Michael Pickel: „Das Marktumfeld ist heute viel komplexer als in der Vergangenheit“

Michael Pickel. Quelle: Hannover Rück

Am Wochenende treffen sich die Rückversicherer wieder zum jährlichen Stelldichein in Monte Carlo. Dank der Großschäden der vergangenen Jahre dürfte Branche in diesem Jahr wohl wieder mit höheren Prämien rechnen. Welche Perspektiven in den kommenden Jahren zu erwarten sind und welche Rolle der Klimawandel dabei spielt, erläutert E+S-Vorstandschef Michael Pickel im Exklusivinterview mit VWheute.

VWheute: Wie schätzen Sie das Marktumfeld Rückversicherung gegenwärtig ein?

Michael Pickel: Die Rückversicherung als Teil der Finanzindustrie kann sich globalen Zyklen nicht entziehen. Zudem spiegelt sich in der Preisbildung die Schadenerfahrung der letzten Jahre wieder. Das Marktumfeld ist also komplex und global betrachtet befinden wir uns in einem anhaltend intensiven Wettbewerb sowohl in der Schaden-Rückversicherung als auch in der Personen-Rückversicherung. Dies ist unter anderem auch dadurch getrieben, dass die Angebote für Rückversicherungsdeckung die Nachfrage seitens der Erstversicherer seit Jahren übersteigen. Aufgrund unserer guten Wettbewerbsposition befinden wir uns aber auch im jetzigen Marktumfeld in einer komfortablen Situation in der wir profitabel wachsen können.

VWheute: Wie entwickeln sich die Prämiensätze?

Michael Pickel: Die letzten zwei Jahre waren besonders reich an Großschäden, die die von Versicherern kalkulierten Schadenerwartungswerte überschritten haben. Dies führte dazu, dass die Ergebnisse vieler Erst- und Rückversicherer eher enttäuschend waren. Nach und nach können wir markt- und geschäftsübergreifend nun wieder vornehmlich moderate Preissteigerungen im Rückversicherungsbereich vermelden. Besonders in den Erneuerungen Mitte des Jahres konnten wir verbesserte Preise erzielen. Darüber hinaus sehen wir zudem eine positive Veränderung der Konditionen auf dem Erstversicherungsmarkt, teilweise sogar deutlicher als auf dem Rückversicherungsmarkt. Das stimmt uns für die folgenden Erneuerungen optimistisch.

VWheute: Welche Folgen hat das für die Hannover Rück?

Michael Pickel: Natürlich haben wir Anforderungen an die Profitabilität der einzelnen Sparten, die wir dem Kapitalmarkt kommuniziert haben, und die wir einhalten müssen, um als Hannover Rück profitabel arbeiten zu können. Dass wir diese nicht aus dem Auge verlieren, haben wir in den vergangenen Jahren bewiesen. Sollten die Preise tatsächlich weiter steigen, dann bedeutet das für uns vor allem eine Möglichkeit, unser Geschäft weiter profitabel auszubauen. In vielen Bereichen sind unsere eigenen Profitabilitätsanforderungen der Hauptgrund, weshalb wir nicht mehr oder nur restriktiv zeichnen. Wichtig ist dabei, dass unser Fokus auf der gesamten Kundenbeziehung liegt, die für uns vor allem insgesamt wirtschaftlich sein muss.

VWheute: Was sind die Perspektiven für die nächsten Jahre?

Michael Pickel: Grundsätzlich sehen wir für uns als reinen Rückversicherer in den nächsten Jahren genügend Potenzial für Wachstum. Um weiterhin erfolgreich zu sein, müssen wir kontinuierlich an unserer Kundenorientierung arbeiten und unsere Position im Markt verteidigen. Dies gelingt nur, wenn wir uns auf unsere Vorteile besinnen, sie weiterentwickeln und erhalten. Ebenso gilt es, sich neuen Anforderungen anzupassen – Cyber ist hier ein Schlagwort, das ich in dem Zusammenhang nennen möchte. Die Rückversicherung von Cyberrisiken ist für uns eine attraktive Sparte, wobei wir hier den Schwerpunkt auf kleinere und mittlere Unternehmen legen, weil hier aus unserer Sicht noch viel Potenzial liegt. In Deutschland sind wir gut gestartet, nun gilt es das auch auf europäischer Ebene auszurollen – wir haben hierbei allerdings keine Wachstumsziele, eher Kundenziele. Mit unseren Kunden haben wir die Erfahrung gemacht, dass sie einen Rückversicherer in der Rolle des Ratgebers sehr schätzen und diese Rolle konnten wir bisher erfolgreich einnehmen.

VWheute: Inwiefern beeinflusst der Klimawandel Preise und Geschäft?

Michael Pickel: Zurzeit beeinflusst der Klimawandel unsere Preisfindung noch nicht signifikant. Das liegt vor allem daran, dass wir unsere Preise meist jährlich verhandeln, der Klimawandel aber eine langfristige Entwicklung ist. Schaut man sich die Naturkatastrophenmodelle derzeit an, dann sind die Wiederkehrperioden für bestimmte Schadenshöhen im Bereich Hurrikan, Taifun oder auch für europäische Stürme in den letzten Jahren nicht angestiegen. Diese Modelle sind die Basis für die Preisgestaltung sowohl in der Erwartung der Kunden, der Erstversicherer, als auch der Rückversicherer. Allerdings beobachten wir bei Flutschäden, Hagelschäden und Waldbränden weltweit eine erhöhte Frequenz, sodass wir in unseren eigenen Modellen entsprechende Zuschläge dafür vornehmen.

Die Fragen stellte VW-Redakteur Michael Stanczyk.

Das vollständige Interview lesen Sie in der aktuellen Ausgabe der Versicherungswirtschaft.