Kommentar: Die Zeichen in der Rückversicherung stehen auf Sturm

Quelle: Bild von Džoko Stach auf Pixabay

Münchener Hagel 1984, Wintersturmserie 1990, World Trade Center 2001, Hurrikan-Serie 2005, Fukushima 2011. Swiss-Re-Manager Frank Reichelt hat in seiner über 30 Jahre langen Karriere in der Rückversicherung eine Menge erlebt. Und nun Corona. Schätzungen liegen zwischen 50 bis 100 Mrd. US-Dollar an versicherten Schäden. Die Frage, die die Branche jetzt bewegt: Haben wir das Schlimmste bereits hinter uns?

Zumindest aus wirtschaftlicher Sicht gibt es bereits positive Signale. Das Swiss Re Institute sieht viele Volkswirtschaften auf dem Weg aus der Talsohle heraus. Nach dem globalen Einbruch 2020 von 7,5 Prozent, wird für 2021 ein Wachstum in Höhe von 4,8 Prozent prognostiziert. Für 2022 ist ein Erreichen des Zustandes vor Ausbruch der Corona-Krise möglich.

Die Risiken bleiben aber hoch: Führt eine zweite Welle zu einem Double-Dip (zweiter Einbruch nach einem Zwischenhoch)? Wie groß ist die Gefahr einer schnell anspringenden Inflation? Allerdings wird der Corona-Virus – selbst bei einer sehr raschen Erholung der Weltwirtschaft – unsere Gesellschaft noch länger begleiten und unseren Alltag nachhaltig verändern und neu prägen.

Rückversicherer werden ihre Kapitalkosten nicht erwirtschaften können

Die „Großwetterlage“ für eine kommende Erneuerungsrunde wird zumeist durch ein paar wenige Parameter bestimmt: Wie sehen die Ergebnisse der Rückversicherer des laufenden Jahres aus? Hat die Branche ihre Kapitalkosten in den letzten drei Jahren verdienen können? Wie viel Kapital – traditionell und nicht traditionell – steht der Branche für die Übernahme von Risiken gegenüber, welche Kapazitäten werden angeboten? Gibt es (neue) Risiken die (noch) nicht aktuariell modellierbar sind? Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Die Zeichen stehen auf Sturm.

Das laufende Jahr ist durch hohe Schäden infolge von Covid-19 geprägt. Angesichts der anhaltenden Krise ist es wenig überraschend, dass die Schadenschätzungen noch eine große Bandbreite haben. Aktuell liegen sie zwischen 50 bis 100 Mrd. US-Dollar an versicherten Schäden.

Es ist davon auszugehen, dass die Rückversicherungsbranche 2020 genau wie in den letzten Jahren ihre Kapitalkosten nicht erwirtschaften wird. Internationale Ratingagenturen haben den Outlook für die Branche bereits auf „negativ“ gesetzt. Demgegenüber ist das zur Verfügung stehende Kapital nahezu unverändert geblieben, es hat nur einen leichten Rückgang im einstelligen Prozentbereich gegeben. Kapazität wird daher in den meisten Sparten nach wie vor ausreichend zur Verfügung stehen, sieht man von einzelnen Spezialsparten ab, die durch Covid-19 besonders ins Rampenlicht gerückt wurden. Hier sind Veranstaltungsausfall-, Reise- und Reiseinsolvenzversicherung und die Kredit- und Kautionsversicherung zu nennen.

Schäden nahezu ausnahmslos aus eingenommenen Prämien zu bezahlen

Ein weiterer Faktor, der die Rückversicherungserneuerung beeinflussen wird, ist das Niedrig-Zinsniveau, maßgeblich hervorgerufen durch die Politik der Notenbanken bereits vor und nach dem Ausbruch der Corona-Krise. Aus volkswirtschaftlicher Sicht wird sich an den niedrigen, teils negativen Zinsen auch mittelfristig nichts verändern, damit die Staaten die Schulden, die sie zur Bekämpfung der Pandemie gemacht haben, auch finanzieren können. Niedrige Anlagerenditen machen sich insbesondere im langabwickelnden Haftpflichtgeschäft bemerkbar: Schäden sind nahezu ausnahmslos aus den eingenommenen Prämien zu bezahlen, Kapitaleinkünfte stehen – im Gegensatz zu früher – so gut wie nicht mehr zur Verfügung.

Die aktuelle Pandemie hat vielen Versicherungsnehmern und ihren Versicherern deutlich gemacht, dass vermeintlich klare Deckungszusagen im Schadenfall völlig konträr interpretiert werden. Neben unzufriedenen Kunden und zahlreichen Gerichtsverfahren hat dies der Versicherungswirtschaft einen nachhaltigen Reputationsverlust eingebracht. Die Unzulänglichkeiten in den Originalbedingungen haben auch für die Rückversicherungsverträge Unsicherheit gebracht: Was wird letztendlich gedeckt? Welche Exposures können sich aus einer Pandemie, einer Epidemie oder anderen Infektionskrankheiten ergeben?

„Die Unzulänglichkeiten in den Originalbedingungen haben auch für die Rückversicherungsverträge Unsicherheit gebracht.“

Frank Reichelt, Market Executive Northern, Central, Eastern Europe Swiss Re

Für die Beantwortung dieser und ähnlicher Fragen braucht es eine korrekte, vollständige und juristisch einwandfreie Ausgestaltung von Vertragstexten im Erst- und im Rückversicherungsbereich. Nur so wird die nötige Transparenz über gewährte Deckungen sicherzustellen sein.

Autor: Frank Reichelt, Market Executive Northern, Central, Eastern Europe Swiss Re

Den vollständigen Beitrag und mehr zum Thema lesen Sie in der neuen Augustausgabe der Versicherungswirtschaft.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

4 × 2 =