PKV-Vorsitzender Ralf Kantak: „Die Urteile des Bundesgerichtshofs präzisieren nun die Anforderungen“

Ralf Kantak, Vorstandsvorsitzender der SDK und Präsident des PKV-Verbandes. Quelle: SDK

Wie haben sich die privaten Krankenversicherer in Corona-Zeiten geschlagen? Und welche Erwartungen hat die Branche an die neue Bundesregierung. Im exklusiven Gespräch mit VWheute macht PKV-Präsident Ralf Kantak den Auftakt unserer Reihe von Sommerinterviews.

VWheute: Seit 2019 sind Sie Vorsitzender des PKV-Verbandes. Wie sieht Ihre bisherige Bilanz aus?

Ralf Kantak: Zum 1. Juli 2019 habe ich mein Amt als Vorstandsvorsitzender des Verbands der Privaten Krankenversicherung (PKV) angetreten, sechs Monate später erreichten uns die ersten Meldungen über neuartige Virus-Infektionen im chinesischen Wuhan. Die Corona-Krise hat meine bisherige Amtszeit sicher am stärksten geprägt. Von Beginn an hat die PKV eine gute Rolle bei der Bewältigung der Pandemie übernommen. Das Coronavirus ist in Deutschland auf eines der besten Gesundheitssysteme der Welt getroffen. Zu jeder Zeit konnten sich die Menschen auch bei einer Covid-19-Erkrankung auf eine sehr gute Versorgung verlassen. Das zu ermöglichen, ist unsere wichtigste Aufgabe als Krankenversicherer und das wollen wir auch 2021 gewährleisten.

Trotz dieses schwierigen Umfelds konnte die PKV ihren Wachstumskurs weiter fortsetzen. Die Gesamtzahl an Versicherungen ist 2020 auf 36 Millionen gestiegen. Die Beitragseinnahmen sind auf rund 38,4 Mrd. Euro gewachsen. In der Vollversicherung konnten wir den positiven Trend der Vorjahre bestätigen. Das dritte Jahr in Folge sind 2020 mehr Menschen von der Gesetzlichen in die Private Krankenversicherung gewechselt als umgekehrt. Und auch das Interesse an privater Vorsorge, um den Leistungsumfang der Gesetzlichen Krankenversicherung aufzustocken, ist ungebremst hoch. Die Zahl der Zusatzversicherungen wuchs auf über 27 Millionen. Der Boom bei der betrieblichen Krankenversicherung hat sich unvermindert fortgesetzt: Mittlerweile erhalten mehr als eine Million Menschen in rund 13.500 Unternehmen eine komplett vom Arbeitgeber gezahlte Zusatzversicherung.

Und wir engagieren uns auf vielen Feldern, um unseren Anspruch zu erfüllen, dass die PKV ein Motor für Innovationen ist. Mit unserem Start-up-Fonds „heal capital“ treiben wir digitale Innovationen voran, die eine noch bessere medizinische Versorgung für alle ermöglichen. Wir entwickeln zudem eine elektronische Patientenakte und beteiligen uns am Aufbau der Telematik-Infrastruktur, auch als Gesellschafter der dafür verantwortlichen gematik GmbH. Starke innovative Impulse bringt zudem das gemeinsam mit der Ärzteschaft entwickelte Konzept einer neuen Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ), die den neuesten Stand der Medizin abbildet.

VWheute: Die Corona-Pandemie ist derzeit eine massive Belastung für das deutsche Gesundheitssystem. Verbandsdirektor Florian Reuther rechnete jüngst mit einer coronabedingten Mehrbelastung von einer Milliarde Euro für die PKV. Mit welchen Belastungen rechnen Sie für die privaten Krankenversicherer?

