BVK-Präsident Heinz: „Sollten die Grünen das Kanzleramt übernehmen, wird das Marktumfeld für die Vermittler schwieriger“
Die Zahl der Vermittler hat sich in diesem Jahr laut DIHK-Vermittlerregister weitgehend stabilisiert. Gleichzeitig zählen die Debatte um den Provisionsdeckel und der digitale Vertrieb weiter zu den größten Herausforderungen für den Berufsstand. Im VWheute-Sommerinterview skizziert BVK-Präsident Michael H. Heinz die Forderungen an die Politik nach der Wahl und warum ihm eine grüne Kanzlerin Sorgen bereitet.
VWheute: Corona hält uns nunmehr seit mehr als einem Jahr in Atem. Wie hat sich die Krise in der Vermittlerschaft ausgewirkt und wie sieht ihre Zwischenbilanz aus?
Michael H. Heinz: Die Vermittlerschaft merkt in ihrem täglichen Geschäft, dass die Kunden seit dem Ausbruch der Pandemie verhaltener Verträge abschließen und Altersvorsorge betreiben. Das Neu- und Abschlussgeschäft lahmt, was verständlich ist, wenn man bedenkt, dass viele in Kurzarbeit sind bzw. – wie z. B. bei den Fluggesellschaften – ihren Job verloren haben.
So bleibt das Umfeld für Vermittler weiterhin schwierig. Wir waren jedoch in diesen schwierigen Zeiten stets für unsere Kunden da und haben durch verschiedene digitale Tools Anpassungsfähigkeit bewiesen.
Um die Einbußen der Vermittler konkreter zu quantifizieren, führt der BVK gerade eine neue Folgeumfrage zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Einnahmen der Vermittler durch. Erste Ergebnisse werden voraussichtlich erst Ende August vorliegen.
VWheute: Marktbeobachter sehen in der Pandemie auch einen „Brandbeschleuniger der Digitalisierung“. Wie schätzen Sie diese Aussage ein und welche nachhaltigen Veränderungen erwarten Sie für die Makler und Vermittler?
Michael H. Heinz: Das schätzen wir anders ein. Der stationäre Vertrieb hat dabei gegenüber dem Onlinevertrieb einen entscheidenden Vorteil: Die Kunden können durch Vermittler auch hybrid online und offline beraten werden. Wir ermuntern unsere Mitglieder stets, die Möglichkeiten der Digitalisierung zu nutzen.
Laut unserer letzten Umfrage vom August 2020 erwarten wir auch kein beschleunigtes Vermittlersterben durch die Pandemie. Die digitalen hybriden Beratungsmöglichkeiten wie z.B. die Videoberatung werden auch nach der Pandemie verstärkt genutzt.
Wir sind daher überzeugt, dass die (hybride) persönliche qualifizierte Beratung durch Vermittler weiterhin von den Kunden sehr gefragt sein wird. Wir glauben, dass die Vermittler nach der Pandemie sogar voraussichtlich digital besser aufgestellt sein werden als zuvor.
Dafür bietet der BVK seinen Mitgliedern durch die Kooperation z. B. mit dem Dienstleister Flexperto maßgeschneiderte Lösungen zur hybriden Beratung von Kunden an. Mit der Flexperto-Software können Vermittler nicht nur über Videotelefonie beraten, komplexe Sachverhalte können mittels einer virtuellen Tafel veranschaulicht werden und das alles, ohne eine App installieren zu müssen, denn die Software von Flexperto ist Browser-basiert. Der krönende Abschluss einer jeden Beratung ist die rechtsgültige Unterschrift.
VWheute: Stichwort Nachfolgeregelung: Laut einer Umfrage von September 2020 finden noch immer zwei Drittel aller Makler keinen geeigneten Nachfolger? Dieses Dauerproblem existiert ja nun schon einige Jahre: Warum gibt es hier keine Fortschritte und woran hakt es bei gutem Nachwuchs? Ist das Berufsbild „Vermittler“ nicht attraktiv genug?
