PKV wehrt sich gegen Bürgerversicherungspläne

Stefan Reker, Geschäftsführer Kommunikation beim PKV-Verband. Quelle: PKV-Verband

Kommt die Bürgerversicherung oder nicht? Laut einer jüngsten Umfrage des ARD-Magazins Monitor sind rund zwei Drittel der Bundesbürger dafür. Widerspruch gibt es – erwartungsgemäß vom PKV-Verband: „Bei derartigen Umfragen empfiehlt es sich bekanntlich immer, sich die genaue Fragestellung anzusehen – denn wer die Frage bestimmt, beeinflusst damit meist auch schon die (gewünschte) Antwort“, glaubt Stefan Reker.

So habe die Frage gelautet: „Um Leistungen der medizinischen Grundversorgung zu erhalten, sind die meisten Personen in Deutschland über die gesetzliche Krankenversicherung abgesichert. Selbstständige, Beamte und sozialversicherungspflichtig beschäftigte Arbeitnehmer mit einem Jahresgehalt von mindestens 64.000 Euro können sich auch privat krankenversichern. Wie stehen Sie zur Einführung einer sogenannten Bürgerversicherung: Diese sieht vor, dass alle Bürgerinnen und Bürger einen bestimmten Teil ihres Einkommens in eine Krankenversicherung einzahlen und Anspruch auf dieselben Leistungen haben?“

So erwecke die Fragestellung „den Eindruck, es könnte für die gesetzlich Versicherten günstiger werden, wenn man auch die vermeintlich Besserverdienenden einbezieht. Doch dieser schöne Schein hat in Wahrheit viele Risiken und Nebenwirkungen“, konstatiert der Kommunikationschef des Verbandes in einem Zwischenruf auf LinkedIn.

Was viele nicht wissen würden: „In einer Bürgerversicherung müssten auch gesetzlich Versicherte deutlich mehr bezahlen als heute. Denn wären alle Privatversicherten in der GKV, würden jeder Arztpraxis mehr als 55.000 Euro pro Jahr verloren gehen – das medizinische Versorgungsniveau würde massiv leiden. Deshalb erklären selbst SPD und Grüne, dass diese Mittel der medizinischen Infrastruktur nicht entzogen werden dürfen. Eine Kompensation sei unabdingbar. Mehrere namhafte Gesundheitsökonomen haben berechnet, dass sich in diesem Fall der Beitragssatz in der GKV um rund 0,5 Prozentpunkte erhöhen würde.“

Zudem habe das ARD-Magazin „die Befragten auch nicht darüber informiert, dass die Bürgerversicherungs-Pläne zugleich eine höhere Beitragsbemessungsgrenze für alle gesetzlich Versicherten sowie eine Beitragspflicht auf alle Einkunftsarten enthalten. Dadurch wären für viele Beschäftigte und Arbeitgeber im Ergebnis sehr viel höhere GKV-Beiträge fällig als bisher – und insbesondere die Rentner müssten plötzlich auch zusätzliche Beiträge auf ihre eigenen Ersparnisse zahlen.“

„Übrigens: Trotz der tendenziösen Fragestellung haben 31 Prozent der Befragten nicht für die Bürgerversicherung votiert. Das sind dreimal mehr Menschen als es Privatversicherte gibt, denn der Anteil der PKV-Vollversicherten in Deutschland beträgt etwa 10 Prozent. Diese Menschen sehen offenbar die Vorteile des dualen Systems für alle, obwohl sie selbst gar nicht von der PKV profitieren.“

Stefan Reker, Leiter des Bereiches Kommunikation im PKV-Verband

Laut einer repräsentativen Umfrage von Infratest dimap im Auftrag des ARD-Magazins Monitor würden 69 Prozent der Befragten die Einführung einer Bürgerversicherung „gut“ oder „sehr gut“ finden. Überraschend sei dabei auch, dass selbst unter den Anhängern von Union (68 Prozent) und FDP (62 Prozent) eine deutliche Mehrheit der Befragten die Einführung einer Bürgerversicherung befürwortet. SPD, Grüne und Linke sprechen sich in ihren Wahlprogrammen für eine Bürgerversicherung aus, Union und FDP sind dagegen.