Ralf Kantak: Die PKV steht auch in der Corona-Krise zu ihrer gesellschaftspolitischen Mitverantwortung. Mehr als eine Milliarde Euro zusätzlich hat die Branche alleine im letzten Jahr beigesteuert, um die medizinische Versorgung in der Corona-Krise zu sichern. Wir beteiligen uns an den Kosten der Corona-Impfungen ebenso wie an den Rettungsschirmen für die Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen oder Hospizdienste. Mit Sonderzahlungen für den zusätzlichen Hygieneaufwand und für die verstärkte Nutzung von Videosprechstunden haben wir dazu beigetragen, dass Ärzte, Psychotherapeuten und Zahnärzte ihre Patienten sicher und gut versorgen können. Insgesamt hat die Branche weit mehr für die Bewältigung der Pandemie geleistet, als es ihrem Versichertenanteil entspricht.

Nach unseren vorläufigen Daten für 2020 blieben die Leistungsausgaben der PKV bei 28,4 Mrd. Euro insgesamt stabil. Für eine abschließende Analyse ist es jedoch noch zu früh. Privatversicherte reichen ihre Rechnungen oft erst Monate später zur Erstattung ein. Und in den Hochphasen der Infektionswellen wurden vielerorts Operationen oder Behandlungen zunächst aufgeschoben. Vieles davon dürfte noch nachgeholt werden.  

VWheute: Der PKV-Verband forderte jüngst, auch die Betriebe in die Impfungen mit einzubeziehen.

Ralf Kantak: Für den Erfolg der Impfkampagne sollte die Politik die Impfung in den Betrieben und bei allen Arzt- und Zahnarztgruppen ermöglichen, sobald ausreichend Impfstoff zur Verfügung steht. Die Infrastruktur der Betriebsärzte ist besonders gut dafür geeignet, in kurzer Zeit viele Menschen zu erreichen. Mehr als fünf Millionen Beschäftigte pro Monat könnten die 12.000 Betriebsärztinnen und Betriebsärzte in Deutschland nach eigenen Angaben impfen. Das Interesse bei den PKV-Unternehmen ist groß. Viele haben auch angeboten, die Familienangehörigen der Mitarbeitenden ebenfalls zu impfen. Die Ankündigung der Bundesregierung, zum 7. Juni mit den Impfungen in den Betrieben zu beginnen, ist deshalb ein erster Schritt. Bis dahin sollen auch die reinen Privatarztpraxen in das Impfprogramm einsteigen können.

VWheute: Die Prämienerhöhungen sorgen immer wieder für juristische Auseinandersetzungen. Wie bewerten Sie die Entscheidung des BGH im Dezember 2020 und welche Folgen wird das Urteil aus Ihrer Sicht auf die Branche haben?

Ralf Kantak: Zunächst einmal hat der Bundesgerichtshof für Klarheit gesorgt: Die Richter haben entschieden, welche Angaben private Krankenversicherer in der Begründung einer Beitragsanpassung berücksichtigen müssen. Aufgrund der unkonkreten Formulierung im Gesetz war weder für die Versicherer noch für die Versicherungsnehmer eindeutig, welche Inhalte ein Beitragsanpassungsschreiben konkret haben muss. Die Urteile des Bundesgerichtshofs präzisieren nun die Anforderungen.

In beiden Fällen beziehen sich die Urteile auf zwei konkrete Mitteilungen zu früheren Beitragsanpassungen eines Versicherungsunternehmens. Diese Schreiben unterscheiden sich von Versicherer zu Versicherer und sind deshalb jeweils individuell zu bewerten. Aus den BGH-Entscheidungen kann somit kein Rückschluss auf andere Beitragsanpassungen gezogen werden. Zudem bezieht sich die Entscheidung des BGH auf rein formale Fragen. Das Urteil stellt nicht infrage, dass die geforderten Beitragserhöhungen korrekt kalkuliert sind.

VWheute: Aktuellen Umfragen zufolge liegen die Grünen mit Blick auf die Bundestagswahl im September vor Union und SPD: Fürchten Sie nun, dass das Schreckgespenst „Bürgerversicherung“ nun doch Wirklichkeit wird?

