Naturkatastrophen: Swiss Re beziffert Deckungslücke in Deutschland auf 63 Prozent

Bildquelle: Gothaer
Das Jahr 2025 begann für die Rückversicherungsbranche mit einem kostspieligen Paukenschlag: Waldbrände in der Metropolregion Los Angeles verursachten versicherte Schäden in Höhe von geschätzten 40 Milliarden US-Dollar. Trotz solcher Extremereignisse bleiben großflächige Primärgefahren das größte Risiko für die Branche. Modellanalysen des Swiss Re Institute zeigen, dass die weltweiten versicherten Schäden in einem Spitzenjahr auf über 300 Milliarden US-Dollar steigen könnten. Auch Deutschland hat Probleme.
Entsprechend dem langfristigen Wachstumstrend von fünf bis sieben Prozent pro Jahr könnten die weltweiten versicherten Schäden durch Naturkatastrophen im Jahr 2025 von 137 Mrd. Dollar auf 145 Mrd. Dollar ansteigen, hier vor allem aufgrund von sekundären Gefahren wie schweren Gewittern, Überschwemmungen und Waldbränden, berichtet Swiss Re.
In sogenannten Spitzenjahren könnte die Zahl auf über 300 Milliarden US-Dollar steigen. Als jüngstes Beispiel eines solchen Extremjahres gilt 2017, als die Hurrikane Harvey, Irma und Maria die Branche mit hohen Schäden belasteten.
Seitdem hat sich die Risikolage laut Swiss Re weiter verschärft. Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum, eine zunehmende Zersiedelung selbst in gefährdeten Regionen sowie der Klimawandel haben die Exponierung erhöht. Viele Regionen, die früher als moderat gefährdet galten, sind heute durch die Verdichtung und Versiegelung urbaner Räume zunehmend katastrophenanfällig.
Laut Swiss Re würde ein Hurrikan wie Andrew – 1992 noch mit inflationsbereinigten Schäden von 35 Milliarden Dollar – heute rund dreimal so hohe Kosten verursachen. Gleichzeitig zeigen sich entlastende Entwicklungen: Beim Hurrikan Katrina etwa, dem teuersten Einzelereignis in der Geschichte der Versicherungswirtschaft, wären die versicherten Schäden heute zwar immer noch enorm – rund 100 Milliarden Dollar. Doch verbesserte Hochwasserschutzsysteme und ein Bevölkerungsrückgang um 20 Prozent entlang der damaligen Zugbahn hätten das Gesamtrisiko inzwischen deutlich reduziert.

Trotz globaler Zunahme schwerer Naturereignisse entfielen 2024 rund 80 Prozent der versicherten Katastrophenschäden auf die USA. Besonders betroffen sind Bundesstaaten wie Florida, Texas, Kalifornien, Louisiana und Colorado, auf die etwa die Hälfte aller US-Naturkatastrophenschäden entfällt. In Florida etwa sind die Versicherungsprämien pro Haushalt wegen hoher Hurrikanrisiken doppelt so hoch wie im Landesdurchschnitt. In Kalifornien wiederum schlagen hohe Waldbrandrisiken direkt auf die Policen durch. Die Höhe der Versicherungsprämien wird dabei nicht nur von der Schadenhistorie beeinflusst, sondern auch von regionalen Bauvorschriften, inflationsbedingten Baukosten und dem Ausmaß der Risikotransfermechanismen.
Angesichts der wachsenden Belastung rückt das Schadenpotenzial in den Fokus der Risikosteuerung. Besonders bei Wetterextremen wie Starkregen oder Stürmen, die lokale Schutzsysteme überfordern, zeigt sich der Handlungsdruck. Das Swiss Re Institute verweist auf neue Studien, wonach Hochwasserschutzmaßnahmen wie Deiche, Dämme und Fluttore ökonomisch deutlich effizienter seien als der Wiederaufbau nach einem Desaster – zum Teil mit einem Kosten-Nutzen-Verhältnis von 1:10.
Auch in Deutschland gibt es eine zunehmende Kluft zwischen wirtschaftlichem Schaden und Versicherungsdeckung. Im Jahr 2024 beliefen sich die durch Naturkatastrophen verursachten Schäden auf rund 6,5 Milliarden US-Dollar, davon waren nur 2,4 Milliarden versichert. Die resultierende Deckungslücke lag bei 63 Prozent. Über einen Zeitraum von zehn Jahren (2015–2024) waren lediglich 43 Prozent der Schäden – insgesamt 75 Milliarden Dollar – durch Policen abgesichert.
Die größten Gefahren für Deutschland bleiben Stürme, Überschwemmungen und Erdbeben. Aber auch wetterbedingte Extremereignisse wie Hitzewellen und starke Wärmegewitter gewinnen an Bedeutung, berichtet Swiss Re.
Die jüngsten Überschwemmungen durch Sturm Boris im September zeigen die Probleme auch in Mittel- und Osteuropa. Trotz Investitionen in den städtischen Hochwasserschutz nach den Fluten 1997 und 2002 wächst das Risiko durch wirtschaftliches Wachstum, zunehmende Bodenversiegelung und die Auswirkungen des Klimawandels, warnt der Schweizer Rückversicherer.
In der Tschechischen Republik hat sich die Versicherungsdichte seit 1997 mehr als verdoppelt, während die bebaute Fläche zwischen 2003 und 2023 um 25 Prozent gestiegen ist. In Polen nahm die bebaute Fläche im gleichen Zeitraum um 33 Prozent zu.
Autor: VW-Redaktion