Corona: Hoteliers und Gastronomen erheben Vorwürfe gegen Versicherer

Symbolbild. Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

„Versicherer drücken sich um die Erstattung bei Corona“. Das war der Kern der letzten beiden Schlaglichter auf VWheute. Nun gießen Experten und Betroffene aus der Gastronomiebranche Öl ins Feuer. Wird Corona für die Versicherungswirtschaft ein finanzielles- und imagezerstörendes Problem?

Alles spielt sich vor der malerischen Kulisse des Pilatus in der Schweiz ab. Das Alpenland hat wegen Corona Europa den Betrieb von Gaststätten untersagt, doch der Wirt R. war vorbereitet – dachte er zumindest.

Mr. R. hatte bei der Helvetia eine Absicherung abgeschlossen, meldet Blick. Er war gegen „Epidemie“ bis zu einer Höhe von „1,3 Millionen Franken“ versichert, was ihm aber nichts nützte, denn die Versicherung schrieb nach einer Anfrage des Wirtes,  „alles, was ab der Stufe Pandemie (ab 11. März) vorgefallen ist, ist ausgeschlossen.“ An diesem Tag wurde das Virus von der Weltgesundheitsorganisation WHO zur Pandemie erklärt. 

Eine Pandemie ist eine länder- und kontinentübergreifende Ausbreitung einer Krankheit  beim Menschen, im Unterschied zur  Epidemie ist eine Pandemie örtlich nicht beschränkt. Diesen Unterschied nutzt die Helvetia: „Pandemien gehören als Extremereignis zu den nur sehr beschränkt versicherbaren Ereignissen, da sie schwer kalkulierbar sind und weltweit mit großem Ausmaß auftreten“, schreibt der Konzern laut der Zeitung. Die Pandemie sei in den Bedingungen ausgeschlossen.

Eine Sache der Beratung

Ob der Berater den Wirt über diese Unterscheidung aufgeklärt hat, ist eine interessante Frage, ebenso die juristische Dichtheit der Begründung. Sie ähnelt der, die der Berliner Anwalt Pilz bei einem deutschen Versicherer auf- und angriff.

„Dass die Argumentation der Versicherung berechtigt ist, scheint mir zweifelhaft“, sagt Volker Pribnow, Fachanwalt für Versicherungsrecht Wenn die Versicherer sich nun auf ihre Allgemeinen Versicherungsbedingungen berufen möchten, müssen diese dem Versicherten in Bezug auf unerwartete Deckungseinschränkungen erläutert worden sein, erklärt der Anwalt. Er bezweifelt, dass dies geschah.

Der beschriebene Fall sei kein Novum. Casimir Platzer, Präsident des Branchenverbandes Gastrosuisse: „Ich habe Kenntnis von mehreren Fällen, bei denen mit solchen Spitzfindigkeiten argumentiert wird“, ein solches Vorgehen wäre ein „No-Go“.

Dem stimmt der Hotellerie und Gastronomie-Experte Jean-Georges Ploner zu. Er bedient sich einem alten aber bewährten Klischee: „Versicherungen sind bekannt dafür, dass sie immer nur gut sind, wenn sie nicht gebraucht werden“, erklärt er gegenüber Tophotel. Die Unternehmen würden versuchen sich „aus der Affäre zu ziehen“. Die Gastronomen müssen im Zweifel vor Gericht gehen, Mr. Ploner vermutet, dass die Versicherer auf „Zeit spielen“ würden.

Am Ende wird es auf die genauen Formulierungen in den Verträgen ankommen, wie der Experte Reinhard Keil auf VWheute erläuterte.

Mr. Keil hat ein Buch zur Betriebsunterbrechung geschrieben, das Sie HIER erwerben können. Das Thema Epidemien und Betriebsausfall wird ausführlich behandelt.

Betriebsunterbrechungsversicherung, von Reinhard Keil.

Autor: VW-Redaktion

3 Kommentare

  • „ Diesen Unterschied nutzt die Helvetia: „Pandemien gehören als Extremereignis zu den nur sehr beschränkt versicherbaren Ereignissen, da sie schwer kalkulierbar sind und weltweit mit großem Ausmaß auftreten“, schreibt der Konzern laut der Zeitung.“

    Der Versicherungsnehmer erwartet nicht, dass seine Versicherung für alle weltweit eingetretenen Schäden aufkommt, sondern für seinen Schaden. Dabei ist das Risiko des Versicherers durch die Versicherungssumme gedeckelt.

  • @E. Daffner:
    Die Auswirkungen einer Pandemie sind natürlich anders als bei einer Epidemie, wie wir gerade alle am eigenen Leib spüren. Zudem wird ja nicht immer die komplette Versicherungssumme ausgeschüttet, da macht es also einen Unterschied, ob 2 Wochen oder 2 Monaten geschlossen ist.

    Der Kunde erwartet natürlich, dass immer gezahlt wird, auch wenn er dafür keine Prämien bezahlt. Und wenn es um die Existenz geht versucht man es halt auf allen Ebenen.
    Zu prüfen wäre außerdem, ob es über einen Makler oder Mehrfachagenten abgeschlossen wurde. Dann wäre die Versicherung aus dem Schneider, denn natürlich ist der Makler dafür verantwortlich, dass der Kunde korrekt aufgeklärt ist. Auch ob er online oder beim Vertreter gekauft hat, dürfte einen Unterschied machen.

    Der Kunde kann der Versicherung nur einen Vorwurf machen, wenn er beim Ausschließlichkeitsvertreter gekauft hat, ansonsten wäre es sein eigene Pflicht darauf zu achten, welche Leistungen er kauft.

  • Albert Müllenborn

    Das ist die große Chance der Versicherer, sich als Partner in existenziellen Momenten zu zeigen!
    Wenn diese Situation gemeinsam zur Zufriedenheit aller gemeistert wird, wird in den Folgezeiten ein Run auf diese Versicherungen einsetzen!
    Vorstände, vergebt diese Chance nicht!!@

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