So steht es um die deutsche Lebensversicherung

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Trotz steigender Zinsen befinden sich die Lebensversicherer im Krisenmodus. Laut aktuellem Map-Report der Ratingagentur Franke und Bornberg bereiten der Branche sowohl das Neugeschäft als auch die Beitragseinnahmen Sorgen. Das zeigt ein Blick auf die Verträge der größten Anbieter wie Allianz, R+V, Generali, Provinzial, Debeka, Ergo oder Swiss Life.
Demnach beliefen sich die verdienten Bruttobeiträge im Jahr 2022 auf 91,36 Mrd. Euro (2021: 98,28 Mrd. Euro). Dies entspreche einem Einbruch von 7,0 Prozent bzw. 6,92 Mrd. Euro. Dabei sei es 58 Gesellschaften (2023: 23) nicht gelungen, die Beitragseinnahmen zu steigern. 13 Anbieter sind im Run-off oder zeichnen kein Neugeschäft mehr. Sechs Anbieter lagen mit bis zu drei Prozent knapp über dem Vorjahresniveau und lediglich ein Dutzend bauten die Beitragseinnahmen zwischen plus drei und 16 Prozent aus.
Relativ betrachtet hat Ergo Vorsorge ihre Beitragseinnahmen um 16,2 Prozent auf 1.187,2 Mio. Euro am deutlichsten gesteigert. Dahinter folgen BL die Bayerische mit einem Plus von 14,5 Prozent auf 502,8 Mio. Euro, die noch junge Dortmunder mit 13,8 Prozent auf 25,4 Mio. Euro sowie der LVM mit einem Zugang von 9,9 Prozent auf 934,5 Mio. Euro.
In absoluten Zahlen baute ebenfalls die Ergo Vorsorge die Beitragseinnahmen um 165,4 Mio. Euro am stärksten aus. Mit etwas Abstand folgen auf den weiteren Plätzen die Generali (121,6 Mio. Euro), Continentale (87,1 Mio. Euro), LVM (84,3 Mio. Euro) sowie Alte Leipziger mit 68,5 Mio. Euro.
Den größten absoluten Rückgang – ohne dabei Gesellschaften im Run-off und eingestelltem Neugeschäft zu berücksichtigen – musste erneut die Allianz mit einem Minus von 1,80 Mrd. Euro einstecken. Umfangreichere Einnahmereduzierungen galt es auch bei der HanseMerkur (minus 896,9 Mio. Euro), R+V (minus 795,9 Mio. Euro), Bayern-Versicherung (minus 569,5 Mio. Euro) und Provinzial Rheinland zu verkraften.
Dennoch verteidigt die Allianz ihre Spitzenposition unter den Lebensversicherern: Die Münchener erzielten mit 354 Punkten bzw. 88,50 Prozent der maximal erzielbaren Punkte ein „mmm+“. Für die höchste Bewertungskategorie sind 85 Prozent erforderlich. Insgesamt dreimal wurde die höchste Auszeichnung verliehen. Von den zehn größten Anbietern konnte sich außer der Allianz kein weiterer Lebensversicherer in der Spitzengruppe platzieren. Zu den weiteren Siegern zählen neben der LV1871 – mit nur einem Punkt Abstand auf die Allianz (353 Punkte/88,25 Prozent) – auch die Ideal mit 348 Zählern bzw. 87,00 Prozent.

