Erste Frau gründet Versicherer: Was Marie-Luise Meinhold mit Verde vor hat

Quelle: Pixabay

Frauen als Unternehmensgründerinnen in der Versicherungsbranche? Bislang ist dies noch die große Ausnahme. Nun will das Münchener Insurtech Verde den deutschen Versicherungsmarkt mit nachhaltigen, sozialen Sachversicherungen versorgen. Hinter der Idee steckt die 49-jährige Biologin und Ökonomin Marie-Luise Meinhold, der nach eigener Aussage ersten Frau, die in Deutschland ein Versicherungsunternehmen gegründet hat.

„Unsere größte Herausforderung ist, dass viele Menschen Geld nicht mit Nachhaltigkeit in Verbindung bringen. Das Thema Versicherungen kommt nicht viel besser bei den Menschen an. Das wollen wir ändern! Denn positives Geld bedeutet positive Investitionen, beispielsweise in erneuerbare Energien, Bio-Landwirtschaft, den Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs oder auch sozialen Wohnungsbau. Und das brauchen wir! Wie gesagt: die Investitionen von heute entscheiden über die Zukunft von morgen“, erklärt die ehemalige Allianz-Managerin im Interview mit Munich Startup ihre Motivation.

Gegründet wurde das Unternehmen bereits im November 2016 als Verde Genossenschaft. Im Dezember dieses Jahres soll über die mittlerweile ebenfalls gegründete Verde AG mit einer Fahrradversicherung der erste nachhaltige Tarif auf den Markt kommen. Die Kunden sollen dabei nach den Plänen der Unternehmensgründerin im Schadensfall einen Zuschlag von bis zu 20 Prozent auf den Kaufpreis ausgezahlt erhalten. Ab einer Schadenfreiheit von drei Jahren sollen zudem Beiträge erstattet werden. „Kunden bekommen darüber hinaus mit dem Vertragsabschluss ein Fahrradschloss geliefert, das wir in diesem Jahr entwickelt haben“, wird Meinhold bei Procontra-Online zitiert.

Die Ziele scheinen jedenfalls ehrgeizig: Mit dem entsprechenden Kapital soll Verde mittelfristig zu einem Sachversicherer mit breitem Produktportfolio ausgebaut werden. „Dann wollen wir auch auf Vermittler setzen“, so Meinhold. Dabei achte man „streng auf Transparenz und Nachhaltigkeit. Und zwar im Unternehmen, bei unseren Produkten und – und das ist wichtig – bei der Verde-Kapitalanlage. Wir prüfen genau, welche Wirkung unsere Investitionen haben und welche Unternehmen oder Projekte dadurch unterstützt werden. Wir legen unsere gesamte Kapitalanlage offen. Und wie garantieren wir, dass das so bleibt? Durch unsere Genossenschaft natürlich“, konstatiert die Versicherungsmanagerin.

Nachhaltigkeit liegt im Trend

Immerhin: Nachhaltigkeit spielt bei den Bundesbürgern in Fragen der Geldanlage durchaus eine relevante Rolle. Voraussetzung ist jedoch, dass am Ende auch die Rendite stimmt. Zu diesem Ergebnis kam jüngst eine Umfrage des Marktforschungsinstituts Toluna im Auftrag der Zurich Deutschland.

Demnach legen zwei Drittel (68 Prozent) der befragten Bundesbürger bei der Geldanlage Wert auf Nachhaltigkeit. Bei den jüngeren Deutschen zwischen 18 und 35 Jahren würden sogar drei Viertel (75 Prozent) eine nachhaltige Geldanlage bevorzugen. Im direkten Produktvergleich allerdings würde die jüngere Generation auf nachhaltige Produkte setzen, wenn bei der Rendite nicht verzichtet werden muss. 15 Prozent der Bundesbürger sagen sogar, sie würden ausschließlich in nachhaltige Geldanlagen investieren.

Allein für den deutschen Versicherungsmarkt beziffert Lars Fuchs, Bereichsleiter Maklervertrieb beim Versicherer Rhion Digital, die Zahl der potenziellen Käufer nachhaltiger Policen auf bis zu zehn Millionen Personen, welche der Versicherungsvertrieb in den nächsten fünf bis zehn Jahren zum Vertragsabschluss bewegen könnte.

Laut einer Analyse des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) wollen immerhin rund 90 Prozent der Mitgliedsunternehmen Nachhaltigkeitsaspekte verstärkt in ihrer Kapitalanlage berücksichtigen. Demnach hätten die Unternehmen als langfristige Investoren ein „natürliches Interesse an ökonomisch nachhaltigen Kapitalanlagen.“ Mittlerweile heute beachte die Mehrheit der Versicherer daher Nachhaltigkeitsziele bei der Anlage ihrer Kundengelder am Kapitalmarkt.

Ein Beispiel: Immer mehr Versicherer steigen allmählich aus Kohlegeschäft aus. Die Zahl der Versicherer, die die Absicherung von Kohle eingeschränkt haben, hat sich seit Beginn dieses Jahres verdoppelt. Zwei große Unternehmen schreiten dynamisch vorneweg, zwei weitere namhafte Häuser trotten mürrisch hinterher.

Inzwischen haben 17 der weltweit größten Versicherer Kohlegeschäfte reduziert. Sie kontrollieren rund 46 Prozent des Rückversichungs- und knapp zehn Prozent des Direktversicherungsmarktes. Dies ist das Ergebnis der dritten Klimaanalyse zur Versicherungsindustrie des globalen NGO-Netzwerks Unfriend Coal, dessen deutsches Mitglied Urgewald ist.

Immerhin plädierte die Allianz nun vor dem Hintergrund des Weltwirtschaftsforums in Davos für weltweit feste Regeln bei nachhaltige Kapitalanlagen. „Wir können das in Paris vereinbarte Ziel nur erreichen, wenn alle zehn Jahre der CO2-Ausstoß halbiert wird“, betonte Allianz-Investmentchef Günther Thallinger gegenüber der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX. Daher müsse auch der Fußabdruck des Anlageportfolios alle zehn Jahre um die Hälfte sinken. „Die Messung dafür muss einheitlich definiert werden, ein globaler Standard wäre ideal“, so Thallinger.

Gemeinsam mit großen Finanzinvestoren hat die Allianz sich verpflichtet, Anlagebestände bis 2050 auf Netto-Null-Treibhausgasemissionen umzustellen. Die von den UN unterstützte „Net-Zero Asset Owner Alliance“ wurde bereits im September 2019 ins Leben gerufen. Deren Mitglieder – darunter die Allianz und die Swiss Re – offiziell dazu verpflichtet, ihre Anlageportfolios in Höhe von 2,4 Billionen US-Dollar bis 2050 klimaneutral zu gestalten. Damit verbunden ist das Ziel, die Unternehmen in ihrem Portfolio in den kommenden drei Dekaden zur Klimaneutralität zu bewegen.

Autor: VW-Redaktion

Ein Kommentar

  • Kleine Korrektur: Die erste Frau, die eine Versicherungsgesellschaft gegründet hat, war „Frl.“ Dr. Ochs im Jahre 1926. Sie gründete damals in Berlin die TELA Versicherung für Schwachstromanlagen, die bis zur Übernahme durch die Allianz und Münchner Rück bis ins Jahr 2001 bestand.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

acht + 6 =