„Versicherungsprämien zu zahlen, reicht nicht aus“

Edward Ler, Chief Underwriting Officer Ergo. Bildquelle: Ergo
Vor anderthalb Jahren installierte Ergo den gebürtigen Singapurer Edward Ler als Chief Underwriting Officer. Hier definiert er die Strategie für das Versicherungsportfolio und den Umgang mit Risiken. Darüber spricht Ler im Interview mit der Börsenzeitung – und nimmt die Politik in die Pflicht.
„Manche Risiken kosten viel, werden aber gar nicht wahrgenommen“, sagt Ler. Regierungen und Gesellschaften würden unterschiedlich mit Risiken umgehen. Als Beispiel nennt er Japan, wo die Regierung ihre Bevölkerung auf ein erhöhtes Erdbebenrisiko hingewiesen und Investitionen vorgestellt habe, um dem entgegenzutreten. Singapur habe seine Bürger dafür sensibilisiert, dass in den nächsten 100 Jahren Milliarden investiert werden müssen, um sich auf die steigenden Meeresspiegel vorzubereiten.
„In Deutschland scheint es jedoch genau andersherum zu sein“, erklärt der Manager gegenüber der Börsenzeitung. „Die Diskussion um eine Pflichtversicherung für Elementarschäden ist ein typisches Beispiel. Wir sollten nicht nur diskutieren, ob wir sie brauchen, sondern auch, wie wir Vorsorge treffen, damit Versicherungslösungen langfristig tragfähig bleiben. Warum schaffen wir keine Anreize für Menschen, aus hochwassergefährdeten Gebieten wegzuziehen, und renaturieren Flüsse wieder etwas mehr, damit solche Ereignisse seltener vorkommen? Mit solchen Fragen müssen sich die Regierungen dringend befassen. Versicherungsprämien zu zahlen, reicht nicht aus.“
Laut Ler könnten Versicherungsprodukte allein keinen Schaden verhindern. Zudem gebe es nicht genug Menschen und Materialien, um Schäden adäquat zu beheben. „Das würde ewig dauern, besonders da Naturkatastrophen in Häufigkeit und Intensität zunehmen.“ Ökonomische Schäden kämen hinzu. Die Faktoren Bewusstsein, Prävention, Klimaanpassung und Versicherung müssten zusammenspielen.
Der Manager kritisiert eine „Flut-Demenz“. Unmittelbar nach dem Ahrtal-Hochwasser 2021 habe es einen starken Anstieg bei Elementarschadenversicherungen gegeben – „aber Menschen vergessen schnell“.
Auch zum Umgang mit Cyberversicherungen äußert sich Ler im Interview. Vor allem mehrere Großereignisse könnten seiner Meinung nach zu finanzieller Überlastung führen. „Das Risikoparadigma verändert sich. Ich bin der Meinung, dass Prämien für Cyberversicherungen risikobasiert sein müssen. Es reicht nicht, rückblickend zu sagen: ‚Vor 10 Jahren gab es keine Cyberschäden‘ und das als Berechnungsgrundlage zu nehmen.“
Ler betont, dass die private Versicherungsbranche über eine begrenzte Kapitalbasis verfüge. Man werde keine systemischen Risiken eingehen, die die Bilanz gefährden.
Autor: VW-Redaktion