Huk-Coburg-Chef Heitmann prognostiziert massiven Umbruch in der Kfz-Versicherung
Klaus-Jürgen Heitmann, Vorstandssprecher Huk-Coburg, ist ein Manager der klaren Worte. In Gesprächen wagt er gern mal den Blick über den Tellerrand – und für einen Versicherungschef doch eher unübliche Gedankenspiele. Das spiegelt sich auch in seinem Managementstil wider. Im Interview mit VWheute zeichnet Heitman Wege für den Kfz-Versicherungsmarkt. Ökologie, Telematik und neue Partnerschaften könnten den Markt dramatisch verändern.
VWheute: Herr Heitmann, nun gab es schwere Flutschäden und das Jahr 2021 ist noch nicht zu Ende. Wird die angekündigte Ausschüttung von 150 Millionen Euro Corona-Gewinne an Ihre Kfz-Kunden reduziert?
Klaus-Jürgen Heitmann: Nein. Die 150 Millionen Euro Beitragsrückgewähr resultieren aus den geringen Schäden durch weniger Verkehr im vergangenen Corona-Jahr. Diese geben wir aktuell unseren Kunden zurück. Mit der jetzigen Schadensituation hat das nichts zu tun.
VWheute: Wie ist der Ausblick auf die Schadenentwicklung 2021 in der Autoversicherung. Welches Niveau erwarten Sie?
Klaus-Jürgen Heitmann: Sie sagen es eben selbst. Das Jahr ist noch nicht vorbei. Für eine Einschätzung ist es daher noch zu früh. Wir haben in den letzten Monaten und Wochen leidvoll erfahren, wie schnell gravierende Elementarschäden eine Situation völlig verändern können.
VWheute: Wie läuft der „Pay-as-you-drive“-Tarif? Ist Ihr Haus Telematik-Marktführer?
Klaus-Jürgen Heitmann: Der Tarif wird sehr gut angenommen. Wir verzeichnen deutlich mehr als 400.000 Kunden seit der Einführung vor knapp zwei Jahren bei steigender Tendenz. Niemand sonst im Markt verfügt über diese Expertise. Nach unserer Einschätzung dürften wir damit Marktführer sein.
VWheute: Die Auswertung der Fahrdaten von „Telematik-Plus“ sollen Ihnen besondere Erkenntnisse bieten. Was haben Sie schon festgestellt?
Klaus-Jürgen Heitmann: Wir stellen fest, dass Menschen, die sich bewusst für diesen Tarif entscheiden, ihr Fahrverhalten verändern. Viele wollen sicherer, aber auch umweltbewusster fahren. Das geht mit unseren Interessen als Versicherer einher: Auch wir wollen Unfallhäufigkeiten senken. Mit unserem zusätzlich entwickelten neuen Ökoscore-Tarif „Eco Drive“ setzen wir zudem bewusst auf umweltschonendes Fahren. Von hundert Leuten, die unseren Telematik-Tarif wählen, werden 80 bis 90 noch mal zu besseren Fahrern.
VWheute: Brauchen Sie nun weniger Risikofragen? Wann können wir mit einem Blitzabschluss bei der Huk-Coburg und ihren Töchtern rechnen?
Klaus-Jürgen Heitmann: Das sind zurzeit noch Denkmodelle, die wir im Zusammenhang insbesondere mit unserem Telematik-Tarif durchspielen. Prämien können anhand des Fahrverhaltens ermittelt werden. Wer umsichtig fährt, bekommt einen Rabatt. Solche Tarife würden sich auch bei Sharing-Modellen gut anbieten, um die Fahrleistung der unterschiedlichen Menschen fair einzuordnen.
VWheute: Sie liebäugeln mit Sharing-Angeboten. Wie ist Ihre Erfahrung aus der „Roller-Versicherung“?
Klaus-Jürgen Heitmann: An der Roller-Versicherung kann man gut erkennen, wie Sharing funktioniert und wie es von den Kunden angenommen wird und wie sich diese auf neue Mobilitätsmodelle einlassen.
VWheute: Wie weit sind Ihre Pläne fortgeschritten, eine eigene Sharing-Flotte aufzubauen?
Klaus-Jürgen Heitmann: Das sind perspektivische Gedankenspiele und keine konkreten Pläne. Was wir aber feststellen ist, dass es ein verändertes Nutzungsverhalten gibt vom eigenen Fahrzeug hin zu einer schrittweisen situativen und kurzfristigeren Nutzung von Fahrzeugflotten. Dann müssten Versicherungsverträge angepasst bzw. um die kurzfristige Nutzung eines Sharing-Fahrzeuges erweitert werden. Um hier direkt am Kunden zu sein, kann es schon Sinn machen, eine eigene Sharing-Flotte aufzubauen.
VWheute: Autobanken verzeichnen Jahr für Jahr mehr Geschäft. Alles aus einer Hand beim Neukauf im Autohaus – auch die Versicherung. Hier gibt es Konkurrenten mit vielen Kfz-Hersteller-Kooperationen. Sind Sie nur noch der Second-Hand-Versicherer? Wie wollen Sie gegensteuern?
Klaus-Jürgen Heitmann: Der Markt ändert sich. Es wächst alles zusammen. In der Vergangenheit hat der Hersteller die Autos gebaut, der Handel hat sie verkauft und den Service übernommen und Banken haben Autos finanziert. Dann haben die Hersteller Autobanken gegründet, um die Finanzierung zu übernehmen. Hier müssen wir uns ebenfalls positionieren, um unseren eigenen Zugang zum Kunden zu behalten. Das tun wir mit unserer Huk-Autowelt, aber auch mit dem Ausbau u.a. zum Serviceanbieter rund um die Versicherung. Dabei kann es auch um mögliche sinnvolle Modelle der Zusammenarbeit gehen.
VWheute: Wie weit sind Ihre Pläne, mit Tesla zu kooperieren? Gibt es noch weitere Hersteller, bei denen Sie für sich Chancen sehen?
Klaus-Jürgen Heitmann: Auch hier gilt, dass dies Gedankenspiele sind. Wir könnten uns das aber gut vorstellen. Wir sind der größte Kfz-Versicherer und reden daher mit vielen im Markt. Tesla verfügt über Daten, an die wir nicht herankommen. Das gepaart mit unserer starken Marke könnte für beide Seiten lukrativ sein.
VWheute: Wie läuft die Autowelt? Wo haben Sie hier besondere Erfolge und an welcher Stelle hapert es?
Klaus-Jürgen Heitmann: Wir sind sehr zufrieden. Erst vor Kurzem haben wir in Düsseldorf mit der Huk-Autowelt ein neues Outlet eröffnet, was unsere Kunden sehr gut annehmen. Viele Kunden kommen zu uns, da sie wissen, dass sie bei der Huk einen guten Preis und gute Serviceleistungen erhalten. Vor allem unser Angebot des Auto-Abos läuft sehr gut. Neu für uns ist, diese Angebote in die bestehende Prozesswelt des Versicherers zu integrieren.
VWheute: Wie läuft die Neuvermittlung in der Autoversicherung. Kann man ohne Vergleichsportal – also ohne Check24 – deutliches Mehrgeschäft schreiben? Wenn ja, woher kommt es?
Klaus-Jürgen Heitmann: Für den Kunden zählen Preis und Leistung. Hier ist die Huk als Anbieter sehr gut positioniert.
Die Fragen stellte VWheute-Korrespondent Uwe Schmidt-Kasparek.