Versicherer stufen Nachhaltigkeitsberichterstattung bis zu achtmal teurer ein als die Bundesregierung
Die Versicherungswirtschaft wird nicht müde zu betonen, dass die Nachhaltigkeitsberichterstattung für die Branche oft mehr Fluch als Segen bedeutet – der Aufwand ist hoch, der Nutzen teils zweifelhaft. Die Kosten für die Erstellung der Berichte schätzt der Branchenverband GDV nun deutlich höher ein, als die Bundesregierung aus Anlass des am Mittwoch verabschiedeten CSRD-Umsetzungsgesetzes vorgerechnet hat.
Gut gemeint, ist bekanntlich nicht immer gut gemacht – frei nach dieser Losung warnen die deutschen Versicherer regelmäßig vor einer Überforderung durch die Nachhaltigkeitsberichterstattung, wie es die europäische Nachhaltigkeitsrichtlinie CSRD von den Unternehmen verlangt.
Nachdem das Bundeskabinett am Mittwoch grünes Licht für das CSRD-Umsetzungsgesetz gegeben hat, schlüpfte GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen abermals in die Rolle des Mahners – diesmal geht es dem Branchenverband um die Kosten, die die Bundesregierung für die erstmalige Umsetzung des Berichtswesens in den Unternehmen veranschlagt hat. Diese Initialkosten sind im Gesetzentwurf aber viel zu niedrig angesetzt, findet der GDV-Hauptgeschäftsführer.
„Die Bundesregierung schätzt den einmaligen Erfüllungsaufwand auf 846 Millionen Euro für 14.600 berichtspflichtige Unternehmen. Das wären rechnerisch ungefähr 58.000 Euro pro Unternehmen“, rechnet Asmussen vor und stellt das Ergebnis den verbandsseitig ermittelten Kosten gegenüber – und diese weichen von den Regierungszahlen deutlich ab: „Für den Versicherungssektor rechnen wir im Schnitt mit vier- bis achtmal höheren Kosten“, konstatiert Asmussen. Für große Versicherungsgruppen verortet die Branche die Kosten sogar „eher im zwei- bis dreistelligen Millionenbereich“.
Auf großes Unverständnis stößt beim GDV außerdem, dass für die erstmalige Erfüllung der Anforderungen nur ungefähr halb so hohe Kosten im Gesetzentwurf angegeben werden, wie für die laufende Nachhaltigkeitsberichterstattung. 846 Mio. Euro stehen demnach 1,58 Mrd. Euro gegenüber. „Es ist nicht nachvollziehbar, warum die Kosten für die erstmalige Einrichtung einer Berichterstattung mit der notwendigen Qualifizierung von Personal und der Klärung inhaltlicher und methodischer Fragen geringer sein sollen als für die laufende Berichterstattung“, zeigt sich Asmussen irritiert und fordert den Gesetzgeber zum Nachbessern auf: „Wenn die Bestrebungen zum Bürokratieabbau erfolgreich sein sollen, müssen unbedingt realistische, transparente und nachvollziehbare Ansätze für die Ermittlung von Erfüllungsaufwand gefunden werden.“
„Beschäftigte sind mehr mit dem Schreiben der Berichte befasst als mit der Entwicklung von nachhaltigen Produkten“
Zudem sprach sich Asmussen dafür aus, die sogenannte Konzernklausel im weiteren Verfahren „unbedingt beizubehalten“. Die Klausel besagt, dass die Versicherer, die oft in Gruppen oder Konzernen organisiert sind, nur einen Nachhaltigkeitsbericht erstellen müssen. „Wenn jedes Tochterunternehmen einen eigenen Bericht erstellen müsste, würde das eine absolute Überforderung mit überflüssigen Informationen und Kosten nach sich ziehen“, warnte Asmussen.
Zugleich erneuerte der GDV seine Forderung nach einer Nachhaltigkeitsberichterstattung mit Augenmaß, mit dem „viel hilft viel“-Ansatz komme man nicht weiter, heißt es. So solle der Fokus lieber auf entscheidungsrelevante Daten gerichtet werden, die für Unternehmen Steuerungsimpulse, etwa bei der Kapitalanlage oder im Risikomanagement, setzten. „Die Unternehmen müssen zwischen 167 und 783 Datenpunkte erheben. Damit sind die Beschäftigten mehr mit dem Schreiben der Berichte befasst als mit der Entwicklung von nachhaltigen Produkten“, gibt Asmussen zu bedenken.
Als positiv wertet der GDV-Manager, dass die Bundesregierung in ihrer Wachstumsinitiative vom 5. Juli 2024 versprochen hat, sich bei der EU-Kommission für eine deutliche Reduzierung der Nachhaltigkeitsberichtsanforderungen einzusetzen. Abermals machte sich der GDV dafür stark, die Anforderungen für kleinere, nicht-kapitalmarktorientierte Unternehmen bis 500 Beschäftigte, spürbar zu senken. „Neben den allgemeinen Standards sollte auf die geplante Einführung von gesonderten, sektorspezifischen Vorgaben zunächst verzichtet werden“, so Asmussen. Der Weiterentwicklung des Regelwerks sollte außerdem eine Evaluierung der ersten Berichte vorgeschaltet werden.
Mit dem nun verabschiedeten Gesetz setzt Deutschland die Bestimmungen der CSRD in nationales Recht um. Über den Gesetzentwurf entscheidet im nächsten Schritt der Deutsche Bundestag.
Autor: Lorenz Klein