Ergo-Doppelinterview: „Die Anzahl der Online-Kampagnen unserer Vermittler hat sich vervierfacht“

Olaf Bläser (links) und Sebastian Rapsch (rechts). Quelle: Ergo Deutschland

Wie hat sich die Pandemie auf den Vertrieb bei der Ergo Deutschland ausgewirkt? Die Versicherungswirtschaft hat im Doppelinterview mit den Ergo-Vorständen Olaf Bläser und Sebastian Rapsch über den strategischen Kurs des Versicherers, den Erfolg der Markenzusammenführung, neue Arbeitsplätze im Vertrieb und die Zukunft der persönlichen Beratung gesprochen.

VWheute: Ergo Deutschland hat vor zwei Jahren sein Markenportfolio sortiert und Ergo und Ergo Direkt zusammengelegt. Wie ist bislang das Feedback der Kunden? Können Sie Zahlen zu den Abschlüssen über die gemeinsame Website nennen?

Olaf Bläser: Richtig, wir feiern in diesem Frühjahr quasi den zweijährigen Geburtstag unseres „Hybriden Kunden“. Startschuss war 2019 die Zusammenführung von Ergo und Ergo Direkt – unter einem Markendach und auf einer Website. Wir haben hiermit insbesondere Missverständnisse unter den Kunden aufgelöst, die oftmals die Trennung zwischen Ergo und Ergo Direkt nicht nachvollziehen konnten. Mittlerweile ist das einstige Projekt aus seinen Kinderschuhen herausgewachsen, in die Linie überführt und als Geschäftsmodell fest im Konzern etabliert.

Sebastian Rapsch: Dabei ist uns wichtig, dass die Strategie auch beim Kunden ankommt. Das beginnt damit, dass die Kunden die Angebote nutzen. Es haben sich weit mehr als eine Million Nutzer für unser Kundenportal registriert und unsere Website ergo.de gehört mit 14 Millionen Aufrufen in 2020 zu einem der sichtbarsten Internetauftritte der Branche. Aber auch unsere Vermittler sind digital präsenter geworden. Wir sehen deutliche Steigerungen beispielsweise auch bei der Nutzung von Online-Terminbuchungen über die Vermittler-Homepages. Und es freut uns auch, dass sich gleichzeitig die Weiterempfehlungsbereitschaft bei den Kunden – über alle Segmente hinweg – um mehr als 20 Prozentpunkte verbessert hat.

VWheute: Seit über einem Jahr hält uns die Pandemie in Atem. Was sind die Auswirkungen von Corona auf das Geschäftsmodell?

Sebastian Rapsch: Corona ist ganz klar auch ein Digitalisierungsbeschleuniger. Damit beschleunigt die Pandemie den Trend, den wir mit unserem Geschäftsmodell aufgreifen. Beispielsweise wirkt sich Corona auf die Kommunikationskanäle mit unseren Kunden aus. Vor Corona spielte z.B. Videoberatung eine vergleichsweise kleine Rolle. Nur drei Prozent unserer Kunden gaben in Befragungen an, sich das vorstellen zu können. Inzwischen sagen 14 Prozent, dass sie Videoberatung auch nach der Pandemie nutzen würden. Die Nutzung der digitalen Kommunikationswege ist insgesamt im Markt und bei unseren Kunden aufgrund von Corona gestiegen. Ich gehe klar davon aus, dass dies ein bleibender Effekt ist. Wir haben auch vor Corona große Schritte in Richtung Digitalisierung getan: Phone- und Chatbots, Voice-Anwendungen oder auch Prozessautomatisierungen durch Roboter sind schon lange Teil unseres Alltags. Das hilft uns in der aktuellen Situation – gerade im Vertrieb.

Olaf Bläser: Ich kann mich da nur anschließen. Unser Geschäftsmodell hat wesentlich dazu beigetragen, dass wir unser Vertriebsergebnis 2020 auf Vorjahresniveau halten konnten. Insgesamt haben wir in den vergangenen Jahren rund 400 Mio. Euro im Rahmen unseres damaligen Ergo- Strategieprogramms in Digitalisierung investiert. So war es unseren Vertriebspartnern möglich, trotz Lockdown für unsere Kunden weiter erreichbar zu sein – und das bei gleicher Beratungsqualität.