Michael H. Heinz: Die Nachfolgeregelung ist für die Maklerbetriebe komplex und bedarf sorgfältiger und guter Vorbereitung. Denn hier haben Makler viele rechtliche, betriebswirtschaftliche und nicht zuletzt finanzielle Fragen der Maklernachfolge und des Bestandsverkaufs zu klären. Der BVK unterstützt seine Mitglieder mit einem speziellen und ständig aktualisierten Excel-Tool bei der Berechnung einer angemessenen Berechnung des Maklerbestandes.
Darüber hinaus startet der BVK gerade zwei neue Projekte zum Thema Nachwuchsförderung. Zum einen mit den BVK-Junioren, einer Jugendorganisation des BVK. Zudem wird es demnächst eine neue Initiative zum Thema Berufsbild der Versicherungsvermittler geben u. a. mit einer neuen Landingpage. Dort wird u.a. gezeigt, was das Berufsbild des Versicherungsvermittlers ausmacht. Mit den beiden Initiativen versucht der BVK dem herausfordernden Thema Nachwuchsförderung zu begegnen.
VWheute: Der Provisionsdeckel geistert ja noch immer durch die Branche. Frank Grund und Jörg Kukies sehen hier mit Blick auf IDD noch immer Handlungsbedarf? Was entgegnen Sie dazu?
Michael H. Heinz: Wir können da nur mit dem Kopf schütteln, weil ein Provisionsdeckel unangemessen, ungeeignet und ordnungspolitisch inakzeptabel ist. Dass er trotz der Belastungen der Pandemie weiterverfolgt wird, ist für uns nicht nachvollziehbar und völlig unverständlich. Schließlich haben die Vermittler einen sozialpolitischen Auftrag der Absicherung von Lebensrisiken und für die Altersvorsorge und mussten bereits durchschnittliche Umsatzeinbußen von ca. 20 Prozent erleiden.
VWheute: Werfen wir einen kurzen Blick auf die Bundestagswahl im September: Umfragen zufolge waren die Grünen zeitweise vorn. Welche Folgen hätten Ihrer Ansicht nach eine grüne Kanzlerin? Und was erwarten Sie insgesamt von der Politik in der neuen Legislaturperiode?
Michael H. Heinz: Umfragen sind zwar nur Momentaufnahmen, sollten die Bündnisgrünen das Kanzleramt übernehmen, wird das Marktumfeld für die Vermittler schwieriger. Dies haben die Grünen in ihrem Bundestagswahlprogramm etwa beim Thema Riester-Rente und Provisionssystem durchblicken lassen.
Deshalb schlugen wir schon der Führungsspitze der Bündnisgrünen konstruktive Gespräche vor. Wir gaben ihnen zu bedenken, dass ein Wegfall des Vergütungssystems auf Provisionsbasis eine mittlere sechsstellige Zahl von Arbeitsplätzen in den Agenturen und Vermittlerbetrieben gefährden würde. Dieses etablierte System gewährleistet seit Jahrzehnten eine hohe Beratungsqualität, geringe Beschwerdequoten der Kunden und eine weitreichende Absicherung der deutschen Bevölkerung. Darüber hinaus machten wir deutlich, dass im Zuge der EU-Taxonomie sowie der EU-Transparenzverordnung gerade unser Berufsstand mit dafür sorgt, dass eine umfassende Beratung zu Nachhaltigkeitsaspekten im Finanzbereich stattfindet.
Doch unabhängig vom Ausgang der Wahl erwarten wir von der neuen Bundesregierung eine stärkere Förderung der privaten Altersvorsorge mit einer Reform der Riester-Rente. Dieses Vorhaben wurde leider in der aktuellen Legislaturperiode nicht in Angriff genommen. Hier sollte nun dringend gegengesteuert werden, da viele Bürger in der Pandemie ihr Altersvorsorgevermögen antasten mussten. Daher sehen wir hier dringenden Handlungsbedarf, da sonst die Gefahr von wachsender Altersarmut weiter ansteigen wird.
Die Fragen stellte VWheute-Redakteur Tobias Daniel.