Brahm: „Regierung kann nicht das ganze Gesundheitssystem aus ideologischen Gründen über den Haufen werfen“

Debeka-Chef Thomas Brahm. Quelle: Debeka

Die private Krankenversicherung (PKV) gerät wieder in den Fokus der Politik. Vor dem Hintergrund des milliardenschweren Defizits in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung denkt die Ampelkoalition wohl über eine höhere Beitragsbemessungsgrenze nach. Kritik kommt aus der Branche.

Wie das Handelsblatt unter Berufung auf Regierungskreise berichtet, befürworte die SPD die Anhebung auf das Niveau der Rentenversicherung. Dieses liegt derzeit bei 7.100 Euro in den neuen Bundesländern und 7.300 Euro in den alten Ländern. „Dies würde für die gesetzliche Krankenversicherung deutliche Mehreinnahmen bedeuten und – anders als höhere Beitragssätze – lediglich Gutverdiener belasten“, wird Maria Klein-Schmeink, stellvertretende Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag, zitiert.

Ein Grund liege laut Bericht wohl darin, dass Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) nicht auf zusätzliches Geld aus dem Bundesfinanzministerium hoffen könne, um die maroden Sozialversicherungszweige zu sanieren und neue Vorhaben zu finanzieren. So hat die FDP die Pläne – erwartungsgemäß – bereits abgelehnt, auch weil sie am dualen System aus gesetzlicher und privater Krankenversicherung (PKV) rütteln würden.

„Der Finanzminister sieht sich derzeit nicht in der Lage, dafür Mittel bereitzustellen. Weil Leistungskürzungen keine Alternative sind, müssen wir die Einnahmen der Sozialversicherung verbessern.“

Dagmar Schmidt, stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende im Deutschen Bundestag, im Handelsblatt

Scharfe Kritik an den Plänen gab es – ebenfalls erwartungsgemäß – auch aus der Branche. „Wie es jetzt läuft, kann es nicht weitergehen. Minister Lauterbach fährt das Gesundheitssystem finanziell vor die Wand“, kritisierte PKV-Präsident und Debeka-CEO Thomas Brahm im Interview mit dem Handelsblatt. So wären die Pläne von SPD und Bündnis 90/Die Grünen, „eine Bürgerversicherung durch die Hintertür und das lehnen wir ab“. Vielmehr würden die Pläne dazu führen, „dass mehr Geld in ein System kommt, das nicht zukunftsfähig ist.“

So könne die Bundesregierung „nicht das ganze Gesundheitssystem aus ideologischen Gründen über den Haufen werfen. Das wäre politischer Wahnsinn und nur zu finanzieren über horrende Staatsschulden. Das wäre gegenüber nachfolgenden Generationen unverantwortlich“, betont Brahm. Dabei kam auch Bundesfinanzminister Lauterbach nicht an Kritik vorbei: Dieser fahre „das Gesundheitssystem finanziell vor die Wand. Er verspricht neue Leistungen – wie etwa jetzt in der Pflege -, bleibt aber eine solide Finanzreform schuldig. Das ist das Gegenteil von Nachhaltigkeit und es geht zulasten der jüngeren Generationen. Wir brauchen mehr kapitalgedeckte Vorsorge – in der Krankenversicherung ebenso wie in der Pflegeversicherung. Unsere Vorschläge dazu liegen auf dem Tisch.“

„Die Anhebungen kommen dann nachträglich für mehrere Jahre in einem Schwung. Wer plötzlich zehn Prozent mehr zahlen muss, ärgert sich natürlich. In den Nullrunden der Jahre davor haben die Versicherten aber gespart. Unsere Berechnungen zeigen sogar, dass die PKV-Beiträge im Schnitt in den vergangenen 20 Jahren weniger stark gestiegen sind als in der gesetzlichen Versicherung.“

Thomas Brahm, Präsident des PKV-Verbandes und CEO der Debeka, im Handelsblatt-Interview

Zudem sei er der Ansicht, dass „man die Eigenverantwortung der Versicherten stärken sollte. Wir haben in der PKV gut funktionierende Mechanismen wie Selbstbehalte oder Beitragsrückerstattung bei Leistungsfreiheit. Das könnte man sich natürlich auch in der GKV vorstellen.“ Mit Blick auf die jüngste Debatte um Beitragerhöhungen in der PKV betonte Brahm, dass die Beiträge „bei etwa 550 Euro“ liegen würden. Dies sei „weniger, als ein Durchschnittsverdiener in der Gesetzlichen zahlt. Stärkere Erhöhungen kommen dadurch zustande, dass wir die Beiträge erst ab einer gewissen Kostenschwelle anheben dürfen.“

Bert Rürup, Präsident des Handelsblatt Research Institute, sieht hingegen laut Bericht durchaus Vorteile in den Plänen von SPD und Grünen. So handele es sich zwar um eine „Maßnahme zulasten der PKV“ und besserverdienender GKV-Versicherter. Allerdings dienten die Vorschläge aber „der finanzwirtschaftlichen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung“ und wirkten höheren Beitragssätzen und Steuerzuschüssen entgegen.

Autor: VW-Redaktion

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