Pensionskassen halten trotz Problemen an ihrer Grundstruktur fest

Soweit es Aktien betrifft, haben deutsche Pensionskassen per Ende 2019 laut einer Kommalpha-Studie aus dem Jahr 2020 lediglich 4,4 Prozent ihrer Finanzaktiva in Aktien und sonstige Anteilsrechte investiert. Free-Photos auf Pixabay

Pensionskassen sind konservativ, weil das ihre Aufgabe ist und die Empfänger in der zweiten Säule der Altersvorsorge häufig Sicherheit vor Rendite stellen. Trotzdem könnten sie die bestehenden Rahmenbedingungen besser und flexibler ausnutzen. Eine Expertenanalyse.

Pensionskassen haben es nicht leicht. Sie müssen im Umfeld extrem niedriger Zinsen und unter Vorgabe hoher Umwandlungssätze ihre finanzielle Stabilität sicherstellen und zugleich die künftigen Renten für eine demografisch immer älter werdende Gesellschaft erwirtschaften. Oft wird ihnen jedoch vorgeworfen, dabei zu konservativ zu agieren. Schließlich haben sie die Möglichkeit, risikoreicher zu investieren und so höhere Renditen zu erzielen. Doch wie konservativ sind deutsche Pensionskassen wirklich? Und sind sie es aufgrund regulatorischer Vorgaben oder intrinsischer Motivation?

Zu wenig Aktien?

Grundsätzlich unterliegen Pensionskassen hierzulande dem Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) und der Anlageverordnung (AnlV). Zu den demnach zulässigen Anlagen gehören unter anderem Aktien, festverzinsliche Wertpapiere, Immobilien, liquide Mittel, Hypotheken, Darlehen, alternative Anlagen, Infrastrukturanlagen und Investmentfondsanteile. Soweit es Aktien betrifft, haben deutsche Pensionskassen per Ende 2019 laut einer Kommalpha-Studie aus dem Jahr 2020 lediglich 4,4 Prozent ihrer Finanzaktiva in Aktien und sonstige Anteilsrechte investiert.

Dazu kommen noch Investmentfondsanteile. Gleichzeitig nimmt der Anteil alternativer Anlagen, die ebenfalls hohe langfristige Renditen liefern können, zwar zu, sie scheinen jedoch weiter nur eine geringe Rolle in den meisten Portfolios der Pensionskassen zu spielen. Laut dem Investor Survey 2020 des Bundesverbandes Alternative Investments, an der auch Pensionskassen teilnahmen, lag die Allokation – außer bei Real Estate Equity – bei keiner alternativen Anlageklasse bei mehr als 3,5 Prozent.

Entscheidend für die Performance – und somit für den Leistungsauftrag – von Pensionskassen sind nun aber die maximal zulässigen Vermögensanteile pro Anlagekategorie. Das VAG nennt hier zunächst einmal keine konkreten Anlagegrenzen. Dort heißt es lediglich, dass die gesamten Vermögenswerte nach dem Grundsatz der unternehmerischen Vorsicht anzulegen sind. Konkreter ist die AnlV. Dort sind bezüglich einzelner Anlageklassen sehr wohl Grenzen sowie Begrenzungen hinsichtlich der Risikokonzentration in einem Portfolio angegeben und es werden konkrete Vorgaben zur Anforderung an die Diversifikation gemacht. Allerdings liegen die genannten Grenzen zum Teil ein gutes Stück über dem oben genannten durchschnittlichen Aktienanteil von 4,4 Prozent. Es ist deshalb davon auszugehen, dass viele Altersvorsorgeeinrichtungen noch Spielraum haben dürften, um renditeträchtigere Anlagen zu tätigen. Und damit könnte es auch naheliegend sein, den Pensionskassen konservatives Verhalten vorzuwerfen.

Bei näherer Betrachtung erscheint eine solche Kritik jedoch möglicherweise unangebracht. Das Anlageverhalten der Pensionskassen entspricht im Durchschnitt vielmehr ihrem Zweck und ihrer Aufgabe. Zwar werden von verschiedener Seite Vergleiche mit der Anlagepolitik asiatischer Staatsfonds, des norwegischen Pensionsfonds oder amerikanischer Stiftungen angestellt. Doch das würde bedeuten, Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Viele Pensionskassen dürften einerseits noch Spielraum innerhalb der bestehenden Regelungen haben und unter Umständen eine höhere Aktienquote im Portfolio fahren. Andererseits steht dem die jährliche Berichtspflicht entgegen, durch die ihnen mehr oder weniger die Hände gebunden sind.

