Neue Spitzenfrau der Eiopa: Was ist der Plan von Petra Hielkema?

Petra Hielkema, Chefin der europäischen Versicherungsaufsicht Eiopa. Quelle: DNB

Nein, das Wort Quote verbietet sich im Zusammenhang mit der Berufung Petra Hielkemas als oberste Aufseherin der europäischen Versicherungswirtschaft Eiopa. Die 1972 geborene Niederländerin hat in ihren bisherigen Positionen bei der niederländischen Zentralbank mit Kompetenz überzeugt. Ihre Berufung als Nachfolgerin des portugiesischen Versicherungsmathematikers Gabriel Bernardinos hat sie eben diesen Qualitäten zu verdanken und nicht einem zeitgeistigen Ruf nach Quoten. Heute ist offiziell ihr erster Arbeitstag.

Die Personalie kommt für die Behörde einer Zeitenwende gleich, denn vor der sympathisch auftretenden Hielkema liegen große Herausforderungen: Verfeinerung der Solvency-II-Richtlinien, umfassende Digitalisierung und schließlich Nachhaltigkeit im Versicherungssektor lauten diese schlagwortartig. Um sich zu vergegenwärtigen, welchen Ansatz Petra Hielkema als neue Eiopa-Chefin verfolgen wird, hilft ein Blick auf vergangene Statements und Interviews.

Als Direktorin für Zahlungen und Marktinfrastruktur der Niederländischen Zentralbank sagte sie 2018, Kryptowährungen wären kein echtes Geld und die Blockchain-Technologie würde auch überschätzt. Ein Jahr später relativierte Hielkema diese Aussagen und kommunizierte, dass die Zentralbank weiterhin mit der Blockchain-Technologie experimentieren würde. Unter Hielkemas Ägide zeigte sich das von ihr geleitete Institut als experimentierfreudig und agil, dabei abwägend und vorsichtig in die Zukunft tastend. Einen disruptiven Umsturz ist von ihr wohl nicht zu erwarten, doch treibt Hielkema mit jugendlichem Verve ausgestattet, Entwicklungen gern proaktiv voran.

Mit 19 Jahren immatrikuliert sich die Niederländerin an der Universität von Leiden für die Fächer Osteuropäisches Recht und Slawistik bzw. Russische Studien. Nach fünf Jahren erlangt Hielkema dort ihren Master, um ab 1996 als Rechtsberaterin bei Pepper, Hamilton & Scheetz am Standort Almaty in Kasachstan ihre ersten Meriten zu erwerben. Nach einem Jahr erfolgt ihr Wechsel zum Beratungshaus PricewaterhouseCooper, ebenfalls in Almaty. Unterbrochen wird ihr Engagement in Osteuropa im Jahr 2000, als die 28-Jährige im Rahmen eines Erasmus-Programms an der Universität in Hamburg zusätzlich einen Europäischen Master in Wirtschaft und Recht erwirbt. So ausgestattet übernimmt Hielkema ab 2001 im Range eines Senior Expert das Verbindungsbüro und die Repräsentanz für wirtschaftliche Kooperationen des Präsidenten der Kirgisischen Republik in Biskek.

2004 kehrt sie zurück in die Niederlande, um sich in einem einjährigen Engagement als Übersetzerin und Beraterin für Osteuropa zu profilieren. Ab 2004 erfolgt ihr Eintritt in die Niederländische Zentralbank, Petra Hielkema wird hier Senior Police Officer Versicherer und Senior Policy Advisor der Versicherungsaufsicht. In kurzer Reihenfolge schließen sich darauf die Positionen einer Projektleiterin der IAIS-Konferenz 2014, die Leitung im Segment Versicherungspolice bis 2015, die Führung des Expertise-Test-Centers bis 2017, die Direktion der Payments and Market Infrastructures Division bis 2020 und abschließend die Leitung der Versicherungsaufsicht für die Niederlande an.

