BdV: „In Einzelfällen gibt es Versicherer, bei deren Verträgen Kunden für den Break-even 120 Jahre alt werden müssten“
Schon seit 1983 vertritt der Bund der Versicherten die These, dass Lebensversicherungen als Altersvorsorge legaler Betrug sind. Gestern wärmte BdV-Vorstandssprecher Axel Kleinlein in einem Presseworkshop das Thema erneut auf. Drei verschiedene Betrugsszenarien – allesamt durch Gesetzgeber und Gerichte legalisiert – nahm er dabei auf’s Korn.
Zum einen würde unter anderem durch die Zillmerung die Erwartung der Kunden, dass sie wie bei einer Bank Geld anlegen, Zinsen in Form von Überschüssen und damit eine gute Altersvorsorge bekommen, getäuscht. Dabei würde der Vertrag durch Abschlusskosten erst einmal ins Negative rutschen, bevor der Sparvorgang in Gang käme. „Sehr viel Geld, was die Versicherten eigentlich zu erwarten haben, fließt in andere Töpfe und kommt nicht an. Das alles wird durch Gesetze und Verordnungen flankiert und ist damit legal“, beklagte er.
140 Jahre bis zum Break-even
Auch bei den Rentenversicherungen, auf die sich die Versicherer aufgrund des negativen Images von Kapitallebensversicherungen seit einigen Jahren fokussieren, gebe es einen legalen Betrug durch unseriös hoch angesetzte Lebenserwartungen. Dadurch werden die Rentenzahlungen herabgesetzt, da das Kapital theoretisch für mehr Jahre reichen müsse, als die Statistik eigentlich vorsieht. Angenommen, es stehe ein Betrag von 100.000 Euro zur Verfügung und die Rente beginnt mit 65 Jahren, dann stünde – stark vereinfacht – bei einer Lebenserwartung von 85 Jahren jährlich eine Rente von 5.000 Euro zur Verfügung.
Wird eine Lebenserwartung von 95 Jahren angesetzt, reduziert sich die Jahresrente auf 3.333 Euro und bei – sehr unrealistischen – 105 Jahren sogar auf 2.500 Euro. Mit derartig lebensfernen Sterbetafeln würden aber die Rentenversicherer agieren, argumentierte Kleinlein. So würde ein heute 52-jähriger Mann nach der Sterbetafel für extra langes Leben 103,1 Jahre alt werden, ohne Langlebigkeitszuschlag immer noch 95,6 Jahre alt. Tatsächlich gibt das Statistische Bundesamt eine durchschnittliche Lebenserwartung von 84,4 Jahren an. Bei Risikolebensversicherungen, so Kleinlein, rechnen die Versicherer dagegen nur mit 78,3 Jahren. Damit ergibt sich zur Langlebigkeitstafel eine Differenz von fast 25 Jahren – für ein und dieselbe Person. „Nimmt man den Durchschnitt von knapp 85 Jahren, dann bekommen die Versicherer fast 20 Jahresrenten geschenkt“, fasst er zusammen.
„In Einzelfällen gibt es Versicherer, bei deren Verträgen Kunden für den Break-even – also, dass man das herausbekommt, was man eingezahlt hat – 120 Jahre alt werden müssten, bei Überschussrenten auch über 140 Jahre. Dieses Alter erreicht niemand, schon gar nicht der Durchschnitt“, bemängelte Kleinlein. Und warum können Versicherer das tun? Weil zum einen, argumentierte er, das Aufsichtsrecht nur eine Mindestlebenserwartung verlange, nach oben aber keine Grenze gesetzt werde. Zudem sieht auch das Steuerrecht keine Einschränkung. Und schließlich würden Riester- und Rürup-Renten zwingend eine Verrentung vorschreiben, sodass es für Kunden kein Entrinnen gebe.
