Assekurata-Experte Wittkamp: „Hohe Elementarschäden sprechen klar gegen eine Prämiensenkung bei Kfz“

Dennis Wittkamp von Assekurata glaubt angesichts der Flutschäden nicht an einen Kfz-Preiskampf im Herbst. (Quelle: Zurich/Assekurata)

Die Kfz-Versicherer haben im letzten Jahr spürbar von der Corona-Pandemie profitiert. Allerdings hat die Hochwasserflut im Juli 2021 die Branche wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Dennis Wittkamp, Fachkoordinator Schaden-/Unfallversicherung bei Assekurata, sprach mit der Versicherungswirtschaft über das neue Mobilitätsverhalten nach Corona, das Schadenrisiko von Elektroautos, die Zukunft der Telematiktarife und warum die Allianz nicht an der Huk-Coburg vorbeikommt.

VWheute: Wie profitabel ist derzeit das Kfz-Geschäft nach den ganzen Beitragsrückerstattungen Anfang des Jahres. Wird es im Herbst zu harten Preiskämpfen kommen?

Dennis Wittkamp: Die Profitabilität im Kfz-Geschäft dürfte 2021 erneut überdurchschnittlich hoch ausfallen. Ausschlaggebend dafür ist die eingeschränkte Mobilität durch die Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung. Daten zeigen, dass die Mobilität in der ersten Jahreshälfte 2021 teilweise auf ähnlich niedrigem Niveau lag wie im Vergleichszeitraum 2020: Entsprechend dürften erneut vergleichsweise wenige Unfälle zu verzeichnen sein. Allerdings steigt mit sinkenden Inzidenzen und damit verbundenen Lockerungen die Mobilität aktuell wieder an.

VWheute: Welche Unbekannten gibt es und wie stark treffen die Unwetter die Kfz-Versicherer?

Dennis Wittkamp: Eine Unbekannte ist die Entwicklung der Werkstatt- und Ersatzteilpreise. Hier hatten wir bereits vor der Pandemie eine überdurchschnittliche Inflation beobachtet. Durch den Rückgang bei den Schadenleistungen sind Werkstätten und Automobilhersteller verstärkt unter Druck, die sinkende Profitabilität durch (noch) höhere Ersatzteilpreise weiter zu steigern. Allerdings werden die extremen Elementarschadenereignisse dieses Jahres sich entsprechend in den Bilanzen niederschlagen.

Einige Unwetter haben hier bereits für zahlreiche Schäden gesorgt und nicht zuletzt die Starkregenkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen dürften die Jahresbilanz der Kfz-Versicherer bereits zum jetzigen Zeitpunkt sprichwörtlich verhagelt haben. Zwar haben die Versicherer, insbesondere durch die geringere Schadenbelastung im vergangenen Jahr die Schwankungsrückstellung zum Teil erheblich stärken können. In Anbetracht des erheblichen Schadenausmaßes dürften diese Mittel jedoch nicht ausreichen, die Bilanzen bei allen Marktteilnehmern vollständig zu glätten.

Damit dürften auch die Diskussionen über etwaige Prämiensenkungen zum Jahreswechselgeschäft weitgehend vom Tisch sein. Schon vor den Ereignissen der vergangenen Tage hatten wir zum Jahresende nur mit einem leicht sinkenden Prämienniveau – wie schon 2020 – gerechnet. Insbesondere das Niedrigzinsumfeld hält die Kfz-Versicherer davon ab, allzu stark an der Preisschraube zu drehen. Mit dem eher kurzen Anlagehorizont von Schadenversicherern sind nur noch sehr niedrige Renditen am Kapitalmarkt zu erzielen, was höhere Anforderungen an die Profitabilität der Versicherungstechnik stellt. Die hohe Elementarschadenbelastung 2021 haben diese Anforderungen nun noch verschärft und sprechen klar gegen Prämiensenkungen.

„Die Starkregenkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen dürften die Jahresbilanz der Kfz-Versicherer bereits zum jetzigen Zeitpunkt sprichwörtlich verhagelt haben.“

Dennis Wittkamp, Fachkoordinator Schaden-/Unfallversicherung bei Assekurata

VWheute: Wie nachhaltig hat sich das Mobilitätsverhalten durch die Pandemie und die Etablierung von Homeoffice verändert?

Dennis Wittkamp: Hier ist es für eine endgültige Bewertung noch zu früh. Besonders bleibt abzuwarten, ob sich das Homeoffice wirklich in der Breite der Betriebe langfristig etablieren wird. Hierzu gibt es diverse Umfragen unter Arbeitnehmern und Arbeitgebern, welche die teilweise diametralen Interessen zeigen. Während ein Großteil der Arbeitnehmer gerne weiterhin in großem Umfang von zu Hause aus arbeiten möchte, will eine Mehrheit der Betriebe den Mitarbeitern nach der Pandemie nicht mehr Homeoffice-Zeiten ermöglichen als vorher.

