Content-Friedhof YouTube: Branche macht „alles falsch“
Deutschlands Versicherer haben die Videoplattform YouTube nicht verstanden. Allianz, Ergo und Co. machen auf der Plattform wirklich „alles falsch, was es falsch zu machen gibt“, sagt Simon Kaiser, Gründer und Geschäftsführer von Klein aber, „Deutschlands Nr. 1 YouTube-Agentur„. Es sei daher kein Wunder, dass die junge Zielgruppe „eher mit coolen Insurtechs sympathisiert“. Außer Schimpfe hat Kaiser aber auch Tipps für die Branche.
Die größten deutschen Versicherer nutzen YouTube als Content-Friedhof und nicht, um mit ihrer Zielgruppe Quality-Time zu verbringen, kritisiert Kaiser. Er nennt den Branchenführer als Beispiel. „Der YouTube-Kanal der Allianz hat bspw. 22.000 Abonnenten, die Videos haben im Schnitt aber nur ein paar Hundert Klicks. Trotzdem postet die Allianz immer weiter Content „im ähnlichen Design und mit dem gleichen Konzept.“ Quality-Time bedeute aber, dass die Inhalte den Interessen der Zuschauer entsprechen, kurzweilig sind und einen echten Mehrwert haben. Die Marke müsse sich darin einfügen, nicht umgekehrt.
Content und Markenpräsentation müssen Hand in Hand gehen. Das eine darf das andere nicht überlagern. Gesucht werden „unterhaltsame Inhalte mit Mehrwert“, die „nicht die Werbekeule schwingen“. Eine Möglichkeit für dauerhaftes Kundeninteresse wäre beispielsweise die Entwicklung eines „Serien-Formats“. Das macht nicht nur die Produktion neuer Folgen einfacher, da das Grundgerüst immer gleich bleibt, sondern sorgt auch dafür, „dass Fans nach kurzer Zeit genau wissen, was sie erwarten können – und bestenfalls schon der neuen Episode entgegenfiebern“, sagt Kaiser. Im (erweiterten) Versicherungssektor wären der „Stressflüsterer“ von Verivox oder die „zwei unvergleichliche Familien“ von Check24 Beispiele für ein Serien-Format.
Design und Botschaft
Der Inhalt steht immer vor der Form, erklärt Kaiser. Einen Wiedererkennungswert kann ein Kanal nur bekommen, wenn er einem übergeordneten Konzept folgt. Glaubwürdigkeit spiele eine große Rolle. Eine Marke, die im TV konservativ auftritt, sollte bei YouTube nicht auf Crazyness setzen. Das Design sei ebenso wichtig. „Wenn die Ergo heute rot und morgen blau auftritt, sind die Kund:innen verwirrt“. Ähnlich ist es bei YouTube. Wenn jedes Video-Thumbnail anders aussieht, werde es der Marke nicht zugeordnet.
Die ausbaufähige YouTube-Performance ist kein Indikator für alle Social-Media-Auftritte. Einige Versicherer, zum Beispiel Allianz und Ergo, „sind teilweise ganz gut“ auf LinkedIn, Instagram und Facebook unterwegs.
Darum sei es umso verwunderlicher, dass sie auf YouTube „so schlecht performen“. Die Gründe dafür seien falsche Vorstellungen und mangelnde Analyse. Einige Versicherer würden YouTube als Ablageplatz für ihren Video-Content sehen, den sie eigentlich für andere Kanäle erstellt haben. „YouTube ist aber speziell und braucht deswegen Inhalte, die für die Plattform gedacht und umgesetzt sind“. Andere Häuser würden ihre Analytics-Möglichkeiten nicht nutzen, um den Content zu optimieren.
Die Versicherer haben nicht verstanden, dass die Plattform kein Verkaufstool ist. „Bei YouTube geht es um Brandbuilding und Wertevermittlung – nicht um den Ersatz für ein Verkaufsgespräch“, erklärt der Experte. Im Zentrum stünde vor allem das Festigen des Markenimages, das Präsentieren und Erklären der Leistungen sowie das Gewinnen neuer Kunden. Es geht dabei nicht um rein informative Inhalte, sondern um die angesprochene Quality-Time.
Die Grundvoraussetzungen für Versicherungen auf YouTube sind „eigentlich super“, glaubt Kaiser. Andere Marken würden vormachen, wie man Zuschauer zu Fans macht. Eine eigens für YouTube entwickelte Strategie ist dafür „unerlässlich“, Regelmäßigkeit der Schlüssel. „Jede Woche neue Videos in einem klaren Format. Aber vor allem entsteht ein erfolgreicher Kanal nicht (nur) am Reißbrett. Mein Rat: Loslegen, testen, messen, weiterentwickeln.“
Das sagt die Ergo
Ganz falsch liegt Kaiser mit seiner Einschätzung hinsichtlich YouTube als Content-Lagerplatz nicht. „YouTube nutzen wir überwiegend zur Zweitverwertung verschiedener Themen wie Produkt und Service, Employer Branding oder unser DFB-Sponsoring„, schreibt die Ergo. Grundsätzlich verfolgen die Düsseldorfer einen „zielgruppengerechten Mix an Marketing- und Kommunikationsinstrumenten“.
„YouTube wird von allen Altersgruppen, überwiegend aber von Jüngeren genutzt. Um diese Zielgruppe zu erreichen, setzen wir vor allem auf Instagram oder verproben neue Formate bei TikTok“, erklären die Düsseldorfer. „Wir betrachten kontinuierlich alle unsere Social-Media-Kanäle und entwickeln unsere Strategie entsprechend fortlaufend weiter“, lautet das Fazit.
Die Frage ist, ob YouTube für Versicherer einen großen Mehrwert bietet. Andererseits, wenn der Weg bereits genutzt wird, warum dann nicht richtig vorgehen, anstatt „alles falsch zu machen“.
Anmerkung der Redaktion: Die Allianz wurde ebenfalls angefragt, konnte aus „Zeitgründen“ aber nicht antworten.
Autor: Maximilian Volz