Brexit: No Deal, No Problem für die Versicherer
Der Brexit-Vertrag sorgt weiter für Ärger. So will die nordirische Partei DUP nun juristisch gegen den Deal vorgehen. Der Partnerschaftsvertrag zwischen EU und Großbritannien enthält kein Handelsabkommen für die Versicherungswirtschaft. Welche Folgen ergeben sich daraus? Eine Analyse von Olaf Seidel und Frank Püttgen.
Nach dem zum 31. Januar 2020 erfolgten Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU und dem Ablauf der Brexit-Übergangsfrist zum 31. Dezember 2020 ist der zwischen derEU und dem Vereinigten Königreich quasi in letzter Minute abgeschlossene Partnerschaftsvertrag zum 1. Januar 2021 vorläufig in Kraft getreten. Beidseits des Ärmelkanals ist der Last-Minute-Deal von den politischen Entscheidungsträgern als in Rekordzeit verhandelter weiterreichender Handelsvertrag und großer Erfolg bewertet worden. Tatsächlich beinhaltet das Abkommen über die zukünftigen Beziehungen im Bereich des Warenverkehrs ein Freihandelsabkommen, das zumindest keine Zölle und Quoten vorsieht.
Auch über den Bereich des Warenverkehrs hinaus haben beide Seiten Regelungen vereinbart, die dazu dienen, fairen Wettbewerb zu sichern. Dies gilt etwa für den Bereich der staatlichen Beihilfen, der Standards im Verbraucher- und Arbeitnehmerschutz sowie bei Umwelt und Klima. Der Regelungsgehalt des Abkommens erstreckt sich zwar auch auf die Bereiche Dienstleistungen und Investitionen, zu dem auch die Versicherungswirtschaft zählt. Abgesehen von Grundregeln zum fairen Wettbewerb sind die Inhalte hier aber überschaubar.
Mit Blick auf die veränderten Marktzugangsvoraussetzungen ist im Vereinigten Königreich mit Wirkung zum 1. Januar 2021 das Financial Services Contracts Regime („FSCR“) sowie das Temporary Permissions Regime („TPR“) in Kraft gesetzt worden. Durch das FSCR können EU und damit deutsche Versicherer auch ohne eine vollständige Zulassung in UK bestehende Versicherungsverträge für eine Übergangszeit von maximal 15 Jahren in UK weiter erfüllen und abwickeln. Eine vorzeitige Auflösung oder Abwicklung bestehender Versicherungsverträge mit Versicherungsnehmern in UK oder einer anderweitigen Risikobelegenheit in UK wird damit vermieden und der ordnungsgemäße Run-Off sichergestellt.
Das bis zum 31. Dezember 2023 laufende TPR dient dazu, einen nahtlosen Übergang von der EU-Zulassung hin zur ab Januar 2021 grundsätzlich vorgesehenen vollständigen Zulassung einer Drittstaaten-Niederlassung oder eines neuen Versicherungsunternehmens in UK durch die Prudential Regulation Authority („PRA“) und die Financial Conduct Authority („FCA“) zu ermöglichen.
Folgen für UK-Versicherer auf dem EU-Markt
Da die Solvency-II-Richtlinie keine (umfassende) Harmonisierung des Zugangs von Versicherern aus Drittstaaten beinhaltet, unterscheiden sich die Marktzugangsregeln für UK Versicherer in den EU-Ländern von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat voneinander. Für Deutschland hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht („BaFin“) am 31. Dezember 2020 die Allgemeinverfügung zur Durchführung und Abwicklung der grenzüberschreitenden Tätigkeit von Versicherern und Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung mit Sitz im Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland sowie in Gibraltar veröffentlicht.
Zusammengefasst hat die BaFin hier folgenden Anordnungen getroffen: Unternehmen aus UK, die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2020 Versicherungsgeschäft in Deutschland betrieben haben, benötigen für die Fortführung und Abwicklung des Bestandsgeschäfts keine Erlaubnis der BaFin. Die bis zu diesem Zeitpunkt abgeschlossenen Erstversicherungsverträge müssen jedoch unverzüglich gekündigt werden, sofern und sobald dies rechtlich zulässig ist. Versicherungsverträge und gekündigte Erstversicherungsverträge müssen auf der Grundlage der Vertragsbedingungen vollständig abgewickelt werden. Versicherungsverträge, die bis zum 31. Dezember 2020 bereits gekündigt sind, sind in vollem Umfang auf der Grundlage der Vertragsbedingungen abzuwickeln.
Darüber hinaus hat die BaFin angeordnet, dass die Abwicklung des Bestandsgeschäfts trotz der Kündigungsmöglichkeit bis zum Abschluss der Übertragung der Versicherungsverträge auf ein in Deutschland oder in der EU/EWR zum Betrieb von Versicherungsgeschäften zugelassenes Versicherungsunternehmen oder auf eine in Deutschland zugelassene Drittstaatenniederlassung zulässig ist, wenn der Übertragungsprozess bis zum Ablauf des 31. Dezember 2020 eingeleitet wurde.
Zuletzt wird für die gesamte Dauer der Durchführung oder Abwicklung der Versicherungsverträge durch ein Erstversicherungsunternehmen die formlose Übermittlung bestimmter Unterlagen/Daten von der BaFin angeordnet. Die Anordnung der BaFin, welche den UK-Versicherern keine
weitere Übergangsfrist gewährt, ist danach im direkten Vergleich zur Rechtslage im UK – nach der für EU-Versicherer eine 15-jährige Abwicklungsfrist und ein dreijähriges Temporary Permissions Regime für UK gilt – vergleichsweise streng.
Deutsche Versicherer sind gut vorbereitet
Es versteht sich von selbst, dass der Zugang zu den jeweiligen Versicherungsmärkten durch den Brexit erschwert wurde. Nichts anderes war zu erwarten. Der Marktzugang von Versicherern aus Drittstaaten zum EU-Binnenmarkt kann nicht leichteren Regelungen unterworfen werden, als sie für EU-Versicherer gelten. Insgesamt dürfte die deutsche Versicherungswirtschaft gut auf den Brexit vorbereitet sein. Aus der „Zwangsabstinenz“ einiger Markteilnehmer aus dem Vereinigten Königreich ergeben sich für deutsche Versicherer und Versicherern aus anderen EU-Ländern im Übrigen auch nicht zu vernachlässigende Geschäftschancen bei der Absicherung von Risiken in anderen EU-Staaten.
Kapazitätsengpässe dürften gerade auch unter Berücksichtigung von Rückversicherungslösungen zumindest mittelfristig EU-intern ausgeglichen werden (vgl. insoweit auch schon unser Interview in VWheute vom 21.12.2020). Industriepolitisch sehr zu begrüßen, wären rechtliche Parameter, die es erlauben, dass sich in der EU als weltweit größtem Binnenmarkt selbst bedeutende, international ausgerichtete Finanzdienstleistungszentren weiter etablieren.
Autoren: Olaf Seidel, KPMG, FS Management Consulting, und Frank Püttgen, KPMG Law, FS Legal Insurance
Den vollständigen Beitrag lesen Sie in der aktuellen Februar-Ausgabe der Versicherungswirtschaft.