VWheute: Was hat sich für die Vertriebspartner seitdem geändert?

Olaf Bläser: Ganz konkret haben unsere Vertriebspartner im vergangenen Jahr unsere digitalen Lösungen wie den Beratungsansatz, Videotelefonie, Angebots- und Antragsstrecken, die digitale Unterschrift per Smartphone oder das digitale Kundenportal noch viel stärker genutzt als zuvor: Zum Beispiel wurden 2020 weit mehr als doppelt so viele Termine bei unseren Vertriebspartnern online gebucht als noch im Vorjahr. Und auch die Kontaktaufnahme über die eigenen Vermittlerhomepages ist im vergangenen Jahr deutlich angestiegen. Die Anzahl der Online-Kampagnen unserer Vermittler hat sich vervierfacht. Und das freut unsere Vertriebspartner ebenso wie uns.

Auch das Thema Aus- und Weiterbildung hat sich sehr verändert: Seminare der Ergo Akademie finden derzeit nur im digitalen Raum statt. Und das ohne Qualitätseinbußen und bei Erreichung aller IDD-Vorgaben. 2020 haben wir die Weiterbildungsquote nahezu vollständig erreicht und liegen damit deutlich über dem Branchendurchschnitt. Viele Vertriebspartner bilden sich auch über die gesetzlich vorgeschriebene IDD-Stundenanzahl hinaus fort. Ergo ist zudem eines von wenigen Versicherungsunternehmen in Deutschland, das sich einer externen Wirksamkeitsprüfung des GDV-Verhaltenskodex unterzieht. Auch diese haben wir 2020 – trotz der Umstellung auf digitale Fortbildungen – erfolgreich abgeschlossen.

VWheute: Die Pandemie hat bei allen Versicherern Spuren bei Prämieneinnahmen und Gewinnen hinterlassen. Plötzlich fehlte der Kundenkontakt, und der Großteil der Mitarbeiter musste innerhalb weniger Wochen ins Homeoffice geschickt werden. Die Digitalisierung erhielt dadurch eine ganz neue Bedeutung. Muss man nicht mehr von dem hybriden Kunden denken, sondern von einer kompletten Online-Beratung in der Zukunft gesprochen werden?

Olaf Bläser: Da sage ich ganz klar: Nein. Der persönliche Kontakt zu unseren Vertriebspartnern ist und bleibt eine wichtige Säule der Kundenberatung und damit des Vertriebsmodells von Ergo. Gerade komplexe Produkte wie die Altersvorsorge oder eine Berufsunfähigkeitsversicherung brauchen eine persönliche Beratung. Das sehen wir auch an den Absatzzahlen über die jeweiligen Vertriebswege. Und auch in der aktuellen Situation lässt sich das bestätigen.

Komplexe oder sensible Themen besprechen unsere Kunden nach wie vor lieber mit ihrem vertrauten Ansprechpartner vor Ort. Aber klar, wir beobachten auch, dass eine Beratung verstärkt online gebucht wird. Der Fokus bei uns liegt aber darin, das hybride Modell und nicht einseitig den Direkt-Kanal zu stärken. Nur so haben unsere Kunden die Möglichkeit, sich auszusuchen, wie sie für ihr aktuelles Anliegen die schnellste oder beste Lösung finden können: Zum Beispiel geht die Meldung eines Schadens ganz einfach und schnell online über die Kunden-App. Eine Kfz-Versicherung lässt sich einfach über unsere Website abschließen.

