Axa-Personalchefin über Transformation: „Lieber Strukturen verändern, als die Haltung der Mitarbeiter“

Sirka Laudon ist Psychologin und hat vor Axa mehrere Transformationsprojekte bei Unternehmen wie Otto, Axel Springer und Deutsche Bahn. (Quelle: Axa)

Sirka Laudon hat vor ihrem Posten als Vorständin beim Versicherer Axa schon einige Transformationsprojekte bei Otto, Axel Springer und der Deutschen Bahn begleitet. Aus ihrer Erfahrung weiß sie: „Veränderungsbereitschaft ist etwas, das wahnsinnig überschätzt wird in Unternehmen.“ Was sollte man stattdessen tun?

Laudon hat Psychologie in Hamburg studiert, im Nebenfach Philosophie und BWL. Sie sagt, dass die bewussten und unbewussten Dynamiken innerhalb von Paaren oder Familien man durchaus auf die System-Organisationen von Unternehmen übertragen kann.

Im Handelsblatt-Podcast „Rethink Work“ wird sie gefragt, wie ein Verantwortlicher Transformationsprojekte in jedem Fall zum Scheitern bringt: „Dann sollte er wenig Motivation ausstrahlen, lieblos den Zielzustand skizzieren, sich mit allen Stakeholdern verkrachen, die Struktur und die Prozesse so lassen, wie sie sind, und nur an die Kultur und das Verhalten appellieren.“ Die Personalchefin von Axa Deutschland glaubt, dass viele Unternehmen, die Veränderungen anstoßen wollen, zu sehr auf Haltung und Mindset ihrer Mitarbeiter setzen. Dabei seien Struktur- und Prozessveränderungen wirksamere Treiber, aus denen dann automatisch eine andere Kultur „herauspurzelt“, betont sie.

Zwei Drittel der Veränderungsbereitschaft wird durch Gene bestimmt

„Die Veränderungsbereitschaft von Mitarbeitern wird in Unternehmen massiv überschätzt. Die Menschen sind in ihren Strukturen sehr beharrlich. Die meisten scheuen sich vor Veränderungen.“ Man könne auch einen Selbsttest machen und sich fragen, ob man immer einen neuen Weg zu Arbeit nimmt oder immer eine Lieblingsroute hat. Ob man am Tisch immer woanders sitzt oder seinen Lieblingsplatz hat. Laudon begründet das mit der Persönlichkeitspsychologie. Demnach sei die Offenheit für etwas Neues stark in der Persönlichkeit des Einzelnen begründet. Diese lasse sich nicht einfach mal so ändern. Etwa zwei Drittel sei davon in den Genen begründet – der Rest durch Umwelteinflüsse, erklärt Laudon. Mit 30 Jahren ist die Persönlichkeit bereits sehr weit entwickelt und bleibt stabil.

Studien zufolge seien echte Change-Leader nicht einfach zu finden, sie seien auch weder in Top-Konzernen noch in der Politik überwiegend anzutreffen. Bei Axa versuchte man deshalb während der Pandemie bewusst den Change nicht von einem Vorstand erklären zu  lassen. Laudon: „Als die Pandemie begann und wir allen Mitarbeitern erklärten, dass wir sie ins Homeoffice schicken, haben wir ein virtuelles Town-Hall gemacht und dann haben wir uns gefragt, warum wir als Vorstände wieder im Mittelpunkt auf der Bühne stehen sollten. Da haben wir eine Experten für Pandemieverläufe mit nach oben geholt und sie hat es der Organisation erklärt, warum wir das machen müssen.“

Welche Rolle spielt der Zwang bzw. die Bedrohung, dass sich ein Unternehmen verändern muss? Ist der Mensch dann eher für Veränderungen bereit je mehr seine Existenz damit verbunden ist? „Die Existenzbedrohung, die am Horizont skizziert wird, das ist ein Paradigma, das es tatsächlich in der Change-Theorie gibt, nämlich die Burning-Platform. Diese Theorien gehen davon aus, dass wenn man das Schreckensszenario besonders groß macht, dann würden sich die Menschen schneller verändern.“ Sie halte davon nicht so viel. Denn Digitalisierung zum Beispiel sei etwas Fortschrittliches und man sollte es nicht mit einer Bedrohung verknüpfen, um Mitarbeiter in eine bestimmte Bahn zu lenken. „Ein gutes attraktives Zielbild ist viel wirksamer für Veränderungen, wo man die Vorteile für die Organisation und für den Einzelnen aufzählt“, so Laudon.

