Lebensversicherung im Schleudergang, „besorgniserregende“ Solvenzquoten bei Run-off-Unternehmen

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Die Solvenzquoten in der Lebensversicherung haben sich 2019 marktweit verschlechtert und die Aussichten für 2020 bleiben angesichts der negativen Zinsentwicklung „hart“. Steuert die Branche nicht um, drohen nach Einschätzung von Carsten Zielke und Axel Kleinlein weitere Run-Offs und sogar Pleiten. „Es braut sich etwas zusammen bei den Lebensversicherern“, sagte der Chef des Bundes der Versicherten am Mittwoch bei der Vorstellung der Studie „Solvenzberichte auf dem Prüfstand – Die Branche driftet auseinander“.

Die Lösung sehen sie vor allem in der Erhöhung des Eigenkapitals und der Diversifikation der Kapitalanlagen mit mehr Sachwerten. „Versicherungsunternehmen müssen das Eigenkapital stärken, ohne wieder in die Taschen der Versicherten zu greifen. 100 Milliarden aus Kundengeldern sind genug, jetzt sind Unternehmen und Aktionäre selbst dran“, so Kleinlein. Die „gravierenden Kalkulations- und Anlagelagefehler der Vergangenheiten“ dürften sich nicht wiederholen. Nicht der niedrige Zins, sondern die ins „Blaue hinein viel zu hoch versprochenen Garantiezinsen“ seien das Problem.

Die Zahlen

Für den Bund der Versicherten hat die Zielke Research Consult GmbH die Solvenzberichte 2019 von 82 Lebensversicherern untersucht. Abgestellt wird dabei auf die SCR-Quote „ohne Schnickschnack“, das heißt ohne Übergangsmaßnahmen und Volatilitätsanpassung. Diese ist marktweit um 15,1 Prozent auf 220 (259) Prozent gesunken. Danach liegt bei 16 Gesellschaften die „reine“ Solvenzquote unter 100 Prozent. „Für 2020 rechnen wir bei 20 Prozent der Gesellschaften mit einem weiteren Solvenzquotenrückgang von wenigstens 45 Punkten, womit dann 20 unter Wasser wären“, sagte Zielke. Vor allem „Durationsmatching- und Staatsanleihenfans“ stecken seiner Analyse zufolge „in der Bredouille“.

Das Run-Off-Unternehmen Frankfurt Münchener Leben kommt auf eine negative Quote von elf Prozent. Der Biometrie-Versicherer Europa Leben weist mit 823 Prozent die höchste Quote aus. Kritik üben die beiden auch an der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin). Gewinnabführungsverträge gehörten gestoppt, wenn der „verfassungsrechtliche Anspruch auf Teile der Bewertungsreserven für die Versicherten gestrichen“ werde. „Die Bafin ist nicht besonders mutig. Zudem ist die Aufsicht zurzeit nicht so stark auf Versicherer fokussiert“, so Kleinlein.

Beklagt wird zudem die Aufsichtspraxis bei den Abwicklungsplattformen. Der Studie zufolge verfügen die Run-Off-Gesellschaften tendenziell eher über „schwächere – teilweise sogar besorgniserregende“ Solvenzquoten und überdurchschnittlich hohe Überschussfonds. Nur durch Ansatz von Übergangsvorschriften gelinge es, dass der Geschäftsbetrieb aller Run-Off-Gesellschaften aufsichtsrechtlich zulässig ist. „Diese Unternehmen bergen nach wie vor große Gefahren für Versicherte. Deren Rechte müssen für den Run-Off-Fall gestärkt werden“, sagt Kleinlein.

Bei den zehn vor allem auf Biometrie-Produkte konzentrierten Versicherern kommt die Studie zu „deutlich“ über dem Marktniveau liegenden Solvenzquoten, Überschussfonds und Risikomarge. Hier seien die Gewinnerwartung sehr hoch und das Marktrisiko geringer als im restlichen Markt. Solvency II begünstige offensichtlich ihr Geschäftsmodell. „Sie gehen zudem leichter durch das Niedrigzinstal als andere Unternehmen,“ so Kleinlein. Der Trend der klassischen Versicherer zunehmend Biometriegeschäft zu schreiben, sieht Kleinlein für die Verbraucher kritisch. Wenn Lebensversicherer ihre Solvenzquote durch mehr Biometrie „pimpen“, könne dies eine „laxere“ Risikoprüfung bedeuten.

Es gibt auch Lob

Positiv bewerten die Analysten die zunehmende Transparenz der Berichte. Um dies zu würdigen, werden erstmals die SFCR-Transparenzsiegel vergeben, welche die Unternehmen gegen eine Schutzgebühr nutzen können. Das neue SFCR-Transparenzsiegel erhalten die Alte Leipziger sowie die beiden DEVK-Lebensversicherer in „Gold“, 24 Unternehmen in „Silber“ und 15 Unternehmen in „Bronze“. Die Erlöse aus dem Siegel sollen ausschließlich dem Projekt zur Analyse der SFCR-Berichte zugutekommen. Das Transparenzsiegel sagt nichts über die Güte der Solvenz aus, sondern nur über die Informationspolitik.

Die vollständige Analyse steht auf der Website des BdV sowie auf www.check-deine-versicherung.de. Sämtliche Zahlen und Ergebnisse sind frei verfügbar. „Alle sind eingeladen, mit diesen Zahlen weiter zu rechnen“, so Kleinlein.

Autorin: Monika Lier

Ein Kommentar

  • Nein, Gesellschaften mit gutem Duration Matching sind genau die Gewinner der Solvenzberichte… soviel methodische Mängel! Und das obwohl wir bei Silber landen würden im Label des SFCR-Berichts…. für die Aussage, dass reine Risikoversicherer ohne Kapitalbildung keine Probleme mit Niedrigzinsen haben, bräuchte es jetzt weder Studie noch Studium 😉

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