Zinszusatzreserve ist Feigenblatt
Schließlich griff Kleinlein auch den von ihm sogenannten Garantiezins-Betrug an. Er klagte an, dass Gelder, die eigentlich als Überschussbeteiligung an Kunden fließen müssten, als Zinszusatzreserve verwendet und damit den Kunden vorenthalten werden. „Statt Eigenkapital zu verwenden oder die Aktionäre hinzuzuziehen, werden Kundengelder benutzt. Solvenzmittel müssten aber eigentlich aus dem Eigenkapital gebildet werden, was aber natürlich die Dividende schmälern würde“, so sein Vorwurf. „So werden mittelbar Überschussgelder den Kunden vorenthalten und praktisch den Aktionären gutgeschrieben.“ Lebens- und Rentenversicherer sollten stattdessen zugeben, dass sie schon seit zehn Jahren die Garantien nicht mehr bezahlen können. Die Zinszusatzreserve übertusche diese Tatsache zulasten der Versicherten. „Ein Feigenblatt, um die Wahrheit zu verschleiern“, schimpfte Kleinlein. Wenn das allgemein bekannt wäre, würde kein Kunde mehr eine Kapitallebensversicherung abschließen.
Zu wenig Eigenkapital
Prof. Karl Michael Ortmann, Mathematikprofessor der Berliner Hochschule für Technik und Aktuar, schätzte das Vorsichtsprinzip der Aktuare, was die Lebenserwartung betrifft, ebenfalls als übertrieben ein. Man sei mehr den Versicherern als der Allgemeinheit verpflichtet, so sein Kritikpunkt. Das sei legaler Betrug, knüpfte er an den Titel der Veranstaltung an. Auch die Zinszusatzreserve hält er für das falsche Instrument. Die deutschen Lebensversicherer hätten – auch im internationalen Vergleich – erschreckend wenig Eigenkapital. „Wenn es schwierig wird, hält man sich entsprechend an die Versicherten“, so sein Urteil. Dabei müssten dann die Anteilseigner mehr Geld ins Unternehmen pumpen. „Man muss sich wundern, dass nicht gegen die Zinszusatzreserve geklagt wird, da sie eindeutig dem Verursacherprinzip widerspricht“, so sein Resümee.
Autorin: Elke Pohl
Dem Bund der Versicherten e.V. (BdV) ist als Verbraucherschützer zugute zu halten, dass er sehr früh erkannt hat, dass die Lebensversicherung als Altersvorsorge mit Hilfe des Gesetzgebers und der Gerichte, nicht das hält, was sie dem Verbraucher verspricht.
Der BdV hat früh ein Urteil erstritten, dass Lebensversicherungen legaler Betrug sind.
Was zu bemängeln ist, ist, dass der BdV die Kosten, hier insbesondere die Provisionen der Vermittler, mit für die schlechten Renditen verantwortlich macht. Der BdV muss zur Kenntnis nehmen, dass Arbeit Geld kostet. Dabei gibt es sogar sehr unterschiedliche Vergütungsmodelle in der Versicherungswirtschaft. Es gibt viele Versicherungsvermittler, die sozialversicherungspflichtig angestellt sind. Und diese Vertreter müssen tatsächlich bezahlt werden.
Wenn der Verbraucher ein Auto kauft, ist doch tatsächlich die Verkaufsprovision des Autoverkäufers im Kaufpreis des Autos einkalkuliert. Auch der BdV arbeitet nicht umsonst. Die Tochtergesellschaften des BdV vermitteln Versicherungen und verlangen doch tatsächlich pro Vertrag eine jährliche Gebühr in Höhe von 8,00 €.
Die steuerfinanzierten Verbraucherschützer haben das Problem der Lebensversicherung über Jahrzehnte nicht erkannt. Jahrelang haben sie in ihren Tests, die Anbieter, die die höchsten garantierten Ablaufleistungen prognostizierten, in den Himmel gehoben. Da hatte der „dumme“ Vermittler keine Chance, dieses Modell in Frage zu stellen. Wem glaub der Verbraucher?
Als Anfang 2000 Versicherungsgesellschaften, die die hohen garantierten Ablaufleistungen sehr kritisch betrachtet haben, und selbst nur eine kleine garantierte Ablaufleistung in den Angeboten auswiesen, wurden diese Produkte von den Verbraucherschützern als nicht empfehlenswert eingestuft. Dabei ist heute noch die Begründung dieser Gesellschaften nach vollziehbar. „Garantien kosten Geld und gehen zu Lasten der Rendite“.
Noch heute erfreuen sich diese Versicherungsverträge, die eine geringe Garantie ausweisen, bester Rendite, nämlich zwischen 5 % – 6 % (nach Abzug aller Kosten).