Autor: VW-Redaktion

4 Kommentare

  • Ferdinand Metternich

    Das kann ich nur bestätigen und finde gut dass Sie das so offen aussprechen. Auch ich habe diese Erfahrung in meinem langen Leben als Berater immer wieder gemacht. Menschen empfinden die ständige Aufforderung sich zu verändern vielfach als übergriffig und entwickeln schon deshalb Widerstand. Umgekehrt wird ein Schuh draus wie sie richtig anmerken: sinnvolle Prozesse und Strukturen entwickeln, die Verhaltensveränderung fördern und im besten Fall positiv belohnen.
    Ferdinand Metternich

  • Matthias Schade

    Ein gutes attraktives Zielbild ist viel wirksamer für Veränderungen, wo man die Vorteile für die Organisation und für den Einzelnen aufzählt“, so Laudon.

    Ich kann dem nur zustimmen auch hinsichtlich der Erkenntnisse in Bezug auf die Hinweise zur Persönlichkeit und zur Unternehmenskultur. Bei dem Zielbild habe ich eine Ergänzung. Ein attraktives UND sinnstiftendes Zielbild. Der Mitarbeiter muss für sich selbst den Sinn von Veränderungen erkennen, sozusagen frei nach Prof. Dr. Viktor E. Frankl (österreichische Neurologe und Psychologe, Begründer der Logotherapie und Existenzanalyse): „Sinn kann nicht gegeben werden, sondern muß gefunden werden.“ Wer ein WARUM zum Leben hat, erträgt auch jedes WIE.

    Leider wird das in einigen Großunternehmen immer noch nicht erkannt bzw. umgesetzt und es wird weiterhin lediglich an die Veränderungsbereitschaft appeliert

  • Aus Sicht des Beraters oder eines Vorstands mag das zutreffend sein.
    Da Veränderungsprozesse oder „sinnvolle Prozesse und Strukturen“ – mit dem Ziel der Performanceverbesserung des Unternehmens – in der Regel kostengetrieben sind, weiß der/die erfahrene MA/in, dass es dann auch immer um Arbeitsplatzabbau geht. Genau das aber betrachtet der/die MA/in höchst selten als motivationsfördernd.

  • Glückwunsch für den Artikel. Für einige Leser sind vielleicht einige unliebsame aber realitätsnahe Wahrheiten hinsichtlich Veränderbarkeit des Einzelnen und der Organisation aufgeführt. Viele Aspekte kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen. Wir müssen natürlich aufpassen,dass der Fokus nicht zu sehr auf Prozesse und Strukturen liegt und damit die Beschäftigten sowie Führungskräfte aus der Verantwortung entlasten. Aktuelle Studien aus der Neurobiologie und meine langjährigen Erfahrungen mit Organisationen und Einzelarbeiten als Business-Coach zeigen, dass unser Gehirn weit ins hohe Alter elastisch und veränderbar ist. Zu einem guten „Veränderungscocktail“ gehören neben den richtigen Mitarbeitern mit guten „genetischen Voraussetzungen“ auch die Führungskräfte in ihrer Rolle als empathische Change-Manager. “ Ich bin gekommen um bei dir zu bleiben, bis wir gemeinsam eine Lösung gefunden haben, die sowohl zu dir wie auch zu uns passt“ Ein in dieser Art ausgeprägtes Einfühlungsvermögen und individuelle nachhaltige Begleitung sind hier zentrale Erfolgsfaktoren. Natürlich müssen wir uns in diesem Kontext über unbewusste Motive, Identitäten, Belohnungsstrategien (nicht über plumpe materillen Aspekte) und Werte Gedanken machen. Auch beim Schreiben merke ich, es ist ein sehr emotionales, hoch spannendes und komplexes Thema was Herzblut und Spaß erfordert. Danke für den Anstoß und den Artikel.

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