VGH will bei der BSV „gesamtgesellschaftliche Verantwortung“ wahrnehmen
Die Betriebsschließungsversicherung (BSV) ist derzeit das Thema in der Versicherungswirtschaft. In Bayern wurde von Betroffenen, Politik und Branche eine Lösung entwickelt, die durchaus auch kritisch gesehen wird. Die VGH Versicherungen bieten allen betroffenen Kunden nun eine „schnelle und tragfähige Unterstützung auf freiwilliger Basis an“, die der „bayerischen Lösung“ ähnelt.
Die BSV findet im Fall der Corona-Krise eigentlich keine Anwendung, schreibt der Versicherer aus Hannover. In den Versicherungsbedingungen der VGH sind „meldepflichtige Krankheiten und Erreger, die vom Versicherungsschutz umfasst sind, abschließend aufgezählt – das neue Virus SARS-CoV-2 und die Krankheit Covid-19 gehören nicht dazu“.
Dennoch nehme die VGH als öffentlich-rechtlicher Versicherer in dieser Ausnahmesituation ihre „gesamtgesellschaftliche Verantwortung“ wahr. Auf Initiative des niedersächsischen Wirtschaftsministeriums und der Unternehmerverbände Niedersachsen (UVN) hat die VGH eine Sondermaßnahme beschlossen, die Gewerbekunden in existenzieller Not unabhängig von versicherungsrechtlichen Ansprüchen helfen soll. Das Angebot orientiert sich an der Lösung, die Anfang April in Bayern zwischen Versicherern und anderen Beteiligten vereinbart wurde – VWheute hat bereits über die juristische Analyse der Option berichtet.
Hohe Priorität
Thomas Vorholt, Vorstand für die Schaden- und Unfallversicherungen der VGH: „Mit dieser schnellen und unbürokratischen Lösung tragen wir dazu bei, Kunden auch jetzt nicht allein zu lassen und ihre Liquidität kurzfristig sicher zu stellen. Wir sind uns bewusst, dass sich viele Kunden bereits in einer existenzbedrohenden Situation befinden und werden entsprechende Anträge mit hoher Priorität bearbeiten.“
Die zahlreichen Unterstützungsmaßnahmen des Staates, beispielsweise durch Kurzarbeitergeld und Soforthilfsmaßnahmen, hätten den wirtschaftlichen Schaden der betroffenen Firmen bereits deutlich reduziert, glaubt der Versicherer.
Allen Kunden der VGH, die eine Betriebsschließungsversicherung bei ihr abgeschlossen haben, zahlt sie auf die verbleibenden durchschnittlichen Einbußen des Kunden von ca. 30 Prozent die Hälfte, das heißt 15 Prozent der vereinbarten Tagesentschädigung für die Höchstdauer von 30 Tagen.
Das Angebot ähnelt damit tatsächlich sehr der bayerischen Lösung.
Inwieweit bedingungsgemäßer Versicherungsschutz bei Covid 19 besteht, dürfte grundsätzlich individualvertraglich zu prüfen sein. Soweit Unklarheiten in den Versicherungsbedingungen bestehen, wäre seitens der Gerichte zu Gunsten der Versicherungsnehmer zu entscheiden. Auch wenn es sich um den bedingungsgemäßen Leistungsfall handelt und kein pauschaler Bezug zum Infektionsschutzgesetz in den Bedingungen getroffen wurde.
Die gesellschaftspolitische Verantwortung fängt sicherlich da an, wo eine reine Kulanzleistung erfolgt. Andernfalls geht es um Schadensbegrenzung, da eine Prozesswelle drohen könnte, die es zu vermeiden galt.
Dr. Henning Rothe
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Hannover