Assekurata-Experte Dyschelmann: Lebensversicherer müssen eigene Stornoentwicklung und den nötigen Liquiditätsbedarf engmaschig im Auge behalten

Bildquelle: Mohamed Hassan auf Pixabay

Die Übernahme der Schweizer Skandalbank Credit Suisse durch die UBS beherrscht dieser Tage die Schlagzeilen. Vor rund einer Woche meldete die Silicon Valley Bank (SVB) Insolvenz an. „Anders als noch bei der Lehman-Pleite 2008 liegt der Grund hierfür nicht im Ausfall von Hypothekendarlehen mit schlechter Bonität, sondern genau gegensätzlich an ‚zu sicheren“ Wertpapieren“, konstatiert David Dyschelmann von Assekurata. Droht den Lebensversicherern ein ähnliches Szenario?

So habe der Zinsanstieg nach Ansicht des Analysten dafür gesorgt, „dass die Anleihen massiv an Wert verloren. Diese Entwicklung ist mit dem Anstieg der stillen Lasten in den handelsrechtlichen Bilanzen der deutschen Lebensversicherer vergleichbar. Und auch hier tritt der GAU erst ein, wenn die Buchwertverluste in signifikantem Umfang auch realisiert werden müssen. An dieser Stelle greift jedoch die zweite Folge der Zinsentwicklungen: Teile der gebeutelten US-amerikanischen Start-up-Kunden zogen zusätzlich ihre Einlagen aus der SVB ab. Dieser sogenannte ‚Banken-Run‘ führte in einem Teufelskreis zu einem Liquiditätsproblem, und aus dem theoretischen Wertverlust der Papiere entstand ein reelles Problem.“

„Auch die Übernahme der in der Krise steckenden Schweizer Großbank Credit Suisse durch UBS und die notwendig gewordenen Liquiditätshilfen der internationalen Notenbanken dürften einen großen Einfluss auf das zukünftige Verhalten der EZB haben.“

David Dyschelmann, Analyst Assekurata Rating-Agentur GmbH

Allerdings gehe er davon aus, „dass aufgrund der unterschiedlichen Geschäftsmodelle ein solcher Run bei Versicherungen unwahrscheinlich ist. Das Stornoniveau der Lebensversicherer bewegt sich seit Jahren konstant bei knapp über vier Prozent. Auch die Corona-Pandemie und die ersten Folgen der Rekordinflation haben in den Jahren 2020 bis 2022 zu keinem größeren Stornoanstieg, geschweige denn einem Massenstorno geführt. Dennoch stellt sich bei weiter steigenden Zinsen unweigerlich die Frage, ob ein gewisser Kipp-Punkt besteht, ab dem die Kunden aus finanzrationaler Sicht nicht mehr an den Lebensversicherungsverträgen festhalten werden.“

Quelle: Assekurata

Zudem dürfte nach Ansicht Dyschelmanns das „jetzige Zinsniveau von ca. drei Prozent beim zehnjährigen Null-Kupon-Euro-Zinsswapsatz noch nicht der kritische Zins zu sein, auch wenn dieser Wert bereits über der von der Bundesbank ausgearbeiteten Höhe liegt.“ Dennoch seien die Lebensversicherer „gefordert, die eigene Stornoentwicklung und den nötigen Liquiditätsbedarf engmaschig im Auge zu behalten“.

Die Ratingagentur Fitch hat indes jüngst davor gewarnt, dass die steigenden Zinsen vor allem für schwächelnde Lebensversicherer zu einem Problem werden könnten. Demnach seien steigende Zinsen für Lebensversicherer zwar grundsätzlich positiv, da Prämien höher verzinst angelegt werden können. Ein plötzlicher Zinsanstieg könnte jedoch zu einer Zunahme vorzeitiger Rückzahlungen führen, da Kunden ihre alten Kontrakte einlösen, um den Erlös in neue Kontrakte mit besseren Renditen zu reinvestieren, fürchten die Analysten von Fitch.

Zwar hätten die meisten bewerteten Lebensversicherer einen vielfältigen Geschäftsmix, von denen viele nicht dem Risiko eines Anstiegs vorzeitiger Rückzahlungen ausgesetzt sind, so die Ratingagentur weiter. Dies gelte allerdings nicht für alle Lebensversicherer, wie das Beispiel des italienischen Unternehmens Eurovita zeigt. Demnach sei der Konzern vor allem auf traditionelle Sparprodukte ausgerichtet.

Autor: VW-Redaktion

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