangenheit bereits mehrfach gekommen.
- Mit der Umsetzung der EbAV-II-Richtlinie über die Tätigkeit und die Beaufsichtigung von Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung wurde die Aufsicht über Pensionskassen modernisiert. Insbesondere wurden die Anforderungen an das Risikomanagement ausgeweitet. Allerdings: Es gibt zur Zeit deutliche Reflexe der betroffenen Pensionskasse gegen die Ausweitung und Intensivierung der sog. Governance.
Und zuletzt verweist die Bundesregierung auf die Novellierung der PSV-Pflicht für Pensionskassen, die gerade im Eiltempo durch das Parlament gepeitscht wird. Am 7. Mai 2020 in zweiter und dritter Lesung als Teil des SGB-IV-Änderungsgesetzes. Wird die Pensionskassenversorgung gekürzt und kann der Arbeitgeber aufgrund Insolvenz diese Lücke nicht ausgleichen, so soll diese Schutzlücke nun sehr schnell durch den Pensions-Sicherungs-Verein geschlossen werden. Die von der Bundesregierung angegebene Zahl der Betroffenen (ca. 70.000) von allein drei Pensionskassen lässt erahnen, dass hier der Pensions-Sicherungs-Verein mehr als erwartet belastet werden könnte.
Nicht erwähnt wird: Bei Insolvenzfällen bis 31. Dezember 2021 erfolgt dieser Schutz nur in minimaler Höhe nach dem Urteil des EuGH vom 19. Dezember 2019 und nur auf Antrag des Betroffenen für die Zukunft. Diesen Minimalschutz finanziert die Bundesregierung außerhalb der normalen Pensionssicherung. Der Vollschutz des PSV soll erst ab dem 1. Januar 2022 greifen. Dafür stehen dann alle sicherungspflichtigen Arbeitgeber mit ihren Beiträgen ein.
Frage: Welche Prüfungen und Ähnliches hat die BaFin bei den betroffenen Pensionskassen in den letzten Jahren und zu welchem Ergebnis kamen die Prüfungen? Welche Maßnahmen hat die BaFin vorgeschlagen?
Seit Bekanntwerden der auftretenden Krisen hat die BaFin verstärkte Kommunikation mit dem jeweiligen Vorstand, Aufsichtsrat und Verantwortlichen Aktuar, den jeweiligen Abschlussprüfern und Vertretern von Trägerunternehmen geführt. Zudem fanden 17 Prüfungen und Gespräche in den Räumen der jeweiligen Unternehmen sowie 43 Gespräche in den Räumen der BaFin statt. Die Aufteilung auf die einzelnen Unternehmen ergibt sich aus folgender Tabelle:
Prüfungen und Gespräche beim Unternehmen | Gespräche bei der BaFin | |
Deutsche Steuerberater-Versicherung – Pensionskasse des steuerberatenden Berufs VVaG – | 4 | 6 |
Kölner Pensionskasse VVaG | 7 | 20 |
Pensionskasse der Caritas VVaG | 6 | 17 |
Überraschenderweise wurde die am stärksten in Schieflage geratene Steuerberater-Pensionskasse am rein numerisch am wenigsten geprüft und überwacht. Die durchgeführten Prüfungen haben zu teilweise schwerwiegenden Beanstandungen geführt. Die festgestellten Mängel sind teilweise bereits behoben. Die verbleibenden Mängel sind durch die Pensionskassen noch zu beheben, was der BaFin durch Einreichung von Maßnahmen- und Zeitplänen angezeigt wurde.
Die Pensionskassen müssen die Umsetzung der von ihr angekündigten Maßnahmen gegenüber der BaFin nachweisen. Zu den Maßnahmen gehört jeweils auch ein Sanierungskonzept. Zu Einzelheiten der Sanierungskonzepte verweist die Bundesregierung auf die Pressemitteilungen der jeweiligen Pensionskassen.
Die BaFin hat außerdem der Pensionskasse der Caritas VVaG und der Deutschen Steuerberater-Versicherung – Pensionskasse des steuerberatenden Berufs VVaG das Neugeschäfts untersagt. Die Kölner Pensionskasse VVaG hat sich gegenüber der BaFin verpflichtet, ebenfalls das Neugeschäft einzustellen.
Kleine Anfrage fragt auch nach Bußgeldern und Verwarnungen der BaFin
Angesichts der oben angeführten Verwerfungen verwundert es schon, dass im Geschäftsbereich Versicherungs- und Pensionsfondsaufsicht im Zeitraum 2015 bis 2020 nur zwei bestandskräftige Verwarnungen gemäß § 303 Absatz 1 VAG (Abberufung von Personen mit Schlüsselaufgaben, Verwarnung) gegenüber Geschäftsleitern von Versicherungsunternehmen von der BaFin erlassen wurden.
Fazit:
Die Bürgerbewegung Finanzwende gab ihrem Finanzwende-Report „Die Akte BaFin“ den Untertitel: „Zu mutlos, zu langsam, zu formal“. Angesichts dieser Antworten auf die Anfrage von Bündnis 90/den Grünen ist dem nichts mehr hinzuzufügen.
Autor: VW-Redaktion
Schön wenn so viele Pensionskassen überprüft werden. Weniger schön wenn die Pensionsrückstellungen für die Politiker, Richter und Beamten nicht überprüft werden. Zumal dort die Pensionen höher sind, länger bezahlt werden und keine Eigenbeiträge da sind. 1, 7 Billionen Euro, da bin ich mir sehr sicher eher niedrig angesetzt, ist ja nichts was unsere Kontrollbehörden in Bewegung setzt. Es reicht wenn unsere Kinder und Enkel dafür noch beweglich sind, oder? Übrigens wurde das Privileg bei einigen Nachbarstaaten schon längst vermüllt, bei dort deutlich höheren Alterseinkommen für die Mehrheit der Bürger. Im Gegensatz zur Meinung der Beamtenlobby ohne das dort das Staastsgefüge Schaden nahm, eher im Gegenteil ,mit besserer Infrastruktur etc..