Wird Homeoffice zur Dauerlösung für eine ganze Branche?

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Binnen weniger Tage verlagerte der Versicherungskonzern Allianz im März 90 Prozent seiner Arbeit ins Homeoffice und sagte sämtliche Dienstreisen ab. Dieser Wandel kommt einer Revolution gleich und wäre noch vor wenigen Monaten schlicht undenkbar gewesen: Gelten die Versicherer doch als eine der traditionell konservativsten Branchen in Deutschland.

Das wird vermutlich auch andere Unternehmen aus der Versicherungsindustrie auf den Plan rufen bzw. gehen die Pläne sicher in eine ähnliche Richtung. Die Belegschaft dafür zu motivieren und aktiv am Neuausrichtungsprozess zu beteiligen, dürfte eine Mammutaufgabe für jeden Manager darstellen. Und längst nicht alle sind begeistert: Viele treibt die Sorge um, wie virtuelles Arbeiten langfristig gelingen kann, wie Führung funktioniert in diesem Arbeitsumfeld. Wie kann der Wandel gelingen?

Inspiration: Die Veränderung unserer Arbeitswelt ist nicht nur eine Revolution, sondern auch für viele eine Inspiration. Wir beschreiten neue Wege, unser ganzes Arbeitsleben verändert sich, neue Möglichkeiten eröffnen sich. Unternehmen tun gut daran, diesem Wandel ein Profil zu geben: wie soll die Arbeitswelt in fünf Jahren aussehen, was haben die Mitarbeiter davon, was hat das Unternehmen davon, die Gesellschaft, die Umwelt. Menschen wollen sich verändern, wenn sie wissen, wofür. Das muss als erstes geklärt sein. Denn in der Regel verliert man ja auch immer etwas, wenn man etwas anderes gewinnt: dem Gewinn der Produktivität, Bequemlichkeit, Praktikabilität steht der Verlust an persönlicher Nähe gegenüber, am Wir-Gefühl, an sozialen Interaktionen, die manchmal auch nicht zweckgebunden sind.

Klare Regeln: Zum einen ist sehr wichtig, klare Leitlinien für das virtuelle Arbeiten festzulegen, die für das ganze Unternehmen gelten. Idealerweise machen das nicht Personaler in ihrem Büro, sondern virtuelle Workshops, um auch die Mitarbeiter bei der Umsetzung gleich an Bord zu haben. Fragen sind beispielsweise: Wann sollten Meetings als Videotelefonie, wann als Telefon stattfinden, und mit welchen Tools. Wo werden gemeinsame Daten hinterlegt? Wie erfolgt die Erfolgskontrolle, wie die Leistungskontrolle. Von wo aus ist Arbeiten erlaubt: geht es um Home-Office oder um Mobile-Office? Welche Voraussetzungen sind daran geknüpft und welche Kernarbeitszeiten sollen gelten? Diese Regeln müssen nicht nur erarbeitet werden, sondern auch kommuniziert werden – und nachgehalten werden.

Neue Führungs- und Kommunikationskultur: Zusätzlich muss ein Unternehmen in diesem Setup an seiner Kultur der Zusammenarbeit arbeiten, denn jetzt ist ein hohes Maß an Vertrauen und Integrität gefragt, die alten Führungsmuster von Kontrolle und Überwachung haben spätestens jetzt ausgedient. Nicht jedem gefällt das Hinterfragen des eigenen Führungsverhaltens. Aber Veränderung fängt bei jeder Führungskraft selbst an, die eigenen Prinzipien und das eigene Verhalten zu überprüfen im Hinblick auf seine Wirksamkeit, die bei einem selbst anfängt. Aber was macht Führung überhaupt aus?

Wenn Führung definiert wird als Aufrechterhaltung von Leistungsfähigkeit, Leistungsbereitschaft und Leistung, dann braucht es Engagement, Empowerment und Support, Leistungskontrolle, Coaching, Kommunikation und Teaming Up sowie Vorbildfunktion. Es braucht Führungskräfte, die den Meinungsaustausch mit ihren Mitarbeitern noch offensiver einfordern. Vorgänge oder Entscheidungen müssen sehr transparent gemacht werden auf räumliche Distanz. Schwierige Themen brauchen mehr Feingefühl, wenn man sich nicht gegenübersitzt. Aber auch Leistungskontrolle erfolgt anders, nämlich über die Leistung mehr als über die Zeit. Es braucht viel mehr ein grundsätzliches Wohlwollen, aber auch Anständigkeit von beiden Seiten, Disziplin.

Teams an die Front: Zusammenarbeit erfährt ja jetzt ganz neue Richtungen und Teams setzen nicht nur um, sondern können Vorreiter und Wegbereiter sein. Dafür braucht es die interne Ermutigung und die Freude am Experiment. Testen und Verproben muss erlaubt sein, die richtige Fehlerkultur ist hier elementar. So entsteht eine Aufbruchstimmung, die womöglich über die eigentliche Transformation weit hinausgeht und der Organisation Flügel verleiht.

Lernen im Prozess & Dialog mit der Organisation: jeder größere Transformationsprozess hebt das Bisherige aus den Angeln. Nicht alles ist vorhersehbar, darum ist es so wichtig, aus den Erfahrungen zu lernen – und Regeln sowie gelebte Praxis anzupassen. Am besten öffentlich und transparent den Dialog führen in der Organisation, was warum einer Korrektur bedarf, und die Mitarbeiter mit ihren Lösungsvorschlägen beteiligen. Die Zukunft hat schon längst begonnen, mit Unternehmen, die mutige Entscheidungen treffen.

Autorin: Katja Nagel, Gründerin und Inhaberin der Unternehmensberatung cetacea in München

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