Sebastian Rapsch: Dies belegen auch Marktstudien. Bereits heute informieren sich rund 60 Prozent der Kunden vor einem Abschluss auch online, gleichzeitig finden noch rund 70 Prozent der Abschlüsse offline statt. Digitale Kommunikation – und auch der Ausbau von digitalen Self- Services für unsere Kunden – ist ein klarer Trend. Aber: Die individuelle Beratung, das Aufzeigen des Versicherungsbedarfs und von geeigneten Lösungen, das bleibt zentraler Teil unserer Leistung für den Kunden. Das kann im persönlichen Gespräch erfolgen oder per Telefon oder Video-Chat. Genau deshalb setzen wir auf das Modell „Hybrider Kunde“.

VWheute: Mit der Markenzusammenlegung wurden auch Stellen abgebaut. Von wie vielen Jobs sprechen wir dabei und welche neuen Arbeitsplätze wurden dabei geschaffen?

Sebastian Rapsch: Wir haben in den letzten Jahren im Rahmen unseres Strategieprogramms, das wir schon 2016 gestartet haben, auch Strukturen in Verwaltung und Vertrieb gestrafft. Das hat uns Spielraum gegeben, gleichzeitig in Wachstumsfelder zu investieren. Das Programm „Hybrider Kunde“ mit dem Ziel eines konsistenten Marktauftritts, der Harmonisierung unserer Angebote, von Produkten und Services bis zu den Websites, dem gemeinsamen Kundenportal und natürlich der Markenzusammenführung war und ist dabei aber klar ein Investitionsposten, der auch neue Arbeitsplätze bedeutet. Die Nutzung von Direktmarketing für Vermittler oder der Aufbau eines übergreifenden Customer-Relationship-Managements sind Beispiele für neue oder ausgebaute Tätigkeiten. Dazu kommen natürlich die im Rahmen des Projekts zu leistenden Investitionen in die nötigen technischen Voraussetzungen.

VWheute: Und was sind die großen weiteren Umbaumaßnahmen bzw. Digitalpläne der Ergo?

Olaf Bläser: In Bezug auf den Vertrieb werden wir den eingeschlagenen Weg und die Strategie konsequent weiterverfolgen und die erreichten Erfolge skalieren. Dabei geht es insbesondere um die weitere Harmonisierung der IT-Landschaften, um eine vollständige Durchlässigkeit der Systeme zu gewährleisten. Dazu gehört unter anderem auch die Vereinheitlichung unserer Provisionierungssysteme bei denen wir kurz vor der technischen Finalisierung stehen. Unser Ziel ist klar: Potenziale heben, Performance verbessern und weiter wachsen.

Wir arbeiten außerdem daran, unsere digitalen Angebote weiter auszubauen. In der noch sehr frühen Testphase ist bei uns aktuell zum Beispiel der Einsatz von Virtual Reality im Vertrieb. Damit könnte es unseren Vertriebspartnern in Zukunft möglich sein, eine Beratung im virtuellen Raum durchzuführen. Es mag überraschend klingen, aber das vermittelt in der Tat eine ganz andere Nähe als ein Telefonat oder ein Video-Call. Wir haben das nun bereits mit ersten Kunden getestet und sehr positives Feedback bekommen. Ob das jedoch auch etwas für den Einsatz in der Breite ist, wird sich noch zeigen.

Sebastian Rapsch: Über den gesamten Konzern hinweg wollen wir unsere Technologiekompetenz in den nächsten Jahren weiter ausbauen und haben uns zum Ziel gesetzt, bis 2025 digital führend in der Versicherungsbranche zu sein. Das gilt sowohl für unseren Heimatmarkt Deutschland als auch für unsere internationalen Kernmärkte. Um das zu erreichen, werden wir unsere digitalen Assets und Schlüsseltechnologien international ausrollen. Auf Ökosysteme setzen wir bereits heute insbesondere in den Bereichen Handel, Mobilität und Reise. Wir sehen dort klar wachsende Potenziale, die wir heben wollen. Wir sind davon überzeugt: Der Versicherer, der sich in strategisch relevanten Ökosystemen fest als Partner etabliert, ist sehr gut für die Zukunft aufgestellt.

Die Fragen stellte VWheute-Redakteur David Gorr.

Das vollständige Interview lesen Sie in der aktuellen Mai-Ausgabe der Versicherungswirtschaft.

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