Spekulationen um Aviva-Kauf durch Allianz

Aviva ist an der Börse etwa 11 Mrd. Pfund wert. (Bildquelle: Aviva/flickr)
Der britische Versicherer Aviva hat seine Anleger schon oft enttäuscht und wurde von den Konkurrenten Legal & General und Prudential eingeholt. CEO Amanda Blanc gelang zwar der Turnaround, aber der niedrige Aktienkurs des Unternehmens weckt Begehrlichkeiten. Allianz und andere Versicherer zeigen laut einem Zeitungsbericht Interesse an einer Übernahme. Wie wahrscheinlich ist das?
Amanda Blanc steht seit 2020 an der Spitze von Aviva und hat den Versicherer aus acht internationalen Märkten zurückgezogen. In Polen gab man das Geschäft 2021 an die Allianz ab. Nur im Vereinigten Königreich, Irland und Kanada ist Aviva noch aktiv – wo man entweder groß ist oder gute Kapitalrenditen erwartet. Aus den Veräußerungen flossen fast fünf Mrd. Pfund an die Aktionäre zurück. Im ersten Halbjahr erzielte Aviva einen operativen Gewinn in Höhe von 715 Mio. Pfund.
An der Börse ist der größte Schadenversicherer Großbritanniens (Marktanteil 10 Prozent) dennoch günstig zu haben. Denn die Hälfte der Gewinne stammen aus dem Lebengeschäft – wo Aviva mit einem Markanteil von 20 Prozent ebenfalls die Nummer eins ist – aber die zugrundeliegenden Vermögensportfolios enthalten in der Regel große Bestände an Gewerbeimmobilien, deren Bewertungen im Vereinigten Königreich derzeit schwach sind. Auch die Analysten von J.P. Morgan erklärten, dass sie Aviva angesichts des starken Kapitalrenditepotenzials als stark unterbewertet ansehen.
Die Zeitung The Times berichtet von einem Übernahmeangebot eines ausländisches Players für Aviva in Höhe von sechs Pfund pro Aktie. Das wäre ein Aufschlag von etwa 50 Prozent zum aktuellen Kurs. Angesichts des Berichts stieg der Aktienkurs am Freitag anfangs um 10 Prozent, zum Handelsende stand ein Plus von fünf Prozent (4,07 Pfund). Damit wurde das Unternehmen mit insgesamt rund 11,2 Mrd. Pfund bewertet. Das kann sich die Allianz durchaus leisten. Die Münchener und die kanadische Intact Financial Corporation und der dänische Versicherer Tryg werden in dem Bericht als mögliche Käufer genannt.
Aber die Allianz ist bereits die Nummer zwei unter den Schadenversicherern in Großbritannien, fraglich also, ob eine Übernahme aufsichtsrechtlich durchgehen würde. Die anderen sind auch keine unbekannten Player. Intact, Kanadas größter Sach- und Unfallversicherer, war im Vereinigten Königreich auf Einkaufstour und hat im vergangenen Monat das von Direct Line vermittelte gewerbliche Geschäft für 520 Mio. Pfund aufgekauft. Zusammen mit Tryg, dem größten Sachversicherer in Skandinavien, kaufte das kanadische Unternehmen 2021 die RSA Insurance Group, die Eigentümerin der Marke More Than, in einem 7,2-Milliarden-Pfund-Deal, der zur Auflösung des 300 Jahre alten Unternehmens führte.
Fraglich erscheint auch, ob Aviva und die Aktionäre einem Angebot überhaupt zustimmen und es womöglich dann zu einer feindlichen Übernahme kommt. Schließlich hat Amanda Blanc bewiesen, dass sie das Unternehmen in die richtige Richtung lenkt. Einen Retter habe Aviva nicht mehr nötig, lautet etwa ein Marktkommentar. Zudem merken Analysten an, dass Avivas Sachgeschäft für die Allianz, Tryg und Intact durchaus attraktiv erscheint, aber nicht das Lebengeschäft, der ein Hauptfaktor für Avivas Gewinne ist. Wenn ein Player dennoch eine Übernahme erwägt, würde er wohl von Aviva einfordern, das Lebengeschäft vorher zu veräußern.
Einer „Fusion unter Gleichen“ stand Bäte offen gegenüber
2018 hat Allianz-CEO Oliver Bäte angedeutet, dass er der Idee einer „Fusion unter Gleichen“ mit einem großen Konkurrenten offen gegenübersteht, sagte jedoch, dass hohe Börsenbewertungen und steigende Übernahmeprämien große Hindernisse für transformative M&A darstellen. „Es ist sehr schwer zu rechtfertigen, 30 Prozent mehr für einen 30-Milliarden-Euro-Vermögenswert zu zahlen als 30 Prozent für einen 5-Milliarden-Euro-Vermögenswert“, sagte Oliver Bäte der Financial Times damals und verwies auf die höheren Kosten- und Ertragssynergien, die erforderlich sind, um einen solchen Aufschlag wieder hereinzuholen, der mit erheblichen Integrationsrisiken verbunden sein könnte.
Als Generali im Jahr 2017 etwa 22 Mrd. Euro an der Börse wert war, gab es auch Gerüchte um einen Kauf durch die Axa und die Allianz. Die Großbank Intesa Sanpaolo bestätige damals offiziell ihr Interesse an Generali. Ebenso wurde die Allianz mit einem Angebot für den Schweizer Konkurrenten Zurich in Verbindung gebracht, der 2018 eine Marktkapitalisierung von 40 Mrd. Euro hatte, verglichen mit 87 Mrd. Euro der Allianz damals (heute: 90 Mrd. Euro).
Grundsätzlich wird angenommen, dass die Allianz zu den sieben Unternehmen gehörte, die Anfang 2018 Interesse an der XL Group bekundeten. XL wurde schließlich von Axa gekauft, die 12,4 Milliarden Euro bot und einen Aufschlag von 54 Prozent auf den Aktienkurs des Zielunternehmens vor der Transaktion zahlte.
Autor: David Gorr