Ralf Kantak: In der Corona-Pandemie hat das deutsche Gesundheitssystem seine hohe Leistungsfähigkeit einmal mehr unter Beweis gestellt. Die im internationalen Vergleich hervorragende Gesundheitsversorgung verdanken wir unserem dualen Versicherungssystem aus Privater und Gesetzlicher Krankenversicherung. Sie bringen im Wettbewerb die Versorgungsqualität voran. Die Menschen wissen das zu schätzen: Nach einer aktuellen Allensbach-Umfrage sind 90 Prozent der Befragten zufrieden mit ihrer Gesundheitsversorgung – die höchste Zustimmung seit 20 Jahren.

Im anstehenden Bundestags-Wahlkampf sind die Parteien daher gut beraten, dieses bewährte System nicht anzutasten. Dass einige Parteien trotzdem pünktlich zum Wahlkampf wieder den alten Hut der sogenannten Bürgerversicherung aufsetzen, soll wohl vor allem ideologisch mobilisieren und sich einen gewissen Neid zunutze zu machen. Natürlich müssen wir manches weiter verbessern, aber Radikaloperationen am gesunden Herzen wären nun wirklich absurd.

VWheute: Werfen wir einen Blick in die Zeit nach der Wahl: Welche Forderungen haben Sie an die neue Bundesregierung in der kommenden Legislaturperiode?

Ralf Kantak: Die neue Bundesregierung sollte endlich ernsthaft die Herausforderungen des demografischen Wandels in der Kranken- und Pflegeversicherung angehen. Denn was die Verfassungsrichter im Karlsruher Klimaschutz-Urteil mit den Freiheitsrechten künftiger Generationen schützen, sollte in der Sozialpolitik unter dem Aspekt der Generationengerechtigkeit nicht weniger Beachtung finden. Der Überbietungswettbewerb um steuerfinanzierte Leistungsausweitungen in der Pflegeversicherung oder die Erhöhung des Bundeszuschusses in der Gesetzlichen Krankenversicherung zeigt derzeit in die falsche Richtung. Die Folgen sind eine zusätzliche Staatsverschuldung, höhere Steuern und eine Versorgung nach Kassenlage – in Konkurrenz zu anderen wichtigen Zielen wie Klimaschutz oder Digitalisierung.

Wenn wir in unserer alternden Gesellschaft die zukünftigen Steuer- und Beitragszahler vor finanzieller Überlastung schützen wollen, müssen wir mehr Menschen und Leistungen kapitalgedeckt absichern. So bleibt der Wirtschaftsstandort Deutschland wettbewerbsfähig und der Wohlstand für zukünftige Generationen erhalten. Die PKV zeigt, wie es gehen kann. Hier sorgt jede Generation für die eigenen Gesundheits- und Pflegekosten vor. Die PKV-typische Demografie-Vorsorge beträgt mittlerweile mehr als 287 Mrd. Euro. Mehr als 35 Prozent aller Beitragseinnahmen nutzt die PKV für diese Vorsorge. Sie wächst damit jedes Jahr um rund 14 Mrd. Euro. Hinzu kommt der PKV-typische Mehrumsatz, durch den über zwölf Mrd. Euro im Jahr zusätzlich in die medizinische Versorgung fließen. Das sind Jahr für Jahr also rund 26 Mrd. Euro – ein gewaltiger Beitrag, mit dem die PKV das deutsche Gesundheitssystem stabilisiert.

Die Fragen stellte VWheute-Redakteur Tobias Daniel.

Ein Kommentar

  • Bis jetzt dürften nur Bruchteile an Kosten bei den Versicherern durchgereicht worden sein. Leider spielt niemand mehr mit offenen Karten. Vertreter der GKV zeichnen schon die wildesten Szenarien. Schwarz ist da die hellste Farbe. Und zum Thema PKV gehe ich fest davon aus, dass dieses Versorgungssystem bald der Vergangenheit angehört. Einige Unternehmen würden lieber heute als morgen von diesem Geschäftsmodell weggehen. Das haben interne Umfragen bei den VUs bereits ergeben. Wie soll zum anderen diese riesen Lücke von fehlenden Versicherungsnehmern geschlossen werden. Hier könnte sicherlich eine Kalkulation nach Postleitzahlen hilfreich sein. 🙂

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