Montagskolumne: Klaus Hermann über Demut und Demütigung eines Versicherungsvermittlers
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Klaus Hermann ist Versicherungskaufmann und meinungsstark. Quelle: VWheute.

Die Grenze zwischen Demut und Demütigung, der Respekt für seine Arbeit und das nötige Selbstbewusstsein. Darüber schreibt Klaus Hermann, eloquent und pfiffig wie eh und je, in der heutigen Montagskolumne.

Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn sie an Mahatma Gandhi, Nelson Mandela und Martin Luther King denken? Ich verbinde Begriffe wie Sympathie, Erfolg und Demut mit diesen herausragenden Persönlichkeiten.

Haben Sie das Bild vor Augen, wie sich Dirk Nowitzki nach 21 Jahren Profisport und unfassbaren Leistungen mit gesenktem Haupt im Scheinwerferlicht von seinen Fans verabschiedet? Das Video seiner Rede nach dem letzten Heimspiel bei den Dallas Mavericks sorgt für eine chronische Gänsehaut.

Ob Spitzensport, Politik oder auch im Beruf. Eine gute Portion Demut hat noch keinem geschadet. Das gewisse Maß an Ergebenheit ist sicherlich ein Erfolgsfaktor, den man nur schlecht durch andere Eigenschaften kompensieren kann.

Dennoch ist es gerade auch in meinem Beruf eine Gratwanderung. Demut und Demütigung liegen dicht beieinander. Das wird sicherlich durch das schlechte Ansehen meines Handwerks noch befeuert.

Kunden interpretieren die Zurückhaltung, Duldsamkeit und Freundlichkeit einiger Kollegen im Zusammenspiel mit dem Ruf, der uns vorauseilt, gerne mal als Unterwürfigkeit. Daraus ergeben sich Fehlentwicklungen, die unser Ansehen meiner Meinung nach eher zementieren als verbessern.

Der Logik dieser Wahrnehmung vieler Versicherungsvertreter folgend, verhalten sich Kunden manchmal entsprechend respektlos. Da wird beim Hausbesuch gerne mal nebenher gekocht, Termine werden immer wieder kurzfristig abgesagt oder man ist erst gar nicht wie vereinbart anzutreffen, Unterlagen sind nicht vorbereitet, Familienmitglieder nicht anwesend, man wird am Telefon für Nichtigkeiten beschimpft, im Schadenfall werden Wunder erwartet und eine jahrelange, gute Arbeit für den Kunden nach einer kleinen Beitragsanpassung in der Autoversicherung vergessen und alle Verträge gekündigt.

Fragen Sie mal einen Notar oder Steuerberater, ob er so etwas häufig erlebt. Ich glaube nicht. Das sind schließlich keine Versicherungsvertreter.  

So demütig Gandhi, King und Mandela auch waren. Sie waren dennoch unglaublich konsequent in ihrem Handeln. Sie hatten klare Ziele, die sie verfolgten. Demütig, aber fest entschlossen.

Ich erinnere mich an einen Besuch bei einem Kunden, vor vielen Jahren. Wir saßen im Wohnzimmer, der Fernseher lief laut, man hatte unseren Termin vergessen, nahm sich trotzdem spontan die Zeit und wir unterhielten uns über die bestehenden Verträge und mögliche Verbesserungen. Zumindest versuchte ich das. Denn zu allem Überfluss kam ein weiterer Störfaktor hinzu. Direkt neben meinem rechten Knie hatte es sich der übel aus der Schnauze riechende Haushund gemütlich gemacht. Mit jedem Hecheln in meine Richtung reduzierten sich die Sauerstoffmoleküle und ich kam der Ohnmacht ein Stückchen näher. Meine Mission „Vertragsumstellungen“ nicht gefährden wollend, sagte ich selbst dann nichts, als der Mischling seine Position veränderte und sich, mit starrem Blick zu mir, zwischen meine Beine stellte. Von da an überwog bei mir die Angst vor einem kurzfristigen Nachgeben der niederen Instinkte des Tieres und dem damit verbundenen, drohenden Verlust meiner Zeugungsfähigkeit.