Darüber hinaus bleibt beispielsweise abzuwarten, inwieweit der pandemiebedingte Fahrrad-Boom anhält und die Menschen auf Fahrten mit dem Auto verzichten. Auf der anderen Seite ist zu beobachten, wie während der Pandemie der öffentliche Nahverkehr gemieden wird und viele lieber im eigenen Auto fahren. Auch führt z.B. die Zunahme an Onlinebestellungen und der Verzicht auf den persönlichen Einkauf im Supermarkt zwar zu einer verminderten persönlichen Fahrleistung, hat aber mehr Lieferverkehr zur Folge.

Die Folgen für die Kfz-Versicherer sind also entsprechend ungewiss. Realistisch ist sicher davon auszugehen, dass die Fahrleistungen insgesamt eher stagnieren oder sich rückläufig entwickeln dürften, was dämpfend auf das Prämienniveau wirken würde.

„Der Huk-Coburg ist es gelungen, ein Synonym für eine günstige und leistungsstarke Kfz-Versicherung zu werden. Dafür hat die Gesellschaft die Kunden über Jahre mit günstigen Prämien und gutem (Schaden-)Service überzeugt und diese Botschaft auch werbetechnisch platziert. Diese positiv aufgeladene Geschichte fehlt der Allianz.“

Dennis Wittkamp, Fachkoordinator Schaden-/Unfallversicherung bei Assekurata

VWheute: Die Allianz kommt einfach nicht an die Huk-Coburg im Kfz-Geschäft heran. Woran liegt das? Auch an den Problemen mit Allianz Direct?

Dennis Wittkamp: Der Huk-Coburg ist es gelungen, ein Synonym für eine günstige und leistungsstarke Kfz-Versicherung zu werden. Dafür hat die Gesellschaft die Kunden über Jahre mit günstigen Prämien und gutem (Schaden-)Service überzeugt und diese Botschaft auch werbetechnisch platziert. Diese positiv aufgeladene Geschichte fehlt der Allianz und ist kurzfristig nur schwer zu erzeugen. Bei der Marke Allianz oder auch Allianz Direct denkt der Kunde eben nicht in erster Linie an die Kfz-Versicherung, sondern hat eher einen breit aufgestellten, soliden Versicherer mit vielfältigem Angebot vor Augen.

VWheute: Blick in die nahe Zukunft. Verbrennungsmotoren sind Geschichte. Die Brandgefahr der Elektroautos scheint aber größer zu sein. Werden die Kfz-Prämien langfristig dadurch steigen?

Dennis Wittkamp: Das Brandrisiko von E-Fahrzeugen ist nach aktuellem Wissensstand nicht höher als bei Autos mit Verbrennungsmotoren. Sie brennen also nicht häufiger. Wenn sie einmal brennen, dann können auch Elektrofahrzeuge von den Einsatzkräften der Feuerwehr gelöscht werden, wobei die Brandbekämpfung unter Umständen komplexer ist. Diese eventuellen Mehrkosten fallen jedoch bei einem Brand – der in der Regel einen Totalschaden darstellt – kaum ins Gewicht. Die Auswirkungen der Elektrifizierung des gesamten motorisierten Individualverkehrs lassen sich aktuell noch nicht beziffern. Erst mit weiter ansteigendem Anteil an Elektrofahrzeugen auf den Straßen werden die Statistiken aussagekräftiger. Bislang sieht bspw. auch der GDV keinen Unterschied in der Schadenstatistik.

VWheute: Ein Blick in die ferne Zukunft. Wie wird sich die klassische
Autoversicherung durch autonomes Fahren verändern?

Dennis Wittkamp: Grundsätzlich ist wohl davon auszugehen, dass die Schadenbelastung für die Versicherer bei einer vollständigen Marktdurchdringung autonom fahrender Fahrzeuge deutlich sinken wird. Für den dann seltenen Fall eines Unfalls stellt sich die Frage der Haftung. Das kürzlich von Bundestag und Bundesrat beschlossene Gesetz zum autonomen Fahren richtet sich zwar eher an Mobilitätsdienstleister als an Normalverbraucher, die darin enthaltenen Regelungen zur Haftungsfrage geben aber einen Hinweis darauf, wie der Gesetzgeber die Haftungsfrage auch im privaten Umfeld zukünftig regeln könnte.

Das bestehende und bewährte Haftungssystem wird auch für das autonome Fahren beibehalten. Wird beim Betrieb eines Autos ein Mensch verletzt oder eine Sache beschädigt, ersetzt die Kfz-Haftpflichtversicherung des Halters den Schaden. Anhand der Fahrzeugdaten muss dann ermittelt werden, ob wirklich der Halter oder bspw. ein Softwarefehler die Unfallursache war. Dies erfordert aufseiten der Versicherer wohl einige Anpassungen in der Schadenbearbeitung. Das eigentliche Geschäft der Risikotragung bliebe aber unberührt.

Die Fragen stellte VW-Redakteur David Gorr.

Das vollständige Interview lesen Sie in der aktuellen Ausgabe der Versicherungswirtschaft.

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