Hiscox-Expertin Baierle im Interview: „Kunst wird als stabile Größe wahrgenommen“

Janna-Lena Baierle, Underwriter Art & Private Clients, Hiscox Deutschland. Quelle: Unternehmen.

Kunst ist ein Corona-Gewinner – das zeigt eine aktuelle Studie von Hiscox. Zudem wird es zu einer Konzentration der Kunstanbieter und einer Zunahme von Onlinekäufen kommen, was für die Versicherer und Vermittler von zentraler Bedeutung ist. Wie sollen Sie ihr Geschäft ausrichten? VWheute hat mit Janna-Lena Baierle, Underwriter Art & Private Clients, Hiscox Deutschland, über den Kunstmarkt, Cocooning und die Zukunft der Kunstversicherung gesprochen.

VWheute: Warum kaufen Kunden in der Pandemie verstärkt Kunst – Flucht in das Schöne oder einfach Zeit, Geld und die Lust auf Investments?

Janna-Lena Baierle: Bestimmte Bereiche haben von der Pandemie indirekt profitiert, neben manchen IT-Dienstleistern, Homeoffice-Equipment-Suppliern und Lieferdiensten auch Unternehmen, die es Menschen Zuhause behaglicher, sicherer oder schöner machen. Neben diesem Cocooning entwickelt sich bei vielen Menschen eine verstärkte Sehnsucht nach Kunst. Sie erweitert unseren Horizont und kann uns in eine andere Welt entführen, die wir gerade vielleicht nicht betreten können. Zudem kommt hinzu, dass Online-Kunstkäufe weiterhin möglich waren, wohingegen viele andere Aktivitäten teilweise oder komplett eingeschränkt wurden. Diese Zeit haben viele unserer Kunden genutzt, um ihre Vermögenswerte zu ordnen und uns Aktualisierungen zu schicken, etwa was ihren Kunstbestand oder dessen Wertentwicklung angeht.

Ein weiterer Grund für eine stärkere „Lust auf Kunst“ liegt in der neuen Sichtbarkeit von Galerien, Auktionshäusern und anderen Kunstinstitutionen. Sie haben während der Pandemie-Zeit kreative Lösungen entwickelt und zeigten sich beispielweise vermehrt in den sozialen Netzwerken mit interaktiven Talks, Ausstellungsbesuchen oder Künstlerinterviews, an denen Interessierte kostenfrei teilnehmen konnten.

Für einen anderen Personenkreis spielten sicher auch die starken Schwankungen und zum Teil großen Verluste an den Aktienmärkten eine Rolle und sie haben deshalb nach neuen Investmentmöglichkeiten gesucht. Kunst wird als stabile Größe wahrgenommen, sodass einige Kunden für ihre private Geldanlage in Kunst investieren.

VWheute: Ihr Report suggeriert, dass es bald nur noch wenige globale Kunsthändler geben wird. Von welcher Zahl sprechen wir, wo werden diese sitzen und suchen sie als Versicherer bereits den Kontakt für künftiges (Versicherungs-) Geschäft?

Janna-Lena Baierle: In vielen Bereichen der Wirtschaft sind Konsolidierungsprozesse zu beobachten. Größenvorteile und steigende Professionalisierungsanforderungen des Marktes spielen dabei eine wesentliche Rolle, welche nicht alle Player erfüllen wollen und können. Diese allgemeinen Dynamiken schließen den Kunstmarkt ein. Zu der zukünftigen Zahl der Kunsthändler wollen wir nicht spekulieren. Für uns stehen vor allem die Kunden im Fokus, welche die Kunst kaufen und welche wir dauerhaft gut versichern möchten.

VWheute: Der Online-Kunsthandel wird laut Studie zunehmen, ist Kunst nicht (mehr) op- und haptisch? Was machen Sie als Versicherer aus der „Onlineisierung“ des Kunsthandels?

Janna-Lena Baierle: Ein Kunstwerk direkt und unmittelbar zu erleben, wird immer ein wesentlicher Bestandteil der Faszination an Kunst sein. Auch der Besuch im Künstleratelier oder das persönliche Gespräch mit dem Galeristen oder dem Auktionshausmitarbeiter des Vertrauens wird weiter wichtig sein. Gleichwohl nutzen immer mehr Kunden zusätzlich hybride Plattformen und möchten dort die Dienstleistung erfahren, wo sie gerade unterwegs sind.

