Fehlende Tariffähigkeit: Neue Assekuranzgewerkschaft wendet sich an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in StraßburgBild von Erich Westendarp auf Pixabay

Heute Kriegsverbrechen morgen Pressefragen. Das Aufgabenspektrum des im Jahr 1959 gegründeten Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg ist bunt. Die Neue Assekuranz Gewerkschaft (NAG) macht es mit ihrer Beschwerde noch ein wenig farbiger.

Der EGMR ist ein Kind der Mitgliedstaaten des Europarats und soll die Einhaltung der Europäischen Menschenrechtskonvention sicherstellen. Es ist ein scharfes Schwert, die vom Gerichtshof gefällten Urteile sind für die betroffenen Staaten bindend und verändern Verwaltungspraxis und Gesetze.

Damit der Gerichtshof tätig wird, müssen alle innerstaatlichen Rechtsbehelfe erschöpft sein und die endgültige Entscheidung darf nicht länger als sechs Monate zurückliegen. Das ist im NAG-Fall so, auch wenn die Entscheidung des Landesarbeitsgericht Frankfurt aus dem April 2015 stammt. Auf Antrag von Verdi wurde der NAG in der Mainstadt wegen „vermeintlich fehlender Größe“ die Tariffähigkeit abgesprochen.

Das NAG wandte sich mit einer Verfassungsbeschwerde an das Bundesverfassungsgericht, dass die Beschwerde nach „geschlagenen vier Jahren“ ablehnte. Nach der Entscheidung waren alle Rechtsmittel im Inland ausgeschöpft und die NAG wandte sich an das EGMR.

Die Gewerkschaft ist zuversichtlich. „Wir sind uns sehr sicher, dass die 2015er Entscheidung in Straßburg keinen Bestand haben wird“, erklärt Gaby Mücke, Vorsitzende der NAG. Es sei „ein glatter Grundrechtsentzug“, wenn für die NAG ohne die Chance auf eine Fortsetzung ihrer erfolgreichen Entwicklung schon nach sehr kurzem Bestehen allein die fehlende Größe ausschlaggebend für einen dauerhaften Entzug des Zugangs zu Tarifverhandlungen sein solle. Zudem wären die Anforderungen nur in Deutschland „derart hoch“, europarechtlich sei dies nicht haltbar.

Verdi, der Böse?

Die Nag entwickle sich weiter, „aller Attacken von Verdi zum Trotz“. Die NAG ist in über 50 Unternehmen der Branche vertreten und stellt in vielen Häusern mehr Mitglieder als jede andere Gewerkschaft, erklärt die NAG. „Nach unserer Einschätzung sind wir hinsichtlich der Mitglieder- und Organisationsentwicklung die erfolgreichste Gewerkschaft in der Assekuranz“.

Verdi hingegen leide unter massivem Mitgliederschwund, die dort kommunizierten zehn Prozent Mitgliederstärke in der Branche sei ein „reines Märchen“, tatsächlich wären es bestenfalls sechs bis sieben Prozent. Es habe seinen Grund, dass sich Verdi weigert, seine Mitgliederzahlen in der Versicherungswirtschaft offenzulegen und stattdessen nur auf die – schwindende – Gesamtorganisation verweist, stichelt Mücke.

„Wenn die Gewerkschaften in der Versicherungswirtschaft zusammenarbeiten würden, wäre das sicher mehr im Sinne der Beschäftigten, als jahrelang Verdi-Mitgliedsgelder in der gerichtlichen Bekämpfung der NAG zu versenken“, zürnt Mücke.

Autor: VW-Redaktion

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