Autor: VW-Redaktion

4 Kommentare

  • Unfassbar, wie die Branche sich die PKV wieder schön redet. Das unser Gesundheitssystem überarbeitet werden muss, sollte doch jedem klar sein. Die Angst vor Neuem ist allgegenwertig. Als ob ein Wechsel in der Bundesregierung durch Rot + Grün sofort dazu führen würde, dass gleich zeitnah die Bürgerversicherung kommt. Wir brauchen eine neue und andere Politik. Wir leben in einer Demokratie und die Ungerechtigkeit in unserem Gesundheitssystem hat sicherlich schon Jeder in der Praxis live erlebt. Der PKV versicherte erhält stets Vorrang. Das System der PKV ist in keinster Weise gerecht. Es ist die Sparte mit den höchsten Beitragseinnahmen und der einzige Grund warum die Branche aufschreit.

  • Wenn man bedenkt, was der Durchschnittsbürger von der PKV weiß, so ist die Beurteilung damit zu vergleichen, dass ein stark in der Sicht beeinträchtigter in der Kunstgalerie zum Gutachter wird. Das System muss reguliert werden. Es ist aber nicht ungerecht, wie der Kollege vor mir schreibt. Die höchsten Beitragseinnahmen hat noch immer die gesetzliche Kasse, denken wir, dass wir vor einer historischen Beitragsanpassung stehen und auch jetzt schon mit Zusatzbeitrag und Pflegeversicherung die 1000 Euro „kratzen“

  • Solange ein fiktiver GKV-versicherte Geschäftsführer mit 100.000 Euro Gehalt (kinderlos, Ehefrau nicht berufstätig) weniger Beitrag zahlt, als seine beiden miteinander verheirateteten Angestellten zusammen (auch kinderlos) mit je 40.000 EUR Jahresgehalt, liegen die Probleme der GKV an ganz anderer Stelle.

  • Die Tatsache, das ein sozialversicherungspflichtiger Arbeitnehmer lediglich aus seinen Arbeitseinkünften Beitrag in die GKV bezahlen muß, nicht aber für alle weiteren regelmäßig erzielten Einkünfte wie solche aus Vermietung, Verpachtung oder Kapitalerträgen steht im krassen Gegensatz zu der Situation eines Selbständigen in der GKV. – Die meisten Verträge in der PKV werden mit Selbstbehalten geführt. Würde wir die PKV abschaffen hätten auch die jetzt PKV-Versicherten Zugang zur „Vollkaskoversorgung“ ab dem ersten Euro an Kosten. Das würde die Beiträge sehr schnell nach oben treiben. – Die in der PKV gebildeten Alterungsrückstellungen sind Eigentum der Versicherten. Eine Übertragung dieser Kapitalwerte in die GKV käme einer ungerechtfertigten Enteignung gleich. – Und zuletzt handelt es sich bei den Mitarbeitern der PKV-Gesellschaften um Arbeitskräfte deren Beschäftigungsgrundlage aufgelöst würden. – Die eventuelle Bevorzugung eines PKV-versicherten bei der ärztlichen Behandlung wird von den Ärzten initiiert da höhere Sätze aus GOÄ oder GOZ abgerechnet werden können. – Ein Reformansatz sollte zunächst bei den GKV’en erfolgen und die zuweilen seltsamen Zusatzleistungen auf den Prüfstand stellen. Kostenerstattung für Freizeitaktivitäten können keine medizinisch notwendige Maßnahmen sein. Dieser Wettbewerb unter den GKV’en
    treibt zuweilen sehr seltsame Blüten. Auch die GKV’en sollten von der BaFin kontrolliert und überprüft werden um sicherzustellen das mit den Beiträgen der Mitglieder kein Unfug getrieben werden kann.

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