Heftige Kritik an Plänen zur Solvency-II-Überarbeitung

Die EU-Kommission in Brüssel, Quelle: Jai79/ Pixabay
Die EU-Kommission will den Versicherungs- und Rückversicherungssektor widerstandsfähiger machen. Im Rahmen des Entwurfs zur Überarbeitung des Eigenkapitalregimes Solvency II sollen etwa für bestimmte kleinere Versicherer vereinfachte Regeln eingeführt werden. Es ist die bislang größte Überarbeitung des 2016 eingeführten Rahmenwerks. Fragen zu künftigen Kapitalanforderungen für langfristige Zins- und Kapitalmarktrisiken und die Extrapolation der Zinsstrukturkurve bleiben offen.
Das von der EU-Kommission vorgelegte Paket umfasst eine Änderung der Solvency-II-Richtlinie sowie den Entwurf für eine neue Richtlinie zur Abwicklung von Versicherungen. Wichtige Teile des Versicherungsrahmenwerks sind jedoch in delegierten Rechtsakten festgelegt, die ebenfalls angepasst werden sollen. Hierzu hat die EU-Kommission jedoch heute noch keine konkreten Entwürfe präsentiert, sondern nur ihre Absichten umrissen.
Der Kommissionsvorschlag führt mehrere neue Elemente in das Rahmenwerk ein, etwa ein Abwicklungsregime für angeschlagene Versicherer, makroprudenzielle Instrumente für die Aufsichtsbehörden oder ein vereinfachtes Rahmenwerk für risikoarme Versicherer.
Klimarisiken sollen Versicherer künftig in ihrem internen Risikomanagement mittels Szenariorechnungen untersuchen. Außerdem wird die Eiopa beauftragt, bis 2023 in einem Bericht mögliche Anpassungen der Kapitalanforderungen im Hinblick auf Nachhaltigkeitsrisiken vorzuschlagen.
Der Entwurf würde laut GDV die Tür für mehr Klimaschutz, mehr Nachhaltigkeit und den Beitrag der Versicherer für den Green Deal öffnen. Eine Vorzugsbehandlung für grüne Investments sei aber aus Sicht der Finanzstabilität nicht zielführend. Solvency II müsse risikobasiert bleiben. Grüne Investitionen seien nicht automatisch risikolos.
„Für kleine Versicherer gibt es im Entwurf der EU-Kommission einige Erleichterungen. Das Proportionalitätsprinzip wird gestärkt. Das ist ausdrücklich zu begrüßen, man könnte aber noch weiter gehen, zum Beispiel Erleichterungen bei den Berichtspflichten“, erklärt der GDV weiter.
Ziel ist der Überprüfung sei es, den Beitrag der europäischen Versicherer zur Finanzierung des Aufschwungs zu stärken, die Kapitalmarktunion voranzutreiben und Mittel für den Europäischen Green Deal bereitzustellen. Kurzfristig könnte in der Europäischen Union Kapital in Höhe von schätzungsweise 90 Mrd. Euro freigesetzt werden.
Laut EU-Kommission sollen die Änderungen Verbraucher besser schützen und sicherstellen, dass die Versicherungsunternehmen auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten solide bleiben. Versicherer sollen zudem einen Anreiz erhalten, mehr in langfristiges Kapital für die Wirtschaft zu investieren.
Darüber hinaus sollen Aufsichtsbefugnisse ausgeweitet werden, vor allem bei grenzüberschreitenden Geschäften. Negative Zinsen können künftig korrekt berücksichtigt werden, außerdem werden die hohen kalkulatorischen Langfristzinsen bis 2032 schrittweise auf ein etwas realistischeres Niveau abgesenkt.
Der GDV kritisiert den Entwurf auch mit Blick auf die Kapitalanforderungen. Diese seien entscheidend für langlaufende Produkte wie Lebensversicherungen. „Sollte der Gesetzgeber die Anforderungen hier überziehen, sinken die Renditechancen, Altersvorsorge würde für Kunden teurer.“
Sven Giegold, finanzpolitischer Sprecher der Fraktion Grüne/EFA im Europäischen Parlament, moniert, dass die europäischen Versicherungsregeln löchrig wie ein Schweizer Käse blieben. „Die EU-Kommission verpasst heute die Chance, Solvency II endlich strikt evidenzbasiert zu machen. Stattdessen bleiben die meisten lobbygetriebenen Ausnahmen erhalten oder werden sogar noch ausgebaut. Die EU-Kommission setzt sich über die Empfehlungen von Eiopa hinweg und schenkt der europäischen Versicherungsbranche eine rasche Kapitalerleichterung von 90 Milliarden Euro“, so der Politiker.
„Versicherungen können als langfristige Investoren eine bedeutende Rolle für den europäischen Green Deal spielen. Nachhaltigkeit bedeutet aber auch, dass die Rechte der Versicherten und die Finanzstabilität geschützt sind. Das funktioniert nur mit ehrlicher Risikomessung und angemessener Kapitalausstattung. Die Vorschläge der EU-Kommission gehen hier insgesamt in die falsche Richtung.“
Bei den Nachhaltigkeitsrisiken bleibe die EU-Kommission laut Giegold hinter ihren eigenen Ankündigungen aus der Sustainable-Finance-Strategie und den Standards im Bankenbereich zurück. Die Berücksichtigung von Klimarisiken allein im internen Risikomanagement der Versicherer genüge nicht. Langfristig eingegangene Nachhaltigkeitsrisiken müssten sich auch regulatorisch auswirken. Außerdem müssten die Aufsichtsbehörden Nachhaltigkeitsrisiken bewerten und bei Bedarf Kapitalaufschläge verhängen, wie es im SREP bei den Banken bereits üblich ist. Es sei zu wenig, Eiopa nun „den x-ten Expertenbericht erstellen zu lassen und das Thema erneut auf Jahre zu vertagen“.
Autor: VW-Redaktion