Garantien in der betrieblichen Altersvorsorge: Sind 100 Prozent das Maß der Dinge?

Quelle: Bild von Bruno /Germany auf Pixabay
Die Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung ist – glaubt man den steten Verlautbarungen – ein Herzensanliegen der Politik. Durch die Niedrigzinsphase wird allerdings die Darstellung einer 100-Prozent-Beitragsgarantie immer schwieriger und wahrscheinlich nach Absenkung des Höchstrechnungszinses ab 1. Januar 2022 unmöglich. Schon heute werden daher fast flächendeckend auch für die betriebliche Altersversorgung Tarife mit abgesenkten Garantien angeboten.
Ist das arbeitsrechtlich zulässig? Und wenn ja, was ist zu beachten? Der renommierte Rechtsanwalt Uwe Langohr-Plato, der sich seit Jahrzehnten auf die betriebliche Altersversorgung spezialisiert hat, gibt dazu im Gespräch mit Henriette Meissner, Mitherausgeberin des Kompass 2/2021 zum Thema „Abgesenkte Garantien, Sicherheit, Rendite, (betriebliche) Altersvorsorge und Niedrigzins“.
Henriette Meissner: Ist in der betrieblichen Altersversorgung arbeitsrechtlich nicht ohnehin immer eine 100–Prozent-Beitragsgarantie vorgeschrieben? Oder gibt es aus Ihrer Sicht Spielräume?
Uwe Langohr-Plato: Eine 100-prozentige Beitragsgarantie wäre zwar wünschenswert, aber auch das Arbeitsrecht kann wirtschaftliche Rahmenbedingungen nicht negieren. Der Jurist kennt ja das rechtliche Kriterium der „Unmöglichkeit“: § 275 Abs. 1 BGB regelt ausdrücklich, dass der Anspruch auf Leistung ausgeschlossen ist, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist. Wenn aufgrund des aktuellen Zinsniveaus unter Berücksichtigung der Kosten einer Lebensversicherung ein Beitragserhalt faktisch nicht mehr möglich ist, dann kann auch das Arbeitsrecht nicht dazu zwingen, dem Arbeitgeber eine Haftung hierfür aufzuerlegen.
Im Übrigen: bereits in der Vergangenheit war auch unter Anwendung des gesetzlichen Höchstrechnungszinses bei klassischen Lebensversicherungsprodukten, die unzweifelhaft von allen Beteiligten als beitragsorientierte Leistungszusage/Versicherung anerkannt worden ist, in vielen Fällen das bei Rentenbeginn vorhandene Kapital niedriger als die Summe der eingezahlten Beiträge. Dieses Phänomen ist also bereits länger bekannt, wird aber aktuell durch die Diskussion um abgesenkte Beitragsgarantien transparent und damit auch von einer breiteren Masse wahrgenommen.
Henriette Meissner: Gibt es eine absolute Untergrenze oder reicht es, einen Euro zu garantieren?
Uwe Langohr-Plato: Wie bereits eingangs ausgeführt, schützt § 275 Abs. 1 BGB nur vor der Haftung für eine unmögliche Leistung. Dies bedeutet, dass der Arbeitgeber auch unter Berücksichtigung seiner gegenüber den Beschäftigten bestehenden Fürsorgepflicht verpflichtet ist, eine Versicherung auszuwählen, die auf Basis des versicherungsmathematischen Äquivalenzprinzips und unter Verwendung angemessener, branchenüblicher Rechnungsgrundlagen kalkuliert worden ist.
Eine nur Ein-Euro-Garantie wäre daher in jedem Fall unangemessen. Derzeit pendeln sich in der Branche Beitragsgarantien bei 80 bis 90 Prozent ein. Dies halte ich angesichts des aktuellen Zinsniveaus angemessen und aktuell auch für rechtlich akzeptabel. Alles, was darunter liegt, ist dagegen mit rechtlichen Risiken behaftet, zumal eine höhere Beitragsgarantie ja aktuell nicht unmöglich ist.
Henriette Meissner: Wenn man eine BOLZ mit abgesenkten Garantien anbietet, auf was sollte man konkret achten, vor allem im Hinblick auf sogenannte „Störfälle“, wie z.B. Insolvenz oder Beitragsfreistellungen?
Uwe Langohr-Plato: Was die „Störfälle“ anbelangt sehe ich hier das Hauptproblem bei der Gestaltung von Versicherungsverträgen, die zur Finanzierung einer BOLZ dienen sollen. Viele Versicherungsbedingungen sind nur darauf ausgelegt, die zugesagte Altersversorgung BOLZ-konform zu gestalten. Die BOLZ ist aber mehr, sie umfasst die gesamte Zusage des Arbeitgebers mit ihren einzelnen Zusagekomponenten. Das schließt eine z.B. nur endfällige Garantie einer Mindestleistung aus. Auch im Störfall muss eine garantierte Mindestleistung vorhanden sein. So schaut z.B. der PSV – wie dem Verfasser aus von ihm betreuten Mandaten bekannt ist – bei sogenannten versicherungsgebundenen Zusagen sehr genau darauf, dass auch im Falle der (insolvenzbedingten) Beitragsfreistellung eine garantierte Mindestleistung vorhanden ist, die den vom BAG aufgestellten Kriterien für eine BOLZ entspricht.
Und wer nun meint, dass der PSV für die Direktversicherung irrelevant ist, der denkt zu kurz. Denn die Versicherungsbedingungen, die bei einer rückgedeckten Unterstützungskasse oder Pensionszusage zur Anwendung kommen, sind in aller Regel die gleichen, die auch bei der Direktversicherung zur Anwendung kommen. Von daher hätte ein vom PSV angestrengtes Gerichtsverfahren durchaus auch präjudizielle Wirkung für die Direktversicherung.
Ferner sind die Anforderungen an eine BOLZ auch für die vorzeitigen Risiken zu beachten. Ein Versicherungstarif, der zwar für die Altersversorgung eine BOLZ-konforme garantierte Mindestleistung vorsieht, im Todesfall aber für den Hinterbliebenenschutz das im Todesfall vorhandene Versorgungskapital nach den dann geltenden versicherungsmathematischen Rechnungsgrundlagen verrentet, genügt in Bezug auf die Hinterbliebenenleistung gerade nicht den Anforderungen an eine BOLZ. Hierauf wird in der Praxis aktuell noch zu wenig geachtet.
Autor: VW-Redaktion