Kantak: „Wir wollen die Regeln zur Beitragsanpassung modernisieren, damit Sprünge vermieden werden“

Ralf Kantak. Quelle: SDK

Seit über einem halben Jahr steht Ralf Kantak an der Spitze des PKV-Verbandes. Für den Manager hat sich seitdem so einiges verändert – zum Beispiel, dass er heute deutlich mehr auf Reisen ist, von Berlin bis Brüssel, wie er selbst sagt. Seine Hauptaufgabe indes besteht darin, bestmögliche Lösungen für die aktuellen Themen zu finden. Wie diese aussehen könnten, erklärt er im exklusiven Interview mit dem Magazin Versicherungswirtschaft.

Versicherungswirtschaft: Herr Kantak, seit Juli 2019 führen Sie den PKV-Verband. Was hat sich für Sie persönlich und beruflich seitdem verändert?

Ralf Kantak: Ich bin deutlich mehr auf Reisen als vorher, von Berlin bis Brüssel. Das gehört bei einem politischen Interessenverband natürlich dazu, dass man viele persönliche Gespräche mit politischen Entscheidern führt, um unsere Argumente zu erläutern und bestmögliche Lösungen für die aktuellen Themen zu finden.

Dabei treffe ich viele sehr interessante Menschen, insofern macht das richtig Spaß – auch wenn die Gespräche manchmal nicht ganz einfach sind. Es gibt ja gelegentlich harte politische Kontroversen, aber auch die kann man auf menschlich angenehme und konstruktive Weise austragen. Bei diesen Gesprächen lernt man eine Menge. Und ich pflege noch intensiver als früher die Kontakte zu den Kollegen aus anderen Unternehmen unserer Branche, denn jeder Verband lebt vom gemeinsamen Nenner seiner Mitglieder.

Kurz nach Ihrem Antritt im Juli hat das Bundeskabinett das Digitale-Versorgungs-Gesetz verabschiedet. Damit können gesetzliche Krankenkassen u.a in Investmentfonds investieren, die wiederum in Start-ups investieren. Die privaten Krankenversicherer haben bereits ihre eigenen Venture-Capital-Fonds aufgelegt.

Innerhalb weniger Wochen ist es gelungen, bei den PKV-Unternehmen schon über 80 Mio. Euro für den Fonds zu mobilisieren. Damit wurde in kürzester Zeit das Zielvolumen von 100 Mio. Euro bereits weitestgehend gefüllt. Unser Venture-Capital-Fonds „heal capital“ ist damit jetzt startklar. Mit diesem Investitionskapital wollen wir nun gezielt die Qualität der medizinischen Versorgung vorantreiben, etwa bei digitalen Gesundheitsanwendungen, Telemedizin, digitaler Prävention oder Digitalisierung der Pflege.

Versicherungswirtschaft: Welche Innovationen haben denn Medizin-Start-ups in den vergangenen Jahren überhaupt vorgebracht?

Ralf Kantak: Man kann z.B. die Telemedizin nennen, die mit ihren Online-Sprechstunden den Zugang zu ärztlicher Versorgung erleichtert – und zwar zu jeder Zeit an jedem Ort, auch weitab der großen Zentren. Übrigens haben uns solche Start-ups berichtet, dass ihnen der Marktzugang vor allem dank der privaten Krankenversicherungen gelungen ist, die als einzige die Telemedizin von Anfang an erstattet haben.

Inzwischen findet sie auch Eingang in die GKV-Versorgung. Das zeigt einmal mehr, dass die Privatversicherten Zugang zu modernster Medizin haben – und dass die PKV damit als Türöffner für Innovationen wirkt. Denn sie kann für innovative Angebote einen raschen Zugang zum Markt bieten, weil sie systembedingt weniger Genehmigungsvorbehalte hat als die GKV. Und je rascher der Marktzugang, desto schneller kommen die neuen Angebote auch den GKV-Versicherten zugute. So erweist sich der Wettbewerb im dualen System von GKV und PKV als gut für alle.

Versicherungswirtschaft: Ende des Jahres wimmelte es in der Presse erneut von Artikeln, die darüber aufklären, wie Patienten dem „Beitragsschock“ der PKV entgehen. Haben Sie es nicht satt, sich für die Beitragserhöhungen zu rechtfertigen?

Ralf Kantak: Das Entscheidende sind seriöse Fakten – und wir haben es durchaus nicht „satt“, unverdrossen darüber zu informieren. Die Fakten zu den PKV-Beiträgen sind: Für Millionen PKV-Vollversicherte gibt es 2020 in der Krankenversicherung gar keine Erhöhung. Weniger als die Hälfte von ihnen hat unterschiedlich hohe Anpassungen – im Durchschnitt im niedrigen einstelligen Prozentbereich.

