„Weder Renditejäger noch Philanthrop sein“: Versicherer sollen eigenen Nachhaltigkeitskanon entwerfen

FM-Global-Kunden erhalten eine Resilienzgutschrift. Bildquelle: Chinchu C/ Pixabay

Selbst machen statt warten. Da es bislang noch wenig Standards zu Nachhaltigkeit gibt, sollten die Versicherer eigene definieren. Auch wenn dies zunächst mit Aufwand verbunden ist, wird sich dies für die Unternehmen schlussendlich auszahlen, sagen Christoph Brüggentisch und Ewald Stephan, Consultants bei Assekurata Solutions.

Dass der Klimawandel und die damit in Verbindung stehenden Extremwetterphänome ein globales Problem sind, haben mittlerweile viele Menschen verstanden. Allerdings besteht keine Pflicht zur nachhaltigen Kapitalanlage. „Von regulatorischer Seite gibt es bislang keinerlei Vorgaben, sodass Unternehmen selbstverantwortlich entscheiden können, ob und wie nachhaltig sie ihre Kapitalanlage ausgestalten möchten“, erklären die Experten in einem Blogeintrag. Allerdings nehme der „öffentliche Druck“ zu, eine nachhaltigkeitsbezogene Anlagestrategie zu etablieren, die nicht nur den Klimaschutz berücksichtigt, sondern darüber hinaus „sämtliche Kriterien“ der Nachhaltigkeit aus den Bereichen Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung (ESG) einbezieht.

Erste regulatorische und aufsichtsrechtliche Anforderungen zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken im Risikomanagement und zur Veröffentlichung über Umfang und Inhalt von bereits vorhandenen Nachhaltigkeitsstrategien bzw. -aktivitäten seien jedoch schon in der Welt und erhöhen den Druck auf die Unternehmen, sich mit diesem Thema aktiv zu beschäftigen. Die EU-Taxonomie- und die EU-Transparenzverordnung sind dabei nur „Puzzlestücke“.

Für die Unternehmen wäre es „sinnvoll“, eine eigene mehrwertschaffende Nachhaltigkeitsstrategie zu entwickeln, die unternehmensübergreifend „weit über die Kapitalanlage hinausgehen kann“. Damit kann auch eine Vorbildfunktion für andere Marktteilnehmer eingenommen werden.

Das Positionspapier des DGV zum Thema – Januar 2021 – wäre letztlich eine Absichtserklärung und bleibe  im Hinblick auf die konkrete Ausgestaltung einer Nachhaltigkeitsstrategie mit deren Umsetzung und Maßnahmen „vage“.

Eigene Position finden

Bisher sei Nachhaltigkeit ein „weites Feld mit größtenteils noch unklaren Konturen“. Die Häuser müssten ihre Identität selbst finden. Die EU-Taxonomieverordnung kann dabei „teilweise helfen“. Sie beinhaltet zumindest „Kriterien zur Bestimmung, ob eine Wirtschaftstätigkeit als ökologisch nachhaltig einzustufen ist (Taxonomie), um damit den Grad der ökologischen Nachhaltigkeit einer Investition ermitteln zu können.“

Technische Bewertungskriterien sollen sicherstellen, dass die angestrebten Klima- und Umweltziele auch erreicht werden. Dieser Prozess sollte „nicht überstürzt in der Kapitalanlage beginnen“, sondern auf einer strategischen Betrachtungsebene. Es gelte, im Zielbild die Gesamtunternehmensstrategie mit einer Nachhaltigkeitsstrategie in Einklang zu bringen.

So kann es gehen

Zur Definition einer eigenen Nachhaltigkeitsstrategie ist es besonders wichtig, sich in einem ersten Schritt über die eigenen Werte des Unternehmens Klarheit zu verschaffen und einen Wertekanon zu identifizieren. Anschließend sollten alle im Unternehmen – Vorstand, Führungskräfte und alle Mitarbeiter – dahinterstehen, den dann erreiche das Unternehmen „tatsächlich Glaubwürdigkeit nach außen“. Sehr sinnvoll sei die Einbeziehung des Aufsichtsrates.

Es gibt  bereits erste Instanzen, die beim Rating oder der Zertifizierung von Produkten Unterstützung anbieten. Weitaus mehr zeigen sich jedoch am Markt viele Produkte, bei denen „Greenwashing naheliegt“. Die Unternehmen müssten bei der Prüfung „tief einsteigen“ und die Produkte systematisch auf Herz und Nieren zu prüfen.

Kein Renditejäger oder Philanthrop sein

Bei nachhaltiger Kapitalanlage gehe es im Ergebnis um einen „gesunden Kompromiss“, das heißt eine „lösungsorientierte Herangehensweise“, die ein „Gleichgewicht“ zwischen wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Faktoren schafft. „Ebenso wie rein philanthropisches Denken keinen Raum in der Kapitalanlage von institutionellen Investoren finden kann, gilt es vor allem auch nicht mehr, im Sinne eines Mainstream-Investings nur allein nach der höchsten Rendite zu streben.“

Brüggentisch und Stephan empfehlen einen holistischen Blick auf das Thema Nachhaltigkeit. Auch wenn der Kapitalanlage eine besondere Rolle zukomme, sollte nichts überstürzt oder isoliert in Aktionismus verfallen werden. Von hoher Bedeutung sei die Einbettung einer Nachhaltigkeitsstrategie in die gesamte Unternehmensstrategie. „Da es bislang noch wenig Standards gibt, gilt es eigene zu definieren. Auch wenn dies zunächst mit Aufwand verbunden ist, wird sich dies für die Unternehmen auszahlen.

Zu den Autoren: Christoph Brüggentisch (Managing Consultant Assekurata Solutions GmbH), Ewald Stephan (Senior-Consultant Assekurata Solutions GmbH), schreiben in ihrem Blog.