BU-Versicherer leisten ihren Soll, aber verschlafen die Digitalisierung

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Die Leistungserfüllung der BU-Branche ist gut, die Technik weniger. Knapp 80 Prozent aller abgeschlossenen Regulierungen endeten mit einer Anerkennung der Leistungspflicht. Allerdings haben die Unternehmen besonders im technischen Bereich noch Nachholbedarf.

„Die Versicherer haben die Chancen der Digitalisierung für den Leistungsfall zwar erkannt“, konstatiert Michael Franke, Mitgründer und Geschäftsführer der Ratingagentur Franke und Bornberg, „sie müssen aber zunächst die oft betagten Bearbeitungssysteme modernisieren, um überhaupt für neue Techniken offen zu sein.“ Ein weiteres Ergebnis der BU-Leistungspraxisstudie 2020 von Franke und Bornberg ist, dass sich bei keiner der untersuchten Gesellschaften „Anhaltspunkte für Leistungsverweigerung mit System“ gefunden wurden. Die Auswertung bezieht sich auf freiwillige Daten der Versicherer aus dem Jahr 2018.

Knapp 80 Prozent aller abgeschlossenen Regulierungen endeten mit einer Anerkennung der Leistungspflicht. Zieht man nur Fälle heran, bei denen die versicherte Monatsrente mindestens 300 Euro beträgt, beträgt die Leistungsquote 76,4 Prozent. Dass Versicherer knauseriger werden, wenn die Rente eine bestimmte Höhe erreicht, bestätigt sich auch oberhalb der 300 Euro nicht, zeigt die Studie.

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Alles Kopfsache

Trotz hoher Anerkennungsquote gibt es natürlich auch Ablehnungen. Meist ist dies der Fall, wenn der vertraglich vereinbarte BU-Grad, in der Regel 50 Prozent,  nicht erreicht wird. Auf diesen Sachverhalt entfallen mehr als die Hälfte aller negativen Entscheidungen, nämlich 55 Prozent. Besonders häufig bewilligt werden Berufsunfähigkeitsrenten für Versicherte zwischen dem 46. und 58. Lebensjahr. Bei jungen Erwachsenen im Alter von 17 bis 35 Jahren liegt die Ablehnungsquote dagegen deutlich über dem Durchschnitt. Das ist vor allem auf die Wirkung der vorvertraglichen Anzeigepflicht zurückzuführen. Fast die Hälfte aller Ablehnungen wegen Verletzung der Anzeigepflicht entfallen auf diese Altersgruppe.

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Bei den Ursachen der BU gibt es wenig Neues, es dominieren psychische Ursachen. Leistungsauslöser Nummer eins waren auch 2018 psychische Krankheiten und Verhaltensstörungen. Es folgen Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems (23,8 Prozent). Krebserkrankungen, in Statistiken als „Bösartige Neubildungen“ geführt, rangieren auf Platz drei. Unsicher ist die Datenlage für Unfälle. An dieser Stelle gäbe es nicht immer eine eindeutige Abgrenzung zu Krankheiten, die aus einem Unfall resultieren, bemängelt der Studienherausgeber. Wie schwierig die Leistungsbeurteilung in der Praxis sein kann, zeigen aktuelle Rechtsbeispiele.

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Brachfeld Digitalität?

Die Versicherer arbeiten an ihrer digitalen Entwicklung. Neben mehr Effizienz bei internen Prozessen stehen bei der Digitalisierung insbesondere Vertriebsaspekte wie Kundengewinnung und TAA-Prozess (Tarifierung, Angebot, Antrag) im Vordergrund. Die digitale Unterstützung im BU-Leistungsfall hingegen sei in der Regulierung noch ein „knappes Gut“, erklärt Franke. Etabliert habe sich mittlerweile das Telefoninterview zwischen Sachbearbeiter und Anspruchsteller. Das sorge in der schwierigen Situation der Kunden für ein deutliches Plus an Unterstützung, dagegen blieben Video-Chat, Desktop-Sharing oder Telefonkonferenz – in der Zeit vor Corona“ hinter ihren technischen Möglichkeiten zurück“.

Ein „Schritt nach vorne“ sei das bereits praktizierte Online-Tracking des Leistungsfalles, vergleichbar mit der bekannten Paketverfolgung. Im besten Fall sehe der Kunde hier sogar den konkreten Bearbeitungsstand, teilweise allerdings auch nur den Posteingang.

Zur Studie:

Die Experten von Franke und Bornberg untersuchen im Rahmen des BU-Unternehmensratings bei ausgewählten BU-Versicherern die Leistungspraxis – jedes Jahr aufs Neue und 2020 bereits zum 16. Mal. Dafür analysieren sie Zahlen und Prozesse in den Bereichen Risikoprüfung, Leistungspraxis und Controlling und untersuchen die Regulierungspraxis auch vor Ort. Michael Franke: „Wir sind keine BU-Polizei und recherchieren auch nicht als verdeckte Ermittler. Die untersuchten Versicherer stellen sich unserem aufwendigen Verfahren freiwillig. Ihre und unsere Motivation: Qualität transparent zu machen und die Regulierung und damit auch die BU insgesamt noch zu verbessern.“

Die Regulierungsstudie 2020 basiert auf Untersuchungsdaten für das Geschäftsjahr 2018. Diese Daten werden durch Stichproben vor Ort validiert, die im November 2019 erfolgten – also noch „vor Corona“. Teilgenommen haben die BU-Versicherer Generali Deutschland (ehemals AachenMünchener), Ergo Vorsorge, HDI, Nürnberger und Zurich. Sie bieten rund 3,9 Millionen Kund*innen Versicherungsschutz bei Berufsunfähigkeit.

Autor VW-Redaktion

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