Neugeschäft bleibt das Sorgenkind
Nach dem Corona-Dämpfer belasten der Krieg in Europa und die Inflation das Neugeschäft der Branche. Wurden im Vorjahr noch 194.323 Policen (4,2 Prozent) mehr als im Jahr 2020 verkauft, brach der Absatz jetzt um 402.291 Verträge (minus 8,4 Prozent) auf 4.407.148 Policen ein. Wird die Versicherungssumme als Bezugsgröße betrachtet, ging es um 7,9 Prozent runter.
Und auch das Annual Premium Equivalent (APE) sank nach einem branchendurchschnittlichen Zugang 2021 um 4,38 Prozent im Berichtsjahr um rekordverdächtige 9,9 Prozent und rutschte auf 8,78 Mrd. Euro (2021: 9,74 Mrd. Euro) ab. Entgegen diesem Trend legte das Neugeschäft nach APE beim HDI mit 18,8 Prozent und Nürnberger mit 18,6 Prozent am deutlichsten zu.
Zudem sanken die eingelösten Versicherungsscheine an Haupt- und Zusatzversicherungen nach laufendem Beitrag laut Map-Report zum Jahresende 2022 branchenweit um 6,0 Prozent auf 3,81 Mrd. Euro. Trendresistent und mit hohen Zuwächsen zeigten sich hier die Nürnberger (37,2 Prozent), HDI (32,7 Prozent), Zurich Deutscher Herold (21,4 Prozent) sowie Münchener Verein und Gothaer mit jeweils 20,8 Prozent.

Richtig einstecken musste das Neugeschäft an Einmalbeiträgen. Dieses verlor mit 23,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr fast ein Viertel und rutschte im Branchenschnitt von 26,9 auf 20,5 Mrd. Euro. Von den zehn größten Anbietern gelang es nur der Generali (7,4 Prozent) und Debeka (0,3 Prozent) im Einmalbeitragsgeschäft zuzulegen.
Kollektiv-Versicherungen hatten im Jahr 2022 mit 28,4 Prozent den zweithöchsten Neugeschäftsanteil an allen Sparten der Hauptversicherungen. Dabei wurden mit 1.252.913 Policen 66.032 (5,6 Prozent) Verträge mehr als im Vorjahr abgesetzt. Diese Versicherungsart war die einzige, in der mehr Policen als im Vorjahr verkauft wurden. Daran maßgeblich beteiligt waren allen voran die Allianz, Credit Life und SV Sparkassenversicherung, die im Vorjahresvergleich am deutlichsten zulegten.
Demgegenüber erwies sich die Stornoquote in der Branche nach Angaben von Franke und Bornberg als krisenresistent: In der KLV lag das Storno, berechnet auf die Anzahl der Verträge, mit 1,73 Prozent geringfügig über dem Vorjahresniveau von 1,63 Prozent. Die höchste Stornoquote mit 3,40 Prozent (2021: 3,56 Prozent) verzeichneten fondsgebundene Verträge, gefolgt von Risiko-Lebensversicherungen mit 2,86 Prozent (Vorjahr: 3,04 Prozent).
Bei Rentenverträgen sank das Storno mit 2,22 Prozent auch noch einmal unter das niedrige Vorjahresniveau von 2,34 Prozent. Auch Kollektiv-Versicherungen folgten diesem Trend. Lag die Kennzahl im Vorjahr noch bei 2,63 Prozent, rutsche die Quote jetzt auf 2,47 Prozent. Die Stornoquoten sind trotz allgegenwärtiger Krisen noch immer sehr gering und über den gesamten Bestand von 2,59 auf 2,51 Prozent gefallen.
Eine weitere Erkenntnis: Ende 2021 verfügten die deutschen Lebensversicherer branchenweit noch über Stille Reserven in Höhe von 155,9 Mrd. Euro. Doch infolge der Zinswende brachen die Kurse von kaum verzinsten Anleihen im Bestand massiv ein. Zum Jahresultimo 2022 sind aus den Stillen Reserven Stille Lasten mit einem Volumen von 106,8 Mrd. Euro geworden. Das entspricht 10,3 Prozent der gesamten Kapitalanlagen.
Und dennoch: „Wer den Lebensstandard auch im Ruhestand nicht zurückfahren will, kommt in den meisten Fällen an zusätzlicher Vorsorge jedoch nicht vorbei“, betonen Michael Franke, geschäftsführender Gesellschafter von Franke und Bornberg und Herausgeber des Map-Reports und Reinhard Klages, Leiter des Bereichs Ratings Unternehmenskennzahlen. Zudem gelte es abzuwarten, welche Reformen durch den Gesetzgeber auf der Basis Fokusgruppe private Altersvorsorge auf die Branche zukommen würden.
Autor: VW-Redaktion