Der „Onlineisierung“ des Kunsthandels, die nur ein Aspekt der Digitalisierung der Kunstversicherung ist, begegnen wir schon lange zum Beispiel mit Online-Versicherungsangeboten. Weitere Aspekte sind die digitale Kunsterkennung, die digitale Kunstverwaltung, welche auch aktuelle Auktionsergebnisse im Blick behält und zu Versicherungssummenanpassungen rät, die Verknüpfung mit Messinstrumenten, die ständig Wärme oder Feuchtigkeit kontrollieren oder z.B. die Festschreibung von Echtheit, Zustand und Provenienz in der Blockchain und vieles mehr. Bei Hiscox beobachten wir solche Möglichkeiten sehr aufmerksam und wägen immer ab, wo ein spürbarer Nutzen für den Kunden geschaffen wird. In diesem Sinne werden wir unser Angebot in Zukunft kontinuierlich anpassen.

Ein Beispiel, wie wir in der zunehmend digitalisierten Welt Kunst gegen Online-Risiken versichern: Im Rahmen unseres Produkts „Haus & Kunst by Hiscox“ bieten wir als Zusatzbaustein das – nach unseren Recherchen – umfangreichste Private Cyber Cover in Deutschland an. Wir helfen schnell und umfangreich bei Zahlungsdatendiebstahl, Cybermobbing, Identitätsmissbrauch oder Netzwerksicherheitsverletzungen, die einen Einbruchdiebstahlschaden der Kunst zur Folge haben können. Gerade in Zeiten, in denen 350 Prozent mehr Phishing-Seiten von Google verzeichnet werden und immer mehr Menschen von Zuhause arbeiten, ist das verhältnismäßig schlechter gesicherte private Netzwerk ein potenzielles Einfallstor und braucht optimalen Schutz.

VWheute: Der Markt wächst, allerdings geringer als in den Vorjahren, mit welcher Entwicklung rechnen sie langfristig?

Janna-Lena Baierle: Wir rechnen auch in Zukunft mit einem sich langfristig entwickelnden Markt, in dem wir weiter wachsen möchten.

VWheute: Wie kommt ein Kunstversicherer aktiv an neue Kunden, relativ wenige Menschen besitzen eine Kunstsammlung?

Janna-Lena Baierle: Die Kunstwelt ist stark vernetzt. 99 Prozent unserer Kunden waren im letzten Jahr mit unserer Schadenregulierung zufrieden oder sehr zufrieden. Die persönliche Betreuung des Kunden im Schadenfall führt zu vielen Empfehlungen und bestehende Kunden bleiben. Häufig sind wir mit unseren Kunden im Austausch und werden beteiligt, wenn die nachfolgende Generation „übernimmt“ und unterstützen zum Beispiel bei der flexiblen Gestaltung der Übergangszeit, der Inventarisierung oder bieten unseren Rat bei verschiedenen Fragestellungen an. Der Austausch mit den Akteuren des Kunstmarkts bei Messen und – zum Teil eigenen – Veranstaltungen ist außerdem wichtig. Zum Beispiel verleihen wir seit über zehn Jahren den Hiscox Kunstpreis an besonders talentierte Studierende der Hochschule für bildende Künste Hamburg.

Des Weiteren stellen wir uns auf der Produktseite breit auf: Mit unseren Antragsmodellen für Privat- und Firmenkunstsammlungen können wir kleine Sammlungen schnell und unkompliziert versichern und im individuellen Underwriting-Prozess maßgeschneiderte Lösungen für große Sammlungen mit sehr hohen Kapazitäten darstellen. Über unsere Allgefahrenversicherung „Haus & Kunst by Hiscox“ können wir neben dem hochwertigen Hausrat selbst auch Kunst-, Schmuck- oder Uhrensammlungen einschließen. Häufig fangen Kunden hier mit einem kleinen Kunstbestand an, der dann im Laufe der Zeit anwächst. Dass wir die Sammler von Anfang an begleiten, ist natürlich vorteilhaft.

Neben der klassischen Ölgemälde- und Antiquitätensammlung spielen auch andere Sammlungsbereiche eine immer größere Rolle, zum Beispiel Designklassiker, Oldtimer, exotische Fahrzeuge, hochwertige Musikinstrumente, moderne Kunst und vieles mehr. Kunst ist für uns nicht nur das klassische Ölgemälde an der Wand, sondern alles, was der Kunde sammelt und liebt. Und wir bieten dann für jede Art von Kunst eine passende Lösung an.

Die Fragen stellte Maximilian Volz

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