Verstößt der Buchauszug gegen die DSGVO?

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Ein Unternehmer sah sich durch die DSGVO gehindert, dem Handelsvertreter einen Buchauszug zu erteilen. Der Spezialsenat für Handelsvertretersachen des OLG München entschied jedoch anders. Die mit der Erteilung eines Buchauszuges verbundene Datenübermittlung sei nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f DSGVO erlaubt, da die Verarbeitung der Daten zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich sei – ohne dass die Interessen oder Grundrechte und -freiheiten der betroffenen Person überwiegen.

Die DSGVO verbiete nicht die Erteilung des Buchauszugs, ohne dass die Erforderlichkeit jedes einzelnen Datums vom Vertreter darlegt werde. Zwar stelle die Übermittlung eines Buchauszugs eine „Verarbeitung“ dar, die nicht zur Erfüllung eines Vertrages erforderlich ist, dessen Vertragspartei die betroffene Person ist. Denn von der Datenverarbeitung persönlich betroffen sei der Kunde des Versicherungsvertrages den der Vertreter vermittele, da sich die Buchauszugsdaten auf diesen beziehen. Der Kunde sei aber nicht Partei des Vertretervertrages. Zur Erfüllung der von den Kunden geschlossenen Verträge sei der Buchauszug weder erforderlich noch werde er dazu erstellt und übermittelt. Auch fehle es an einem „öffentlichen Interesse“, das mit einem Buchauszug verfolgt würde. Denn letztlich diene der Buchauszug nur der Realisierung der Provision und damit einem individuell-privaten Interesse.

Zur Wahrung der berechtigten Interessen eines Dritten sei die Erteilung des Buchauszugs jedoch erforderlich. Zudem überwögen keine gegenstehenden Interessen oder Grundrechte des Betroffenen. Das Vergütungsinteresse des Vertreters sei ein berechtigtes Interesse eines Dritten. Dies folge aus der erlaubten Tätigkeit des Vertreters. Diese unternehmerische Freiheit und mit ihr das Recht auf Gewinnerzielung sei durch Art. 16 EUGRCh anerkannt und geschützt. Auch sehe Art. 12 Abs. 2 der Handelsvertreterrichtlinie einen Buchauszug vor. Daraus lasse sich ableiten, dass das Interesse des Vertreters europarechtlich geschützt sei. Dass die Richtlinie nicht für Versicherungsvertreter gelte, ändere nichts daran.

Der Buchauszug sei zur Verwirklichung des Provisionsanspruchs erforderlich. Erst mit ihm könne der Vertreter prüfen, ob die ihm vom Prinzipal erteilten Abrechnungen richtig und vollständig sind. Nur so erhalte der Vertreter Kenntnis provisionsrelevanter Vorgänge aus dem Verhältnis des Kunden zum vertretenen Unternehmer. Das Vergütungsinteresse überwiege ein gegenläufiges Interesse des Betroffenen, selbst wenn die mit dem Buchauszug übermittelten Daten des Betroffenen sensibel seien.

Vertreter hätten ein sehr hohes, wenn nicht sogar wirtschaftlich existentielles Interesse an der Datenübermittlung, da der Buchauszug der Verfolgung des Provisionsanspruchs diene. Bei der Gewichtung und Abwägung der gegenläufigen Interessen sei der Erwägungsgrund 47 der DSGVO heranzuziehen. Dieser stelle auf die zwischen dem Verantwortlichen und der betroffenen Person bestehende Beziehung (z.B. eine Kundenbeziehung) sowie auf die Erwartbarkeit der Datenverarbeitung für die betroffene Person ab. Komme ein Vertrag zwischen Betroffenem und Verantwortlichen durch die Vermittlung eines Vertreters zustande, sei für den Kunden absehbar, dass seine Daten vom Verantwortlichen verarbeitet und insbesondere an den Vertreter übermittelt würden.

Denn auch dem geschäftsunerfahrenen Kunden müsse nach allgemeiner Lebenserfahrung klar sein, dass, wenn der Geschäftsabschluss mit dem Prinzipal über einen Vertreter erfolge, letzterer Provision erhalte und deren Abrechnung einen Datenaustausch voraussetze. Die hohe Erwartbarkeit einer Datenübermittlung spreche für ein Überwiegen der Interessen des Vertreters. Ebenso wie der Zweck Datenübermittlung, den Vertreter in die Lage zu versetzen, seinen Rechtsanspruch gegen den Prinzipal auf Zahlung von Provision zu verwirklichen. Die DSGVO messe dem Zweck der Verfolgung von Rechtsansprüchen allgemein ein hohes Gewicht bei. Art. 21 Abs. 1 Satz 2 DSGVO schließe das Widerspruchsrecht gegen die Datenverarbeitung aus, wenn sie der Geltendmachung von Rechtsansprüchen des Verantwortlichen diene.

Mit der Zuerkennung des unabdingbaren Anspruchs auf Buchauszug durch Handelsvertreterrichtlinie werde nicht nur die prinzipielle Berechtigung und Schutzwürdigkeit des Mitteilungsinteresses ausgedrückt, sondern auch dessen hohes Gewicht im Rahmen der Interessenabwägung. Für Versicherungsvertreter gelte nichts anderes.

Kommentar

Der Entscheidung ist zwar zuzustimmen, der Begründung des Senats kann jedoch nicht gefolgt werden. Denn die Verarbeitung von personenbezogenen Daten für den Buchauszug ist nach Art. 6 Abs. 1 lit. c, Abs. 3 Satz 1 lit. b DSGVO i.V.m. § 87 c Abs. 2 HGB gestattet. Der deutsche Gesetzgeber hat eine Schutzbedürftigkeit des Vertreters als Berufstyp angenommen. Die zwingenden Schutzrechte hat er im Bewusstsein der Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit des Vertreters ausgestaltet, und zwar dahingehend, dass der Vertreter vor Provisionsenthaltungen geschützt werden soll.

Deshalb dient der Buchauszug dem öffentlichen Interesse, den wirtschaftlich schwächeren Vertreter zu schützen. Entgegen der Auffassung des Senats muss daher nicht auf die Ermächtigungsgrundlage des Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO abgestellt werden, zumal diese die Zulässigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten mit dem Buchauszug wegen der gebotenen Interessenabwägung und der Widerspruchsmöglichkeit des Betroffenen nach Art. 20. Abs. 1 Satz 1 DSGVO stark einschränken würde.

Autor: Jürgen Evers