Die Quote steigt

Auf lange Sicht erzielen Aktienanlagen eine massiv höhere Rendite als festverzinsliche Wertpapiere. Und diese Mehrrendite wird durch den Zinseszinseffekt noch potenziert. Eine doppelt hohe jährliche Rendite führt über zwanzig Jahre nämlich nicht nur zu einer Verdoppelung der Wertsteigerung des Vermögens, sondern zu einer vervielfachten Wertzunahme. Um eine langfristig möglichst hohe Performance zu erzielen, müssten Pensionskassen ihren Aktienanteil folglich deutlich erhöhen.

Die Aktienquote der Pensionskassen kletterte in den vergangenen Jahren nach oben – nicht zuletzt wegen der niedrigen respektive negativen Zinsen, der weltweiten Liquiditätsschwemme der Notenbanken und den Wertsteigerungen auf den Aktienpositionen. So hat sich der direkte Aktienbesitz zwischen 2005 und dem Jahr 2019, ausschließlich Investmentfondsanteile, in etwa auf die genannten 4,4 Prozent verdoppelt. Dennoch stellt sich die Frage, wieso Pensionskassen und andere Vorsorgeeinrichtungen angesichts ihrer langfristigen und großen finanziellen Herausforderungen ihren potenziellen Spielraum nicht noch mehr ausnutzen.

Jährliche Zielwerte

Der Grund ist nicht eine intrinsisch konservative DNA der Pensionskassen, sondern die jährliche Berichterstattung. Pensionskassen müssen ihren Versicherten und anderen Stakeholdern jedes Jahr Rechenschaft über ihre Geschäfte und die Wertentwicklung der Vermögenswerte ablegen, dies insbesondere mit Blick auf den Deckungsgrad.

Hierzulande ist es zwar durchaus möglich, die dauernde Erfüllbarkeit eines Pensionsplanes auch bei einer vorübergehenden Unterdeckung als gewährleistet anzusehen, sofern die Unterdeckung nicht über fünf Prozent des Betrags der versicherungstechnischen Rückstellungen steigt und die Belange der Versorgungsanwärter und -empfänger gewahrt sind.

Doch damit der Deckungsgrad in einem schlechten Aktienjahr nicht unter ein solches Niveau fällt – was unter Umständen bei manchen Vorsorgeeinrichtungen Sanierungsmaßnahmen nach sich ziehen würde –, müssen sie schwere temporäre Rückschläge vermeiden.

Dieses jährliche Reporting in Kombination mit der jeweils zugesagten Verzinsung zwingt die Pensionskassen somit zu einem konservativen Verhalten. Müssten sie ihren Deckungsgrad und andere Parameter zum Beispiel nur alle fünf Jahre ausweisen, könnten sie höhere Anlagerisiken eingehen, in extremen Marktsituationen – wie in der Corona-Krise im Frühjahr 2020 – die Anlagen stärker umschichten, und eine höhere Performance erzielen.

Intakte DNA

Umfragen zu den Anforderungen der Versicherten an ihre Pensionskassen zeigen jedoch regelmäßig, dass ihnen Sicherheit wichtiger ist als Rendite. Auch das spricht für das vorherrschend eher konservative Anlageverhalten der Pensionskassen. Da die Pensionskassen über hohe Investitionsmittel verfügen, werden sie auch immer wieder mit Finanzierungswünschen zugunsten spezifischer inländischer Projekte konfrontiert. Aber es ist nicht die Aufgabe der Vorsorgeeinrichtungen, der Wirtschaft Wagniskapital zur Verfügung zu stellen und risikoreiche Start-ups zu finanzieren.

Auch Modetrends wie schwankungsreiche Anlagen aus dem Krypto-Bereich müssen sie nicht zwingend übernehmen. Gegen mehr Direktanlagen wie zum Beispiel im Aktienbereich und dafür weniger Kollektivinvestments, wie ab und zu gefordert, ist allerdings grundsätzlich nichts einzuwenden. Das würde dann aber auch eine neue Verpflichtung mit sich bringen, die unter dem Begriff der Stewardship derzeit populär ist: Sie müssten Farbe bekennen und ihre Stimmrechte im Sinne der Versicherten wahrnehmen.

Als Fazit lässt sich also festhalten, dass Pensionskassen kein Problem damit haben sollten, als „konservativ“ zu gelten, denn sie machen ihre Aufgaben meist gut. Ihre DNA basiert zwar auf einer einschränkenden Governance, aber auch auf Integrität und nicht zuletzt auf gesundem Menschenverstand. Eine „Mutation“ der DNA ist deshalb nicht notwendig, auch wenn bestehender Anlagespielraum noch besser und flexibler genutzt werden könnte.

Autor: Andreas Hecker, Head Client Group Core Germany & Austria, Axa Investment Managers Germany