Die Verbraucherschützer sollten sich einmal die Frage stellen, inwieweit sie über komplexe Versicherungsprodukte gut informiert sind. Der Verbraucher sollte wissen, dass die Verbraucherschützer für ihre Fehleinschätzungen nicht haften
Etwas Aufklärung aus einem LinkedIn Artikel von vor einiger Zeit:
„Kürzlich entsponn sich hier auf den sozialen Medien eine Diskussion über die Kalkulation der Lebenserwartung in privaten Rentenversicherungen, die ja auch häufig in der Riester-Debatte zu hören ist. Sie geht tendenziell immer so: „Ihr Versicherer kalkuliert ja mit so hohen Lebenserwartungen, dass man da 100/xy werden muss, um sein Geld wieder zu sehen“.
Die Antworten darauf haben mich dazu gebraucht, das Thema hier in einem Beitrag zusammenzufassen:
1) Die durchschnittliche Lebenserwartung bei Geburt liegt nach (Perioden-)Sterbetafel 2018/20 bei etwa 83,4/78,6 Jahren (m/w), aber davon kann man nicht einfach die z.B. 65 Jahre bei Renteneintritt abziehen, wenn man überlegt, wie lange man denn in der Renten noch zu leben hätte.
Denn die sog. FERNERE Lebenserwartung liegt dann noch bei 21,1/17,9 Jahren ab 65, weil ja alle schon rausgefallen sind aus dem Durchschnitt, die vor 65 gestorben sind. Damit unterschätzt man schon einmal seine Lebenserwartung, wenn man diesen Unterschied nicht parat hat.
2) Die Lebenserwartung von Kunden einer privaten Rentenversicherung liegt statistisch HÖHER als der Durchschnitt des Gesamtbevölkerung, da dabei teilweise schon gesundheitlich sehr angeschlagene Bevölkerungsgruppen, die keine Chance auf Verdienst haben, herausfallen und keine Verträge besitzen. Hinzu kommt noch der soziale Effekt, dass Gutverdiener längere Lebenserwartung aufweisen, d.h. hohe Renten sind tendenziell auch noch länger zu zahlen.
3) Menschen in privaten Rentenversicherungen haben ein Wahlrecht „gegen den Versicherer“, das man in der gesetzlichen Rente nicht hat. D.h. jemand mit schweren Vorerkrankungen oder frischer Krebs-Diagnose wird das Kapital nehmen mit 65 und nicht in die Rentenphase eintreten. Das trägt auch noch einmal dazu bei, dass die Kunden, die überhaupt die Rente wählen, noch langlebiger sind als der Durchschnitt.
4) Die Versicherer müssen noch Sicherheitspuffer einkalkulieren, um aktuariell ihrem Vorsichtsprinzip zu folgen, d.h., um nicht irgendwann bei einer doch sich mehr verlängernden Lebenserwartung „nackt“ dazustehen, wird mit einigen Jahren Lebenserwartung mehr kalkuliert.
Das ist aber insofern nicht ganz so tragisch, dass 90% von etwaigen Risikogewinnen dadurch wieder an das Kollektiv der Versicherten zurückfließen würden…
5) Die aktuelle Lebenserwartung ist nicht stabil, sondern ist eigentlich über alle Jahrzehnte in der Vergangenheit gestiegen (leichte Ausnahme 2020 wegen Corona). Das heißt insbesondere wenn der Rentenstart noch in weiter Ferne liegt, ist es durchaus angemessen, dass mit noch längerem Leben gerechnet wird, um dem Trend gerecht zu werden. Nach dieser sog. Kohorten-Sterbetafel ist je nach Trend (es gibt 2 Varianten, die Trends seit 1971 und den etwas schwächeren Trend seit 2011 fortschreiben) die Lebenserwartung bei 2020 geborenen Jungen bei 90,2/82,9 Jahren und für Mädchen bei 93,1/86,9 Jahren.
Man sieht, der Trend nimmt zwar ab, ist aber natürlich mit Unwägbarkeiten versehen in den nächsten 80 Jahren.
6) Sollte selbst dann noch etwas übrig bleiben beim Lebensversicherer, dann fließen 90% laut Mindestzuführung wieder zurück ans Kollektiv der Kunden. Plakativ wird dagegen immer nur mit dem garantierten Rentenfaktor kalkuliert vom BdV, der letztlich wenig Relevanz hat.“