Versicherer hadern mit hohen Kosten für Ersatzteile und E-Mobilität

Goslar Diskurs: Prof. Dr. Stefan Bratzel (l.), Dr. Jörg Rheinländer (r.) und Moderator Guido Reinking. Bildquelle: USK

Die Prämien für Kfz-Versicherungen werden wohl mindestens zwei Jahre steigen. Ein Grund ist ein Quasi-Monopol der Hersteller auf Ersatzteile. Kfz-Versicherer bemühen sich, mehr Fahrzeuge in eigene Werkstätten zu lotsen. Beim Verkehrsgerichtstag in Goslar kochte der Branchenbrennpunkt wieder hoch.

E-Autos sind für viele Menschen in Deutschland nicht bezahlbar. Das zeigt ein Stimmungsbild, das das Goslar Institut e. V. bei verschiedenen Verbraucherinnen und Verbrauchern ermittelt hat. Tenor der nicht repräsentativen Umfrage: Die Kosten für Autofahren explodieren. Die Kostenentwicklung lässt sich mit konkreten Daten belegen, wie eine Untersuchung des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) zeigt. Demnach haben die Autohersteller zwischen August 2022 und August 2023 die Preise im Schnitt um 9,7 Prozent erhöht.

„Einige Ersatzteile wurden noch teurer: So kostet eine hintere Autotür sogar über 13 Prozent mehr als im Vorjahr“, so GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen. Die Branche kritisiert, dass Ursache für diese Entwicklung der Ersatzteilpreise, die weit über der sonstigen Inflation liegt, durch ein Quasi-Monopol der Kfz-Hersteller, die sogenannte Design-Richtlinie, entsteht.

Ersatzteilpreise verdoppelt

„Die Kosten haben sich in zehn Jahren mehr als verdoppelt“, sagte Dr. Jörg Rheinländer, Vorstandsmitglied der HUK-Coburg-Gruppe, in einer Diskussion am Rande des 62. Deutschen Verkehrsgerichtstages. Während die Zahl der Personenschäden sinke, würden die Blechschäden steigen. Aktuell habe die gesamte Kfz-Versicherung einen Verlust von drei Milliarden Euro gemacht. Ein wesentlicher Grund wären die immer weiter steigenden Ersatzteilpreise. Rund acht Milliarden Euro müssten die Kfz-Versicherer derzeit dafür zahlen.

„Selbst für Fahrzeuge, die gar nicht mehr verkauft werden, steigen die Ersatzteilpreise erheblich“, kritisierte Rheinländer. Autofahrer müssten sich auf steigende Versicherungsprämien für die nächsten Jahre einstellen. Mit dem jetzt für 2024 vom GDV ermittelten Prämienanstieg von rund zehn Prozent komme die Branche nicht in die schwarzen Zahlen. In der Diskussion erläuterte Prof. Dr. Stefan Bratzel von der Fachhochschule der Wirtschaft (FHDW), dass die Kfz-Hersteller sich derzeit in einem schwierigen und teuren Transformationsprozess zu E-Autos befänden.

Reparaturklausel wirkt erst spät 

Zudem wären heutige Autos deutlich komplexer. Sie wären aber auch sicherer und komfortabler geworden, so der Autoexperte, der „Automotive Management“ lehrt. Kritisch merkte er an: „Für breite Schichten ist heute ein E-Auto nicht bezahlbar.“ Während herkömmlich angetriebene Fahrzeuge im Schnitt 40.000 Euro kosten würden, lägen die E-Pkw bei rund 52.000 Euro. „Autohersteller müssen aufpassen, dass sie mit den hohen Preisen nicht ein Eigentor schießen, wenn die Fahrzeuge nicht mehr absetzbar werden“, warnte Bratzel.

Einig waren sich die Diskutanten, dass die sogenannte „Reparaturklausel“, die das Designmonopol aufheben soll, viel zu spät erst eine Wirkung erzielt. Denn es gibt einen 25-jährigen Bestandschutz. Die Liberalisierung des Marktes für sichtbare Kfz-Ersatzteile werde sich daher erst ab 2045 spürbar positiv auf die Preise auswirken. Daher kämpft die Branche nun dafür, dass zumindest bei E-Autos günstigere Reparaturwege eingeschlagen werden.

Schadensteuerung wichtiger

„Derzeit sind die Reparaturen von E-Autos rund ein Drittel teurer als die von herkömmlichen Verbrennern“, stellte Rheinländer fest. Grund sei zum einen, dass die Werkstatt neue Technik vorhalten müsse und vielfach die Batterie nach einem Unfall sofort ausgetauscht würde. „Wir kämpfen nun dafür, dass beispielsweise erst einmal diagnostiziert wird, in welchem Zustand die Batterie überhaupt ist“, so Rheinländer. Erfolgversprechend seien zudem neuartige Batterien, die in austauschbaren Segmenten aufgebaut würden.

Sparen können Kfz-Versicherer, wenn sie die Fahrzeuge in eigene Partnerwerkstätten steuern. Das ist aber nur bei Kaskoschäden möglich, weil hier eine vertragliche Vereinbarung mit dem Kunden besteht. Bei der HUK-Coburg-Gruppe hat bereits „deutlich mehr als die Hälfte“ der Versicherten in Kasko eine Werkstattbindung abgeschlossen. Mit ihren eigenen Partnerwerkstätten können die Kfz-Versicherer deutlichen Einfluss auf die Reparaturkosten nehmen.

Experte Bratzel rechnet damit, dass für neue Serviceangebote rund um die Mobilität, künftig überwiegend Kooperationsmodelle etabliert werden. „Deutsche Kfz-Hersteller bauen erst einmal das Auto. Aus Software und Daten Geld zu verdienen, ist noch immer das Geschäft von Amazon & Co.“, so der Wissenschaftler. Als Kfz-Hersteller wäre hier Tesla die Benchmark und auch chinesische Hersteller weit vorne. „Deutsche Autohersteller werden daher mit Big-Techs kooperieren, um immerhin noch eine Gatekeeper-Funktion zu behalten“, so Bratzel. Der Wettbewerb um neuen Mobilitätsservice könnte daher in den nächsten Jahren eine spannende Fahrt aufnehmen.

Uwe Schmidt-Kasparek