Mehr als 14 Jahre ist Petra Hielkema damit in Amsterdam bei De Nederlandsche Bank, von der sie auch in die verschiedenen Gremien der europäischen Versicherungsaufsicht Eiopa entsandt wird. Von 2013 bis 2016 ist sie stellvertretende Eiopa-Aufsichtsrätin, Vorsitzende im Panel der Europäischen Zentralbank „Fit & Proper“ und von 2018 bis 2020 zusätzlich Co-Vorsitzende beim Financial Stability Board (FSB) in der Arbeitsgruppe Finanzmarktinfrastrukturen Cross Border Crisis Management.

Nur mit Robustheit schaffen es Frauen nach oben

Zur Frage nach ihren beruflichen Vorlieben und den größten Herausforderungen des aktuellen Jobs sagt sie: „Ich liebe die Vielfalt im Zahlungsverkehr und genieße es, dass der Zahlungsverkehr an der Spitze der Innovation im Finanzsektor steht. Ich glaube nicht, dass es im Finanzwesen etwas Technischeres und gleichzeitig so Greifbares in der Gesellschaft gibt wie Zahlungen. Was den Job erschwert, ist, dass ich bei so vielen interessanten Entwicklungen nur 24 Stunden am Tag Prioritäten setzen muss.“ So spricht ein Workaholic, der das, was er erreicht hat, durch Disziplin, Effizienz und Hartnäckigkeit erlangt hat.

Auch wenn sie selbst ihren Job nicht einer Frauenquote zu verdanken hat, so brennt ihr das Thema doch auf den Nägeln: „Als meine Karriere begann, dachte ich nicht, dass es Barrieren gibt, ich dachte nur, dass es an den Frauen liegt, es zu schaffen. Als ich jedoch meine Karriere fortsetzte und die Leiter hinaufstieg, begann ich zu bemerken, dass die Zahl der Frauen im Raum ziemlich schnell abnahm, und zwar schneller, als es einfach dadurch erklärt werden konnte, dass Frauen es nicht schafften. Und so glaube ich jetzt, dass es Barrieren geben muss. Um aufzusteigen, brauchen Sie Menschen, die an Sie glauben, und Sie müssen an sich selbst glauben. Ich hatte das Glück, dass die Leute das taten, auch als es wirklich wichtig war, wie zum Beispiel die Rückkehr an den Arbeitsplatz nach einer Schwangerschaft.“

Eigene Selbstzweifel, ob man gut genug für den Job ist, Zweifel, ob eine gute Work-Life-Balance erreichbar ist oder Zweifel hinsichtlich der eigenen Durchsetzungsfähigkeit sind laut Hielkema nach wie vor die größten Hindernisse für weibliche Führungskräfte. Mentoren könnten zwar als Katalysatoren wirken, aber wie weit man resp. frau kommt, ist dann doch immer noch eine Frage der persönlichen Robustheit. Gerne teilt sie auch ihr Credo mit anderen Anwärterinnen: „Mach es. Wenn sie eine Chance sehen, fragen sie nicht, ob sie es können, gehen sie! Zweifel nicht. Mach es einfach und zweifle später. Hör auf, dich schuldig zu fühlen! Wählen sie einfach den besten und anspruchsvollsten Job, den sie finden können, und seien Sie großartig darin, damit Sie spät und müde, aber auch glücklich und stolz zu Ihrer Familie nach Hause gehen können!“

Diese Sätze lassen auf eine protestantisch-calvinistische Sozialisation schließen, bei der Fleiß und Arbeitseifer elementarer Bestandteil des Lebens und wirtschaftlicher Wohlstand als Ziel definiert werden. Das garantiert ferner auch eine Unabhängigkeit vom Staat. All dies sind Eigenschaften, die Petra Hielkema für den Job als oberste Aufseherin der europäischen Versicherungswirtschaft prädestinieren.

Autor: Alexander Kaspar

Den vollständigen Beitrag lesen Sie in der neuen September-Ausgabe der Versicherungswirtschaft.

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