In dieser Situation war ich zu sehr in meiner Rolle des demütigen Versicherungsvertreters. Froh, dass man mir überhaupt zuhörte und die respektlosen Auswirkungen meines Ansehens ertragend. Ich hatte nicht den Mut, den Kunden darauf hinzuweisen, dass der Fernseher unser Gespräch störte und der Hund mir Angst machte und mal wieder eine 90-Grad-Kochwäsche vertragen könnte.

Das ist nur ein kleines Beispiel, um das Dilemma unseres Berufs klarzumachen. Ich bin sicherlich nicht allein mit Erlebnissen solcher Art. In den letzten Jahren habe ich meine Einstellung grundlegend verändert. Selbstverständlich ist auch bei mir immer noch der Kunde König. Ich lebe davon, dass mir Menschen vertrauen und mir die Sicherung ihrer existenziellen Risiken überlassen. Zusammen mit meinem Team möchte ich für meine Kunden erreichbar sein, freundlich, kompetent und schnell deren Anliegen und Wünsche erledigen. So weit, so gut. Aber eines ist mir dabei enorm wichtig: Bitte immer auf Augenhöhe bleiben. Das bedeutet für mich, dass der Mandant meine Mitarbeiter*innen und mein Team genauso anständig behandelt wie wir ihn. Hört sich einfach an. Ist es aber nicht immer.

Dieser klaren Absicht folgend, hat sich für meine Agentur eine deutliche Ausrichtung entwickelt, die wir mit größtmöglicher Konsequenz verfolgen. Wir wollen nur mit Menschen zusammenarbeiten, die zu uns passen und wenn jemand von uns beraten und betreut werden möchte, dann gilt das Motto: Ganz oder gar nicht.

Gerade unser „Motto“ gefällt nicht jedem. Alles andere macht jedoch wenig Sinn. Wer lässt denn seine Buchführung von einem Steuerberater erledigen, beauftragt eine zweite Kanzlei mit der Erstellung der betriebswirtschaftlichen Auswertung und um die Bilanz kümmert sich dann Büro Nummer Drei? Keiner? Ganz genau. Das ist auch beim Thema Versicherungen nicht angebracht. Es muss einer den sprichwörtlichen Hut aufhaben und sich den Gesamtüberblick verschaffen.

Oft froh, wenigstens einen Teil vom Versicherungskuchen abzubekommen, gehen viele Kollegen an dieser Stelle Kompromisse ein. Ich beschreibe Ihnen meine persönliche Vorgehensweise nicht, um im Rahmen von „Fishing for Compliments“ dafür gelobt zu werden. Es geht mir vielmehr darum, dass wir Versicherungsvermittler eine zu große Zurückhaltung aufgeben sollten. Der Versicherungsvermittler im Jahr 2021 ist mit denen aus dem vergangenen Jahrhundert nur noch schwer zu vergleichen. Immer mehr Agenturen sind nach neuesten Trends und hochmodern ausgestattet, sehr gut geschult und dabei immer noch mit einer authentischen, persönlichen Note unterwegs. Die digitalen Dienstleister und konkurrierende Vertriebswege haben diese Konzentration der Qualität weiter beschleunigt.

Wir müssen in einer Kombination aus breiter Brust und gebotener Demut unseren Kunden entgegentreten und für sie da sein. Selbstverständlich dürfen wir dabei auch betonen, dass wir wirtschaftlichen Rahmenbedingungen unterliegen und auch Anforderungen an unsere Mandanten stellen. Mindestens die, dass wir unter den Grundvoraussetzungen von Anstand und Miteinander zusammenarbeiten wollen.

Mahatma Gandhi, Nelson Mandela und Martin Luther King waren legendäre, großartige Persönlichkeiten, die ihren festen Platz in der Menschheitsgeschichte zementiert haben. Es wäre vermessen, als Versicherungsvermittler in deren Riege aufzusteigen. Zwischen unserem Ansehen und dem, der drei historischen Größen ist jedoch noch eine Menge Luft. Hier können wir durch einen klaren, selbstbewussten und verständlichen Auftritt beim Kunden eine andere Wahrnehmung erzeugen. Auf geht’s.

Autor: Klaus Hermann ist Vermittler, Buchautor, Comedian und vieles mehr. Für VWheute schreibt er über Vermittler- und alle weiteren Themen, die ihn bewegen.