In Einzelfällen kann es höhere Anpassungen geben, aber auch Beitragssenkungen, abhängig vom Tarif und der individuellen Versicherungsbiografie. Zum vollständigen Bild gehört zudem, dass es im Jahr über 800 Mio. Euro Beitragsrückerstattungen gibt. Und Tatsache ist auch, dass in den letzten zehn Jahren die Beiträge pro Kopf in der PKV weniger stark gestiegen sind als in der GKV. Soweit die nüchternen Fakten – wobei es natürlich immer auch Einzelfälle gibt, die aufgrund besonderer Rahmenbedingungen abweichen.

Versicherungswirtschaft: Die Medien stellen es manchmal nur anders dar …

Ralf Kantak: Ich habe lernen müssen, dass auch in führenden Medien heute das Regiment des sogenannten Clickbaiting herrscht – also knallige, möglichst dramatische Headlines, egal wie der tatsächliche Sachverhalt ist. Ob das auf Dauer mit dem Anspruch an Qualität und Relevanz vereinbar ist, müssen die Medien gegenüber ihren Nutzern verantworten.

Redaktionsleiter Michael Stanczyk spricht im Kurzvideo über den spannenden Jahresauftakt 2020 und die neue Februarausgabe des Magazins Versicherungswirtschaft

Versicherungswirtschaft: Seit Jahren geht die Anzahl der privat Vollversicherten zurück, während die Zusatzabsicherung ungebremst nachgefragt wird. Kann die PKV allein damit gute Geschäfte machen?

Ralf Kantak: Wir wachsen Jahr für Jahr. 2019 haben wir die Gesamtzahl von 35 Millionen Versicherten überschritten – das heißt, mehr als 40 Prozent der Bevölkerung sind inzwischen privat krankenversichert. Zehn Jahre vorher waren es rund 30 Millionen. In der Vollversicherung gibt es seit 2012 einen leichten Rückgang um insgesamt rund 2,5 Prozent.

Versicherungswirtschaft: Sehen Sie als PKV-Vorsitzender Bereiche, wo die privaten Krankenversicherer tatsächlich sich aus Kundensicht verbessern könnten?

Ralf Kantak: Wir sind mit Hochdruck unterwegs, um die neuen Möglichkeiten der Digitalisierung zu erschließen, von Rechnungs-Apps bis hin zur Telemedizin und völlig neuen Versorgungsformen. Und immer mehr Privatpatienten erwarten von ihren Versicherern heute kompetente Beratung auf dem Weg zur optimalen ärztlichen Behandlung, also mehr medizinisches Versorgungsmanagement.

Viele PKV-Unternehmen haben da bereits vorbildliche Programme im Angebot, insbesondere für chronisch Erkrankte. Da kann und wird aus der Branche noch viel mehr kommen. Wir werden auch nicht nachlassen in unserem Druck auf die Politik, damit wir Verbesserungen durchsetzen, für die wir gesetzliche Änderungen benötigen.

Versicherungswirtschaft: Zum Beispiel?

Ralf Kantak: Wir wollen die Regeln zur Beitragsanpassung modernisieren, damit Beitragssprünge vermieden werden können. Unsere Vorschläge werden auch von Verbraucherschützern unterstützt, doch sie scheitern bisher am Veto der SPD. Und wir wollen den PKV-Standardtarif als gut funktionierenden Sozialtarif auch für Neuversicherte seit 2009 wieder öffnen, damit wir bei finanziellen Problemlagen optimal helfen können.

Versicherungswirtschaft: Sie haben von den neuen Möglichkeiten der Digitalisierung gesprochen. Welche Chancen und Risiken für die PKV im Allgemeinen und im Vertrieb im Speziellen sehen Sie durch die Digitalisierung?

Ralf Kantak: Die Digitalisierung bringt uns weitaus mehr Chancen als Risiken. Die PKV-Unternehmen sind hier wie gesagt mit Hochdruck unterwegs. Zum einen, weil es die Kunden so erwarten. Zum anderen, weil wir damit auch die internen Arbeitsprozesse weiter verbessern können – und müssen, wenn wir wettbewerbsfähig bleiben wollen. Weil der Vertrieb zu den Kernelementen des Wettbewerbs zwischen den PKV-Mitgliedsunternehmen gehört, kann ich als Verbandsvorsitzender dazu wenig Spezielles sagen.

Generell gilt: Gerade die Private Krankenversicherung ist und bleibt ein sehr individuelles und vielseitiges, daher zugleich ein besonders beratungsintensives Produkt. Hier kommt es umso mehr auf kompetente Berater im Vertrieb an, die durch digitalisierte Informationsangebote und Konfigurationshilfen sehr gut unterstützt, aber nicht ersetzt werden können.

Die Fragen stellte VW-Redakteur David Gorr.

Das vollständige Interview mit Statements zum Geschäft der SDK lesen Sie in der neuen Februarausgabe der Versicherungswirtschaft.